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c) Anwendungsbereich und Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 III HGB

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aa) Der Anwendungsbereich des § 15 III HGB erfasst – wie § 15 I HGB – nur eintragungspflichtige Tatsachen (oben Rn. 53 f.).

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Beispiel:

Wurde etwa von Kaufmann K die Prokura des P widerrufen und der Widerruf auch im Handelsregister eingetragen, jedoch fälschlich nur der Widerruf einer Ermächtigung gem. § 49 II HGB (Erstreckung auf Grundstücksgeschäfte, dazu unten Rn. 213 ff.) bekanntgemacht, dann kann K gegenüber einem gutgläubigen Dritten nicht geltend machen, dass P nicht mehr sein Prokurist ist.

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bb) Unstreitig kommt § 15 III HGB zur Anwendung, wenn zwar die Eintragung im Handelsregister richtig ist, nicht aber die Bekanntmachung.[91] Demgegenüber wird die Anwendbarkeit von § 15 III HGB angezweifelt, wenn auch die Eintragung unrichtig ist oder sogar völlig fehlt (im Beispiel: auch im Handelsregister wurde fälschlich nur der Widerruf einer Ermächtigung gem. § 49 II HGB eingetragen). Die Bedenken kommen daher, dass unionsrechtlich (Rn. 9, 52) ausdrücklich nur der Fall einer von der Eintragung abweichenden Bekanntmachung geregelt ist (Art. 16 VII GesRRL).[92] Im Ergebnis sind die Zweifel jedoch unbegründet. Dem deutschen Gesetzgeber stand es nämlich jedenfalls frei, über die in der Richtlinie enthaltenen Mindestvorgaben hinauszugehen und § 15 III HGB umfassender zu formulieren: So hat er über die Richtlinie hinaus, die nur die GmbH, die AG und die KGaA erfasst (Art. 13 iVm Anhang II GesRRL), die positive Publizitätswirkung für alle Handelsregisterbekanntmachungen angeordnet. Und er hat § 15 III HGB auch so gefasst, dass es ausschließlich auf die Unrichtigkeit der Bekanntmachung ankommt, und zwar unabhängig von der Frage, ob die Eintragung richtig oder falsch ist oder insgesamt fehlt. In der Sache ist der Rechtsschein durch eine unrichtig eingetragene und bekanntgemachte Tatsache sogar noch stärker als bei nur unrichtiger Bekanntmachung.[93] „Unrichtig“ iSv § 15 III HGB bedeutet somit nach zutreffender hM, dass eine Diskrepanz zwischen wahrer und bekanntgemachter Rechtslage besteht.[94]

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cc) Ebenfalls streitig ist, ob § 15 III HGB auch dann zur Anwendung kommen soll, wenn die Bekanntmachung zwar richtig ist oder fehlt, hingegen die Eintragung unrichtig ist (im Beispiel also statt des Widerrufs der Prokura etwa nur der Widerruf einer Ermächtigung gem. § 49 II HGB eingetragen und die Bekanntmachung richtig durchgeführt wurde). Wortlaut und Entstehungsgeschichte[95] widersprechen hier der Anwendung von § 15 III HGB.[96] Zahlreiche Autoren halten dieses Ergebnis indes für einen Wertungswiderspruch und wollen deshalb die Vorschrift auch hier (analog) anwenden.[97] Die hM löst die Problematik indes über eine ergänzende Anwendung der gewohnheitsrechtlichen Rechtsscheinhaftung (oben Rn. 112 ff.).[98] In der Klausur muss die Streitfrage regelmäßig nicht entschieden werden, da beide Auffassungen typischerweise zu einem übereinstimmenden Ergebnis gelangen.

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dd) Heftig umstritten ist weiterhin, ob die unrichtige Bekanntmachung dem vom Rechtsscheintatbestand Betroffenen zurechenbar sein muss.

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Fall 13:[99]

Infolge eines gefälschten Protokolls der Gesellschafterversammlung, das eine tatsächlich nicht erfolgte Bestellung des G zum Geschäftsführer der K-GmbH ausweist, wird G als Geschäftsführer in das Handelsregister eingetragen und die Eintragung ordnungsgemäß bekanntgemacht. G schloss in Vertretung der K-GmbH mit B einen Kaufvertrag ab. Ist das Geschäft wirksam zustande gekommen?

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G konnte die K-GmbH hier nur als Geschäftsführer mit organschaftlicher Vertretungsmacht nach § 35 GmbHG wirksam vertreten. Das setzt indes eine wirksame Bestellung zum Geschäftsführer nach § 46 Nr. 5 GmbHG voraus, was wiederum einen wirksamen Gesellschafterbeschluss erfordert.[100] Daran fehlt es jedoch vorliegend. Auch der Eintragung der Geschäftsführerbestellung in das Handelsregister nach § 39 GmbHG kommt nur deklaratorische Bedeutung zu.[101] Allerdings könnte sich B hier wegen der erfolgten Handelsregistereintragung auf § 15 III HGB berufen. Ob die Vorschrift zur Anwendung gelangt, ist indes fraglich, da die K-GmbH die Eintragung nicht veranlasst hat.

