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Die Karolingerzeit

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768–814

Karl der Große König der Franken

785–821

Arn Bischof, seit 798 Erzbischof von Salzburg

788

Absetzung Tassilos III., direkte fränkische Herrschaft in Bayern

788–799

Gerold I. Präfekt in Bayern und im Ostland

791–796

Zerstörung des Awarenreiches

817/840–876

Ludwig »der Deutsche« König im Ostfränkischen Reich

828

Ablösung der Karantanenfürsten durch Grafen

833–854

Graf Ratpot Präfekt im Ostland

863–885

Method als Kirchenlehrer in Mähren; 870 verurteilt auf einer Synode in Regensburg

873–907

Erzbischof Theotmar von Salzburg

881

Erste Kämpfe gegen die Ungarn bei Wien

887–899

König Arnulf

907

Ungarnschlacht bei Pressburg, Niederlage der Bayern

Der rasche Aufstieg der Karolinger, die sich seit 751 Könige der Franken nennen durften, setzte bald auch das bayerische Herzogtum unter Druck. 774 eroberte Karl der Große (768–814) das Langobardenreich. 787/788 wandte er sich schließlich gegen seinen Vetter Tassilo, wobei er bereits auf einige Unterstützung in Bayern zählen konnte. Unter dem Vorwand einer 25 Jahre zurückliegenden Verletzung der Heerfolgepflicht wurde der Bayernherzog auf einer Reichsversammlung in Ingelheim verurteilt und abgesetzt. Auch ein Pakt mit den Awaren wurde Tassilo vorgeworfen, und tatsächlich marschierten die Awaren drohend an der Grenze auf. Karl setzte über Bayern keinen Herzog mehr ein, sondern seinen agilolfingischen Schwager Gerold I. (gest. 799) als Grafen und »Präfekten«. Die karolingische Offensive endete nicht an der Enns, der »sicheren Grenze« gegen die Awaren. 791 begann Karl den Awarenkrieg; ein Brief an seine Frau Fastrada aus dem Lager an der Enns beleuchtet die liturgische Vorbereitung des Heidenkrieges mit dreitägigem Fasten, Messfeiern und Psalmengesängen. Die Franken stießen mit zwei Heeren entlang der Donau tief ins Awarenland bis an die Raab vor, ohne auf nennenswerten Widerstand zu stoßen, mussten sich allerdings ohne entscheidenden Erfolg wieder zurückziehen. Doch löste die fränkische Offensive schwere Konflikte unter den höchsten awarischen Würdenträgern aus, die in Zentralasien übliche Titel wie Khagan, Iugurrus und Tudun trugen. Daraufhin erreichten fränkische Truppen 795/796 in zwei raschen Vorstößen von Italien aus den »Ring« zwischen Donau und Theiß, die Residenz der Khagane, und erbeuteten riesige Schätze. Karls Erfolg im Heidenkrieg und die reichen Gaben an kirchliche Institutionen aus der Beute waren ein wichtiger Schritt auf seinem Weg zur Kaiserkrönung im Jahr 800. Das Awarenreich hingegen zerfiel.

Die Franken mussten nun, ähnlich wie die Römer 800 Jahre zuvor, einen ausgedehnten und dünnbesiedelten Raum organisieren. Eine direkte Besiedlung und herrschaftliche Erfassung war zunächst nur an der Donau zwischen Enns und Wienerwald möglich, wo unter anderem St. Pölten, Traismauer und Tulln ausgebaut wurden. Zum Unterschied vom etwa zur selben Zeit eroberten Sachsen wurden im neugewonnenen Gebiet keine Bistümer gegründet, sondern der Raum wurde zwischen Salzburg, Passau und Freising geteilt, was fast das ganze Mittelalter hindurch die kirchenpolitische Struktur Österreichs bestimmte. 798 wurde Bischof Arn von Salzburg zum Erzbischof erhoben, zuständig für die gesamte bayerische Kirchenprovinz sowie die neueroberten Ostgebiete. Die alten Ansprüche Aquileias wurden 811 mit den neuen Salzburgs durch Festlegung der Bistumsgrenze an der Drau verglichen. Die Fortschritte der Mission in den neuen Herrschaftsgebieten blieben aber relativ bescheiden. Auch die politische Konsolidierung im ehemaligen Pannonien gelang nur teilweise. Einige Zeit lang versuchten die Karolinger, einzelne Awarengruppen in abhängigen christlichen Fürstentümern zu organisieren, von denen eines 805 »zwischen Carnuntum und Savaria (Szombathely/Steinamanger)« errichtet werden sollte. Doch die Awaren, deren politische Identität stark an die Führung eines Reiches gebunden war, konnten sich nicht halten; 822 kam eine letzte Gesandtschaft zu Kaiser Ludwig dem Frommen, dann verschwinden die Awaren nach über 250 Jahren aus den Quellen.

