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Österreich

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Die Mark der Babenberger, für welche 1147 zum ersten Mal der lateinische Name Austria in einem königlichen Diplom gebraucht wird, nahm im 12. Jahrhundert einen eindrucksvollen Aufschwung. Aus dem Pionierland, das die Mark nach der Jahrtausendwende noch weithin gewesen war, entstand eine blühende Landschaft, die die benachbarten Gebiete im Südosten des Reichs entwicklungsmäßig zu überflügeln begann. Wenn der Verfasser der Lebensbeschreibung des Salzburger Erzbischofs Konrad I. nach der Mitte des 12. Jahrhunderts den Reichtum einer Landschaft beschreiben möchte, so weiß er das nicht anders zu tun, als durch einen Vergleich mit Österreich (Austria), das ihm als das Maß der Dinge erscheint. Und für den bedeutendsten französischen Dichter des 12. Jahrhunderts Chrétien de Troyes reimt sich (altfranz.) riche (dt. ›reich‹) auf Osteriche. Als so kostbar scheint ihm eine Textilie, »dass selbst der Herzog von Österreich nie eine solche hätte sein eigen nennen können«. Die Grundlagen der dynamischen Entwicklung der Mark an der Donau dürften in das ausgehende 11. Jahrhundert zurückreichen. Sehr früh setzte tatsächlich im Machtbereich der Babenberger an der Donau ein Prozess der Landwerdung ein. Die kurz vor 1140 verfasste Vita des Passauer Reformbischofs Altmann zeugt bereits von einem ausgeprägten eigenständigen Bewusstsein der Markbevölkerung, von einer Identität, die nicht mehr die bayerische ist, sondern die des Ostlandes, für welches der Altmann-Biograph den provinzialrömischen Namen Noricum ripense (Ufernorikum) benutzt.

Recht spärlich sind die zeitgenössischen Quellen zum Babenberger Leopold III. (reg. 1095–1136). Selbst dessen eigener Sohn, der berühmte Geschichtsschreiber Bischof Otto von Freising, überlieferte der Nachwelt wenig über den markgräflichen Vater. Leben und Wirken des 1485 zur Ehre der Altäre erhobenen Babenbergers erscheint uns heute im Gewand einer über viele Jahrhunderte gewachsenen hagiographischen und landespatriotischen Traditionsbildung. Hinter den von Spätmittelalter und Barock geschaffenen wirkmächtigen Bildern lassen sich die Konturen der historischen Persönlichkeit des Markgrafen kaum noch ausmachen. Das erste, was von Leopold III. berichtet wird, ist der spektakuläre Frontwechsel am Fluss Regen in der Oberpfalz im September 1105 angesichts der unausweichlich scheinenden Schlacht zwischen Kaiser Heinrich IV. und seinem Sohn. Buchstäblich in letzter Minute soll der junge König Heinrich (V.) den Babenberger und dessen Schwager, den Böhmenherzog Bořivoj, zum Verlassen des kaiserlichen Lagers bewogen haben. Den Ausschlag für den Markgrafen gab – Otto von Freising scheut sich nicht, dies auszusprechen – die vom jungen Salier gegebene Zusage, Leopold werde die eben erst verwitwete Kaisertochter Agnes, bereits Mutter von elf Kindern, darunter des nachmaligen Stauferkönigs Konrad III., zur Frau erhalten. Mit dieser Ehe, die im folgenden Jahr 1106 geschlossen wurde und dem Babenberger Markgrafen höchstes Prestige verhieß, hat gewiss zu tun, dass Leopold alsbald eine repräsentative »Residenz« in seinem Herrschaftsgebiet einzurichten begann. Klosterneuburg wurde dafür ausersehen, und der dort noch heute archäologisch feststellbare imposante Pfalzbau stand den bedeutenden salischen Pfalzen wahrscheinlich kaum nach. Verbunden mit der Pfalz war ein vom Markgrafen gegründetes weltliches Kanonikerstift, das auch die Rolle Melks als markgräfliche Begräbnisstätte übernehmen sollte. Zum Jahr 1114 wird uns die feierliche Grundsteinlegung der Kirche in Klosterneuburg berichtet.

