Читать книгу Examens-Repetitorium Handels- und Gesellschaftsrecht - Walter Bayer - Страница 33
a) Normzweck und dogmatische Struktur
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Die negative Publizität des Handelsregisters nach § 15 I HGB bezweckt den Schutz des redlichen Rechtsverkehrs: Ist eine im Interesse des Rechtsverkehrs eintragungspflichtige Tatsache nicht in das Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht, so kann sich der Anmeldepflichtige gegenüber einem gutgläubigen Dritten auf diese Tatsache nicht berufen.
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Fall 5a:
Wird der Widerruf einer Prokura[10] entgegen § 53 II HGB nicht eingetragen und bekanntgemacht, so muss der Inhaber des Handelsgeschäfts trotz materiell wirksamen Widerrufs Rechtsgeschäfte seines bisherigen Prokuristen gegen sich gelten lassen, es sei denn, der Geschäftspartner wusste von dem Widerruf.
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Fall 5b:
Trotz Ausscheidens aus der OHG haftet der bisherige Gesellschafter auch für alle Neuverbindlichkeiten gem. § 128 HGB,[11] wenn sein Ausscheiden entgegen § 143 II HGB nicht eingetragen und bekanntgemacht wird.
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Dogmatisch handelt es sich um einen speziellen Fall der Rechtsscheinhaftung,[12] der an das Unterlassen der gesetzlich vorgeschriebenen Handelsregistereintragung und Bekanntmachung anknüpft. Geschützt wird durch § 15 I HGB das Vertrauen auf das „Schweigen“ des Handelsregisters (daher negative Publizität). Dieser Vertrauenstatbestand (Rechtsschein), der weiter reicht als die allgemeine Rechtsscheinhaftung (zu den einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 I HGB unten Rn. 66 ff.), kann vom Anmeldepflichtigen durch Eintragung und Bekanntmachung zerstört werden. Während allerdings in den Fällen 5a und 5b das Vertrauen des Rechtsverkehrs in den Fortbestand der bisherigen Rechtslage geschützt wird, gilt dies im Fall 5c für das Vertrauen in die gesetzliche Rechtslage:[13]
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Fall 5c:
A, B und C sind Gesellschafter der ABC-OHG. Im Gesellschaftsvertrag ist vereinbart, dass A von der Vertretung der OHG ausgeschlossen ist; für B und C ist Gesamtvertretung vorgesehen. Diese – nach § 125 I Hs. 2, II 1 HGB zulässige – Regelung kann einem gutgläubigen Dritten D, mit dem A für die OHG ein Rechtsgeschäft abschließt, jedoch nicht entgegengehalten werden, wenn Eintragung und/oder Bekanntmachung (vgl. § 106 II Nr. 4 HGB) unterlassen wurden. Dann kann D auf die gesetzliche Einzelvertretungsmacht eines jeden OHG-Gesellschafters (§ 125 I Hs. 1 HGB) vertrauen und die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts geltend machen.[14]
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Merke:
Jede Änderung der dispositiven Gesetzeslage wirkt hinsichtlich eintragungspflichtiger Tatsachen gutgläubigen Dritten gegenüber nur, wenn Eintragung und Bekanntmachung erfolgt sind.