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SAMSTAG

Ein ko(s)mischer Unfall

Die Reise gleicht einem Spiel;

es ist immer Gewinn und Verlust dabei

und meist von der unerwarteten Seite.

Johann Wolfgang von Goethe,

Dichter und Naturforscher

Sintflutartiger Regen prasselte auf Blech, anfangs klang es melodisch, als ob ein Klavierspieler stakkato spielen würde, mit einem rhythmischen Abstoßen der Finger von den Tasten, und dann hörte es sich eher an wie ein unablässiges Trommelfeuer in einer Schlacht. Abertausende Wassertropfen zerplatzten auf der Windschutzscheibe, wurden in kleinere Tröpfchen zerlegt, bevor sie von den Scheibenwischern weiter in Richtung Autobahn gedrückt wurden, wo ihre gravitationsbedingte Reise ein abruptes Ende fand. Immer mehr Regentropfen suchten den Weg zur Erde, als ob der Himmel alle seine Schleusen geöffnet hätte. Es war Abend, tief hängende, regenschwere Wolken bedeckten den Himmel, und doch war es nicht dunkel. Der Wasserfilm auf dem Metall und dem Glas der Autos, ebenso wie die Wasserschicht auf der Fahrbahn, reflektierten das helle Licht der Scheinwerfer, gepaart mit dem roten Licht der Heckleuchten der vorausfahrenden Fahrzeuge. Es war ein zittriges Bild vorwärtsstrebender Automobile, das die Lichtstrahlen im Gehirn der Insassen projizierten.

Lea hatte ihre Fahrweise den widrigen Umständen angepasst und würde die Autobahn bald verlassen. Es ging in den Skiurlaub. Bei diesem Tempo dürfte sie in einer knappen Stunde an ihrem Zielort inmitten der italienischen Alpen sein, wie ihr das Navigationssystem bescheinigte. Endlich. Sie freute sich auf schneebedeckte Berge, in der Sonne glitzernde Pisten und ahnte nicht die Katastrophe, die sich anbahnte.

Plötzlich schaltete ihr Bewusstsein um auf Zeitlupenmodus. Ihre Aufmerksamkeit wurde gefangen von einem Wassertropfen, der scheinbar entgegen jeder Schwerkraft erst die Windschutzscheibe emportippelte und sich dann kreiselnd in Richtung Himmel verabschiedete. Ein kleiner Moment für die Ewigkeit, würde sie später denken, wie ihr ein winziger Wassertropfen, aller Schwerkraft trotzend, die grundlegende Veränderung ihres Lebensweges ankündigte.

Ein pinkfarbener Lippenstift segelte im Schneckentempo an ihr vorbei, sich gemächlich um seine Achse drehend, gefolgt von einem torkelnden Eyeliner und der offenen Handtasche, an Langsamkeit kaum noch zu überbieten.

Im Bruchteil einer Sekunde war sie von fliegenden Gegenständen umgeben, die ihre plötzliche Beschleunigung durch eine auf das Heck des Wagens wirkende Kraft erhalten hatten. Sie hörte den Regen nicht mehr, nur noch den Knall, verursacht durch den Aufprall des nachkommenden Fahrzeuges, spürte die schleudernde Bewegung, in die ihr Auto versetzt wurde und der sie machtlos ausgesetzt war.

Es war aber irgendwie mehr als die Bewegung des Wagens im Raum oder das Umherschwirren der Gegenstände in der Fahrgastzelle des Autos. Sie war im Zentrum des Geschehens, alles drehte sich um sie, sie war die einzige Konstante in einer Umgebung, wo die Dinge einer neuen Kraft gehorchten. Die Leitplanke kam auf sie zu. Schlimm fand Lea das nicht, in diesem Moment eher komisch. Wieso bewegte sich die Leitplanke, und sie selbst verharrte im Raum?

Dann war auf einen Schlag alles dunkel in ihr. Die Verformung von eineinhalb Tonnen Blech, einhergehend mit einer plötzlichen Hitzeentwicklung, bekam sie schon nicht mehr mit.

Ein Quantum Zeit

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