Leopold III., der seine Regierung noch mitten in den Kämpfen des Investiturstreites angetreten hatte, hielt es wohl von Beginn an eher mit den kirchlichen Reformkräften, und dies nicht zu seinem Nachteil. Kaiserliche Parteigänger wie die Vohburger verloren damals ihre ausgedehnten Besitzungen und ihre Ministerialen in der bayerischen Mark im Osten an die Babenberger. Den Forderungen der gregorianischen Partei zeigte sich Leopold prinzipiell geneigt, insoweit diese mit seinen eigenen machtpolitischen und personellen Vorstellungen zusammengingen. An einer effizienten und dauerhaften kirchlichen Organisation in der Mark scheint ihm gelegen gewesen zu sein. Dennoch ist in Sachen Eigenkirchenrecht erst 1135 eine Einigung zwischen dem Passauer Diözesanbischof und Markgraf Leopold auf Grundlage der neuen kirchenrechtlichen Normen zustande gekommen. Und auch bei Leopolds wichtigster geistlicher Gründung Klosterneuburg hatten die Anfänge wenig vom Reformgeist an sich, der dort erst 1133 mit der Umwandlung des weltlichen Kanonikerstiftes in ein Chorherrenstift zum Durchbruch gelangte. Einige Jahre vorher hatte Leopold noch seinen jungen Sohn Otto ohne Mitwirkung des Bischofs zum Propst von Klosterneuburg eingesetzt.

Als Klosterstifter ist der heilige Markgraf in die österreichische Geschichte eingegangen. Gerade die Klostergründungen zeigen aber auch die elementare Ausrichtung der Politik des Markgrafen. Es ging nicht zuletzt um die Ausweitung der eigenen Machtstellung. Die Klöster sollten Helfer des Markgrafen bei der siedlungsmäßigen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung und Entfaltung der Mark sein. Den ersten Platz unter Leopolds Gründungen nahm ohne Zweifel Klosterneuburg ein, jener Ort, an dem die Erinnerung an den Markgrafen nachfolgend am intensivsten gepflegt wurde und von wo alle Bemühungen um eine Kanonisation des pius marchio im Spätmittelalter ihren Ausgang nahmen. Im Falle des Benediktinerklosters (Klein-)Mariazell im Wienerwald scheint Leopold III. sich vor die eigentlichen adeligen Gründer geschoben und deren Stiftung an sich gezogen zu haben. In seinen letzten Lebensjahren bot der Markgraf dann dem modernsten Orden der Zeit, den Zisterziensern, die Möglichkeit zur Niederlassung in der Mark. Die Anregung dazu empfing er mit Sicherheit von seinem Sohn Otto, der während der Studien in Frankreich den grauen Orden kennengelernt und sich diesem angeschlossen hatte. Von Morimond, wo der Markgrafensohn 1132 mit etlichen Gefährten eingetreten war, erfolgte 1133/35 die Besiedelung des Zisterzienserklosters Heiligenkreuz im Wienerwald. Die neue geistliche Gemeinschaft in der Waldeinsamkeit südwestlich von Wien entwickelte sich so günstig, dass schon nach wenigen Jahren von dort ein Gründungskonvent in den Norden der Mark nach Zwettl (1138) entsandt werden konnte.

In Angelegenheiten der Reichspolitik hielt sich Markgraf Leopold III., ungeachtet seiner Verschwägerung mit dem Kaiser, eher abseits. Die Einsicht in die Begrenztheit der eigenen Machtmittel mag den Babenberger darin bestärkt haben. So wies Leopold auch die ihm vorgeschlagene Kandidatur für die römisch-deutsche Krone nach dem Tod Kaiser Heinrichs V. im Jahre 1125 zurück, angeblich mit Hinweis auf sein vorgerücktes Alter und die große Zahl seiner Söhne, die untereinander in Konflikte geraten könnten.