Die Initiative im Raum östlich des Wienerwaldes und südöstlich von Karantanien ging an slawische Fürsten über. Sie standen mehr oder weniger unter der Kontrolle der regionalen Beauftragten der Reichsregierung – Herzöge (in Friaul), Grafen oder Präfekten in Bayern und im neuerworbenen bayerischen Ostland. Sprachgebrauch wie administrative Abgrenzung waren noch im Fluss. Marchio war zunächst die Bezeichnung für den Grenzer in einer »Mark«, einem noch unspezifisch verstandenen Grenzgebiet; erst im späten 9. Jahrhundert bezeichnete der Begriff den »Markgrafen« im engeren Sinn, der in einem zumindest ungefähr angegebenen Gebiet über andere Grafen gebot. Damit ersetzte dieser Titel den eher antik-literarisch geprägten des »Präfekten«. Auch die Bezeichnungen des Raumes östlich der Enns schwankten im 9. Jahrhundert noch stark. Oft wird er zunächst nach den früheren Herren oder einheimischen Bewohnern Avaria oder terra Sclavorum, Slawenland, genannt. Die verbreitete ländliche slawische Besiedlung zeichnet sich beiderseits der Donau unterhalb der Ennsmündung sowie entlang des Alpenostrandes bis in die Bucklige Welt nun im archäologischen Befund deutlich ab. Auch der alte Provinzname Pannonia wird für das Ostland häufig verwendet, während das bayerische Altsiedelland nun mit Noricum und der alemannische Bereich mit Raetien identifiziert werden. Erst im Lauf der zweiten Jahrhunderthälfte wird die unspezifische Bezeichnung plaga orientalis, Ostland, üblich, aus dem schließlich das 996 erstmals bezeugte Ostarrîchi werden konnte. Auch die Organisation auf niedrigeren Ebenen machte Fortschritte. In Bayern war das Land in pagi, Gaue, sowie in Grafschaften gegliedert. Im Jahr 828 wurden auch östlich davon regional Grafen eingesetzt, ohne dass sich diese Grafschaften zunächst territorial genau abgrenzen lassen (die älteste Grafschaftsgrenze ist 844 bezeugt). Die abhängigen karantanischen Fürsten verloren ihre Stellung und wurden durch Grafen ersetzt.

Seit 817 war Ludwig »der Deutsche«, Sohn Kaiser Ludwigs des Frommen (reg. 814–840), Unterkönig zunächst in Bayern und später König im ostfränkischen Bereich in der antiken »Germania« – zeitgenössische Gelehrte nannten ihn deshalb »Germanicus«, was spätere Historiker irreführend mit ›der Deutsche‹ übersetzten. »Deutsche« im späteren Sinn gab es zu dieser Zeit noch nicht. Mit dem von der »Volkssprache« abgeleiteten Begriff theodisci bezeichnete man im 9. Jahrhundert in Norditalien diejenigen, die von nördlich der Alpen kamen, vor allem die Bayern; erst viel später wurde dieser Name zur Selbstbezeichnung der Deutschen. Zunehmend belegen nun erhaltene Königs- und Privaturkunden die Untergliederung in Grafschaften, die Kolonisation und die wachsenden Besitzungen bayerischer Kirchen und Klöster entlang der niederösterreichischen Donau und an der Leitha sowie in Karantanien. Für das Ostland war 833 bis 854 Graf Ratpot als Präfekt zuständig; 856 übernahm Karlmann, Sohn Ludwigs des Deutschen, diese Funktion. Inzwischen war in diesem Pionierland, wo Abenteurer sich eine recht unabhängige Existenz aufbauen konnten, einiges militärische Potential verfügbar. Auch Karlmann nützte diese Möglichkeiten sehr bald, und zwar vor allem gegen seinen Vater. In diese wechselvollen Auseinandersetzungen wurden selbst die Bulgaren hineingezogen – 863 kam der Bulgarenkhan Boris sogar nach Tulln, um mit Ludwig Frieden und Freundschaft zu schließen.

Die Konsolidierung der fränkisch-bayerischen Herrschaft an der Donau unterhalb der Enns konkurrierte zunehmend mit den Expansionsbestrebungen des mährischen Fürstentums (in der Literatur oft missverständlich »Großmähren« genannt), dessen Zentren in Mikulčice und Staré Město in Südmähren (wo es jeweils eindrucksvolle Grabungsbefunde eines hochrangigen Herrschaftszentrums gibt) und im slowakischen Nitra lagen. Die politischen Beziehungen zum fränkischen Herrschaftsraum fluktuierten seit den 830er Jahren zwischen Unterwerfung, politischer Partnerschaft und Krieg. Die Mährer hatten den Slawenfürsten Priwina aus Nitra vertrieben, der in fränkische Dienste trat und für den ca. 840 ein Fürstentum mit dem Zentrum in Mosapurc am Südwestufer des Plattensees eingerichtet wurde; später ging es auf Priwinas Sohn Chozil über. Bedeutsam wurde eine Episode in der Auseinandersetzung zwischen Franken und Mährern, als der Mährerfürst Rastislav und sein späterer Nachfolger Zwentibald/Svatopluk in Byzanz um Lehrer und einen Bischof baten, um nicht, mit allen politischen Implikationen, der fränkischen Kirche unterstellt zu bleiben. 863 kamen daraufhin die Brüder Konstantin-Kyrill und Method nach Mähren und brachten eine von ihnen entwickelte slawische Schrift, die Glagolica, mit. Es kam zu einer längeren Auseinandersetzung mit der fränkisch-bayerischen Kirche. In diesem Streit erhielt Method auch Unterstützung aus Rom (wo Konstantin starb) und von Fürst Chozil am Plattensee. Im Zuge kriegerischer Auseinandersetzungen wurde Method 870 gefangen genommen und auf einer Regensburger Synode wegen Eindringens in eine fremde Diözese verurteilt; erst nach scharfer päpstlicher Intervention kam er 873 frei und verbrachte später noch einige Jahre bis zu seinem Tod 885 bei den Mährern. Das Werk der »Slawenapostel« wirkte durch slawische Schrift und Liturgie traditionsbildend, hat sich in ihrem mitteleuropäischen Wirkungsgebiet aber nicht durchgesetzt. Das Verhältnis der Bayern zu den Mährern blieb konfliktreich; doch gab es daneben auch friedliche Handelsverbindungen, wie es die in den ersten Jahren des 10. Jahrhunderts entstandene »Zollordnung von Raffelstetten« (bei St. Florian, Oberösterreich) bezeugt, die den Donauhandel regulierte.