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Sieht man einmal von der Auffassung ab, die eine Anwendung des § 15 III HGB schon deshalb vereint, weil auch die Eintragung – und nicht ausschließlich die Bekanntmachung – unrichtig war (Rn. 110), hängt die Entscheidung des Falls maßgeblich davon ab, ob § 15 III HGB eine zurechenbare Veranlassung des Rechtsscheintatbestands voraussetzt. Wortlaut, Entstehungsgeschichte und der Vergleich zu § 15 I HGB legen dies gerade nicht nahe, weswegen sich Teile der Literatur auch gegen eine teleologische Reduktion des § 15 III HGB um das Erfordernis der Zurechenbarkeit aussprechen.[102] Verzichtete man indes auf eine solche Einschränkung, begründete § 15 III HGB eine kaum zumutbare und ökonomisch unsinnige Obliegenheit, das Handelsregister laufend und anlasslos auf seine Richtigkeit hin zu überprüfen. Diese Problematik wird zwar dadurch entschärft, dass Fehler des Registergerichts Amtshaftungsansprüche aus Art. 34 GG, § 839 BGB begründen können, so dass im Haftungsfall ein Regress möglich ist.[103] Die herrschende Auffassung hält eine Rechtsscheinhaftung ohne Zurechenbarkeit gleichwohl für untragbar und auch mit Blick auf Art. 2 I, 14 I GG für verfassungsrechtlich bedenklich; sie fordert daher, dass der Betroffene zumindest eine Veranlassung zur Bekanntmachung gegeben hat (Veranlassungsprinzip), wobei allerdings schon der richtig gestellte Eintragungsantrag ausreichen soll.[104] Für diese Position, der auch das OLG Brandenburg[105] in Fall 13 folgte, sprechen unbeschadet der verfassungsrechtlichen Zweifel insbesondere die strukturellen und wertungsmäßigen Parallelen zur gewohnheitsrechtlichen Rechtsscheinhaftung, die ebenfalls einen zurechenbar gesetzten Vertrauenstatbestand erfordert (Rn. 115). Zudem kann eine Kontrolle der Richtigkeit der Verlautbarung nur demjenigen zugemutet werden, der die Anmeldung zur Eintragung der unzutreffend bekanntgemachten Tatsache in das Handelsregister vorgenommen hat.[106] Daher ist es jedenfalls inkonsequent, § 15 III HGB nur zu Lasten von Personen mit einer Handelsregisterakte – sprich: Kaufleuten, Handelsgesellschaften und deren Mitglieder, dagegen nicht gegenüber Privatpersonen oder Freiberuflern – eingreifen zu lassen.[107]

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Fall 14:

K beantragt die Löschung der Prokura für P; bekanntgemacht wird eine Prokuraerteilung für B.

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Hier ist die Zurechnung zu bejahen, weil K die Bekanntmachung veranlasst hat und problemlos prüfen kann, ob sein Antrag zutreffend ausgeführt wurde. Wird hingegen fälschlich bekanntgemacht, dass der zum Geschäftsführer der A-GmbH angemeldete G Geschäftsführer der B-GmbH sei, dann würde diese Unrichtigkeit der B-GmbH nicht zugerechnet, da sie – mangels eigener Veranlassung – keinen Grund zur Prüfung der Richtigkeit des Handelsregisters hatte.

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ee) Konsequenterweise kann § 15 III HGB bei erforderlicher Zurechnung – anders als bei § 15 I HGB (oben Rn. 84) – auch nicht auf beschränkt Geschäftsfähige oder Geschäftsunfähige angewendet werden.[108]

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Fall 15:[109]

Bekanntgemacht wird eine Prokura für P auf Antrag des minderjährigen Kaufmanns K ohne Zustimmung des Familiengerichts gem. §§ 1643 I, 1822 Nr. 11, 1831 BGB. Diese Prokuraerteilung ist hier unwirksam.[110] Mangels Zurechenbarkeit wirkt ein von P gegenüber dem gutgläubigen D abgeschlossenes Rechtsgeschäft nicht gegenüber K.

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ff) Ebenso wie bei § 15 I HGB (Rn. 75) findet § 15 III HGB keine Anwendung, wenn der Dritte die wahre Rechtslage positiv kennt. Auch grob fahrlässige Unkenntnis schadet der Gutgläubigkeit des Dritten nicht.[111] Insoweit weicht § 15 III HGB von der gewohnheitsrechtlichen Rechtsscheinhaftung ab. Eine weitere Abweichung ergibt sich in puncto Kausalität. Denn § 15 III HGB kommt auch dann zur Anwendung, wenn der Dritte keine positive Kenntnis von der Bekanntmachung hat; auch muss er bei dem Abschluss des fraglichen Geschäfts nicht auf die Bekanntmachung vertraut haben (abstrakter Vertrauensschutz).[112]

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