Am 15. November 1136 starb der Markgraf, etwa sechzigjährig – Spekulationen über einen gewaltsamen Tod entbehren wohl jeder Grundlage. Die Nachfolge Leopolds III. schien zunächst problembehaftet und zwischen zwei Söhnen des Verstorbenen umstritten, dem erstgeborenen Adalbert, der aus einer früheren Ehe des Markgrafen stammte, und dem dritten Sohn Leopold (IV.) aus der Ehe mit der Kaisertochter Agnes. Letzterer konnte sich indes rasch als Markgraf durchsetzen, und schon im Jahr darauf (1139) stieg Leopold IV. dank der Gunst seines eben zum römisch-deutschen König gewählten Halbbruders Konrad III. zum Herzog von Bayern auf. Welche Rolle dabei der gemeinsamen Mutter des Babenbergers und des Staufers Markgräfin Agnes (gest. 1143) zukam, bleibt ungewiss. Wie auch immer, Leopold konnte in Bayern, so meint die Kaiserchronik, keine »Ehre« gewinnen. Der Babenberger starb unerwartet schon 1141, ohne den Widerstand des früheren bayerischen Herzogshauses der Welfen gegen seine Herzogswürde gebrochen zu haben. Als »österreichischer« Markgraf beerbte ihn sein älterer Bruder und damals Pfalzgraf bei Rhein Heinrich (»Jasomirgott«), der den Saliernamen tragende erste Sohn aus der Ehe Leopolds III. mit Agnes. Die Nachfolge Heinrichs im Herzogtum Bayern suchte König Konrad durch eine Eheverbindung zwischen seinem Halbbruder und Gertrud, der Witwe des letzten Welfenherzogs von Bayern, abzustützen. Der frühe Tod Gertruds (1143) machte diese Ausgleichsbemühungen freilich wieder zunichte, und der Babenberger Herzog-Markgraf musste in der Folge in Bayern empfindliche Rückschläge hinnehmen. Von dem gemeinsam mit dem königlichen Halbbruder Konrad unternommenen Kreuzzug führte Heinrich Jasomirgott die Byzantinerin Theodora, Nichte des Kaisers Manuel I., als Frau heim – unzweifelhaft eine markante Rangerhöhung für den Babenberger. Als dann Konrad III. im Jahre 1152 sein Neffe Friedrich (Barbarossa) auf dem Königsthron nachfolgte, musste Heinrich Jasomirgott erstmals um die königliche Unterstützung bei der Behauptung des bayerischen Herzogtums bangen. Möglich, dass der neue König seinem welfischen Vetter Heinrich dem Löwen schon gelegentlich der Wahl die Übertragung Bayerns in Aussicht gestellt hatte. Die Verwirklichung der Zusage sollte jedenfalls noch vier Jahre in Anspruch nehmen, so lange stemmte sich der Babenberger gegen den Verlust der bayerischen Herzogswürde. Nachdem ihm 1154 in Goslar Bayern aberkannt und im Jahr darauf Heinrich der Löwe formell in das bayerische Herzogtum eingewiesen worden war, konnte sich aber wohl auch Heinrich Jasomirgott den Realitäten nicht länger verschließen. Die mit dem Verlust der bayerischen Herzogswürde verbundene Rangminderung zu verhindern, dürfte das zentrale Anliegen des Babenbergers in den Verhandlungen des Jahres 1156 gewesen sein. Die Lösung der bayerischen Frage durch eine Umwandlung der Babenberger Mark in ein Herzogtum war denn auch vom Grundsatz getragen, Heinrich Jasomirgott jeden Gesichtsverlust zu ersparen. Ganz in diesem Sinne geschah knapp östlich von Regensburg in Anwesenheit zahlreicher Fürsten am 8. September 1156 der förmliche Verzicht des Babenbergers auf Bayern, worauf der Kaiser diesen mit der zum Herzogtum erhöhten Mark (marchia orientalis) belehnte. Unter dem Datum 17. September 1156 gab Kaiser Friedrich I. über diese Vorgänge eine Urkunde, das zum Unterschied von der zwei Jahrhunderte später entstandenen Fälschung des Habsburgers Rudolf IV. so benannte Privilegium minus. Noch einmal wird dort der Leitgedanke des Ausgleichs hervorgehoben. Honor et gloria (Ehre und Ruhm) des Babenbergers sollten gewahrt bleiben. Eine Reihe von Vorrechten, die jedes für sich genommen nicht ungewöhnlich, in der Häufung aber einzigartig waren, begleitete die Umwandlung der Mark in ein Herzogtum. Der Kaiser, der Heinrich Jasomirgott und dessen byzantinische Gemahlin Theodora gemeinsam belehnte, gewährte nicht nur das Recht auf weibliche Erbfolge, sondern auch eine Art Designationsrecht des Herzogspaares bei Kinderlosigkeit. Hof- und Heerfahrtspflicht des neuen österreichischen Herzogs erfuhren eine erhebliche Einschränkung, erstere auf königliche Hoftage in Bayern, zweitere auf Heeresfolge gegen die Österreich benachbarten Königreiche und Länder. Am meisten hat die Forschung der sogenannte »Gerichtsparagraph« des Privilegium minus beschäftigt, geht es hier doch um eine erste Umschreibung landesfürstlicher Rechte und Gewalt durch den Kaiser. Der Passus besagt, dass niemand im Herzogtum Österreich ohne Zustimmung oder Erlaubnis des Herzogs Gerichtsbarkeit ausüben dürfe. An den bestehenden Gerichtsrechten des Adels rührte dies zunächst nicht, der Gerichtsparagraph stellte aber eine hierarchische Ordnung her. Dem Anspruch des österreichischen Herzogs auf Landeshoheit musste dies zugutekommen. Die Formulierungen des Gerichtspassus waren jedenfalls so offen gehalten, dass die zur Landesherrschaft drängende Entwicklung ungehindert ihren Lauf nehmen konnte.