Die Konflikte Ludwigs mit Karlmann und beider mit den Mährern rissen bis zu Ludwigs Tod 876 nicht ab; bald darauf starb auch Karlmann. Die Kontrolle über das Ostland an der Donau bis zur Raab lag seit 871 beim Traungauer Grafen Ar(i)bo, der sie trotz der zunehmend schwierigen politischen Lage bis nach 907 behielt; er wird in den Quellen bereits »Grenzgraf« oder Markgraf genannt. Karlmanns Sohn Arnulf »von Kärnten« kommandierte in Karantanien (damals das heutige Kärnten und die Steiermark mit einigen Randgebieten); dort hatte die zweite Hälfte des 9. Jahrhunderts einen beachtlichen Ausbau der Infrastruktur gebracht, das Land war auch weniger durch Kriegsereignisse beeinträchtigt als das Gebiet an der Donau. Immerhin reichten die Ressourcen des Ostens aus, dass Arnulf 887 »mit einer starken Schar von Bayern und Slawen« ostfränkischer König werden konnte. In Karantanien folgte ihm mittelbar (Mark-)Graf Luitpold, der von dieser Basis aus nach Bayern ausgriff und Ahnherr der Bayernherzöge des 10. Jahrhunderts wurde.

Innere Konflikte, Kämpfe gegen die Mährer, Abzug von Ressourcen für ehrgeizigere politische Ziele: Das im Aufbau befindliche Gebiet in den Ostalpen und an der Donau blieb verwundbar. Das sollte sich zeigen, als sich Ende des 9. Jahrhunderts die Ungarn (oder Magyaren) ausbreiteten. Sie waren ein gemischter Verband von Reiterkriegern aus den südrussischen Steppen, die dort im 9. Jahrhundert unter chasarischer Oberherrschaft lebten. Vor den Vorstößen der Petschenegen, aber auch mit Billigung aus Byzanz verlagerten sie ihren Schwerpunkt langsam nach Westen. Schon im letzten Drittel des 9. Jahrhunderts scheinen die Mährer ungarische Hilfstruppen eingesetzt zu haben, worüber sich der Salzburger Erzbischof Theotmar (reg. 873–907) beim Papst brieflich beschwerte, als ihm vorgeworfen wurde, er habe selber mit den Ungarn paktiert. 881 berichten Salzburger Annalen von einem Kampf mit den Ungarn bei Wien. 892 setzte König Arnulf seinerseits ungarische Hilfstruppen gegen die Mährer ein. 894 plünderten Ungarn »ganz Pannonien«, bald griffen sie die Mährer an, deren Reich sie schließlich vernichteten. 899 brachen sie zu einem ersten Plünderungszug nach Oberitalien auf. 902 luden die Bayern den obersten Herrscher der Ungarn, Cussal/Kurszán, an der Fischa zu einem Gastmahl ein, wo sie ihn verräterisch umbrachten. Das nützte seinem Rivalen Árpád, der nun die Herrschaft ergriff, die noch lange bei der Árpádendynastie blieb. Gegen die zunehmenden ungarischen Plünderungszüge gingen die Bayern 907 in die Offensive. Doch ihr Heer wurde vermutlich bei Pressburg/Bratislava vernichtet, Markgraf Luitpold, Erzbischof Theotmar und viele andere Bischöfe und Adelige fielen. Die Verdichtung der bayerischen Herrschaft an der niederösterreichischen Donau und in Karantanien wurde unterbrochen, das Gebiet war zur Grenzzone und zum Durchzugsgebiet für ungarische Heere geworden. Doch wurde, anders als 300 Jahre zuvor, nicht die gesamte Infrastruktur zerstört. Die bayerische Kolonisation der Slawengebiete Ostösterreichs und der teils romanischen Alpengebiete des Westens wurde nach einigen schwierigen Jahrzehnten im 10. Jahrhundert fortgesetzt.

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