Eine unmittelbare Folge der Beschränkung der Babenberger auf Österreich war der Ausbau von Wien als Residenz durch Herzog Heinrich. Eben zu dem Zeitpunkt, da durch den drohenden Verlust Bayerns Regensburg seinem Einfluss entzogen wurde, setzte Heinrich Jasomirgott erste deutliche Zeichen der Förderung des ganz im Osten seines Herzogtums gelegenen Wien. Die 1137 erstmals civitas genannte, innerhalb der Mauern des antiken Legionslagers Vindobona aus bescheidenen Anfängen des 10./11. Jahrhunderts erwachsene Siedlung erlebte einen rasanten Aufschwung, seit die Babenberger Herzöge hier in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts ihren Sitz wählten. Heinrich Jasomirgott berief vermutlich 1155 iroschottische Benediktiner aus Regensburg nach Wien. Deren vor den Mauern errichtetes Kloster wurde zur herzoglichen Grablege bestimmt. Räumlich nicht weitab, aber noch innerhalb der römischen Lagermauern, ließ Herzog Heinrich seine Pfalz erbauen.

Die Jahre 1158, 1160 und 1162 sehen Herzog Heinrich Jasomirgott ungeachtet der verminderten Heerfahrtspflicht im Gefolge des Kaisers in Italien. Das Verhältnis zwischen Friedrich Barbarossa und seinem babenbergischen Onkel scheint eher distanziert gewesen zu sein. Im Schisma vermochte der Kaiser Herzog Heinrich durch einen persönlichen Besuch in Wien 1165 zwar zur Stellungnahme gegen Papst Alexander III. zu bewegen, indes unternahm der Babenberger nichts gegen die offen alexandrinisch eingestellten österreichischen Klöster. Heinrich Jasomirgott starb im Jänner 1177 mitten in Grenzauseinandersetzungen mit dem nördlichen böhmischen Nachbarn, die erst der Kaiser durch Fürstenspruch am Hoftag zu Eger 1179 beilegen konnte, indem er eine exakte Grenzlinie zwischen dem nördlichen Waldviertel und Südböhmen feststellen ließ.

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