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Der Zerfall der römischen Ordnung

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453

Tod des Hunnenkönigs Attila

482

Tod des heiligen Severin

487/488

König Odoaker vernichtet das Rugierreich und siedelt die Provinzialen aus Ufernoricum ab; Ansiedlung der Langobarden im Rugiland

471–526

Theoderich König der Ostgoten (ab 493 in Italien)

510–540

Wacho König der Langobarden

Mitte 6. Jh.

Bayerischer Dux Garibald von den Franken eingesetzt

568

Abzug der Langobarden aus Pannonien nach Italien

Das bei weitem detailreichste Bild vom Leben in Noricum ist nicht aus der Blütezeit des Imperiums erhalten, sondern aus der Endphase der römischen Herrschaft an der norischen Donau in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts, nämlich in der bald nach 500 im Exil bei Neapel von Eugippius verfassten Vita Severini, die bei aller hagiographischen Stilisierung des heiligen Severin sehr lebendige Schilderungen enthält. In den anderen schriftlichen Quellen finden sich nur knappe Informationen. Für die Besiedlungsgeschichte des 5. und 6. Jahrhunderts bietet die Archäologie gute Befunde. Wie in anderen Abschnitten des Limes lassen sich Aufgabe oder zuweilen eingeschränkte Weiterbenützung vieler Kastelle an der Donau vielerorts archäologisch erschließen. In Kärnten und im raetischen Alpenraum belegen Grabungsergebnisse den Weiterbestand christlicher Gemeinschaften im 6. Jahrhundert. Insgesamt dauerte die Ablösung der spätrömischen Ordnung in Noricum und seinen Nachbargebieten einige Jahrhunderte lang, über das Ende des weströmischen Kaisertums 476 hinaus. Letztlich sind aber im Großteil des heutigen Österreich die spätantike Infrastruktur und Lebensweise fast völlig verschwunden, der Bruch war tiefgreifender als in vielen Gebieten weiter westlich oder südlich.

Über den Zerfall des Imperiums, die Gründe dafür und seine Dynamik wird in der Forschung weiterhin debattiert – ist Rom gefallen, oder handelte es sich eher um eine »Transformation« der römischen Welt? Und welche Rolle spielten die »Barbaren« dabei? (Der eigentlich abwertende Begriff »Barbaren« wird in Ermangelung einer besseren Bezeichnung von der Forschung für Menschen ursprünglich außerrömischer Herkunft gebraucht, ohne ein Werturteil zu intendieren.) Dort, wo wie in Italien, Gallien oder Spanien auf dem Gebiet des Imperiums einigermaßen stabile »barbarische« Königreiche die römische Herrschaft ablösten, hat sich viel von der römisch-christlichen Ordnung erhalten, von der Sprache bis zur Organisation der Landwirtschaft, ein gewisses städtisches und kirchliches Leben und Grundzüge der Verwaltung und Kultur. Das gelang im Ostalpenraum nur im bayerischen Dukat, der auch Teile Oberösterreichs, Salzburgs sowie Tirol umfasste, in sehr eingeschränktem Maß. Östlich davon scheiterten letztlich die Versuche, an die römische Ordnung anzuschließen. Das lag nicht nur an den Angriffen der Barbaren, obwohl sie besonders im Durchgangsraum an der Donau viel Schaden angerichtet haben. Die Reichsregierung setzte immer wieder Truppen, die in Noricum und Pannonien stationiert waren oder hier rekrutiert wurden, anderswo ein, nicht zuletzt in den zahlreichen Thronkämpfen des späten 4. und des 5. Jahrhunderts. Im 5. Jahrhundert bestand die römische Armee bereits überwiegend aus Soldaten barbarischer Herkunft. Aber nicht alle waren in der zivilen Bevölkerung so verhasst wie die Garnison von Asturis in der Vita Severini, wo es als Wunder begrüßt wurde, dass sie sich in ihrer Verwirrung nach einem Erdbeben gegenseitig umbrachten. Bemerkenswert ist auch, wie wenig man am Ende der Antike vom norischen Bergbau hört. Das norische Eisen, das die Prosperität des regnum Noricum begründet hatte, wird nicht mehr genannt, auch archäologisch gibt es kaum Hinweise auf Bergbau seit dem 5. Jahrhundert. Insgesamt scheint es, dass Wirtschaftskraft und politisches Gewicht des Raumes nicht ausreichten, um eine dauerhafte selbständige und großräumige Herrschaft zu begründen. Jahrhundertelang hatte der römische Staat direkt und indirekt in die Limesgebiete investiert und damit sichtbare Prosperität geschaffen. Seit dem späten 4. Jahrhundert nahmen die Zuflüsse in die Grenzregionen deutlich ab, der importierte Wohlstand verfiel.

Das Vordringen der Hunnen in die Steppen nördlich des Schwarzen Meeres um 375 betraf Noricum und seine Nachbargebiete noch nicht direkt; die Masse der fliehenden Goten ging über die untere Donau in die Balkanprovinzen, viele blieben unter hunnischer Herrschaft nördlich des Stromes, nur eine dissidente gotisch-hunnische Gruppe wurde von der Reichsregierung in Pannonien angesiedelt. Prekärer wurden die Umstände um 400. Vieles spricht dafür, dass damals das Zentrum der hunnischen Macht ins Karpatenbecken verlagert wurde. Für die nächsten anderthalb Jahrhunderte blieb Pannonien ein Ballungsraum für barbarische Gruppen, die von dort schließlich nach Süden in die Balkanprovinzen, nach Südwesten Richtung Italien oder donauaufwärts nach Westen weiterzogen. Der norische Raum war Anfang des 5. Jahrhunderts wohl betroffen vom Durchmarsch der Goten des Radagaisus nach Italien, der Vandalen, Alanen und Sueben nach Gallien sowie von den Zügen der Westgoten Alarichs, die in Italien Fuß zu fassen suchten. Über die unmittelbaren Folgen wissen wir wenig. In den 440er Jahren erreichte das Hunnenreich unter Attila den Höhepunkt seiner Macht. Das muss für Pannonien und Noricum nicht tragisch gewesen sein, da Attila in seinem unmittelbaren Einflussbereich wohl für Stabilität sorgte. Immerhin marschierte das riesige Heer aus Hunnen, Goten und anderen unterworfenen Völkern 451 die Donau entlang nach Gallien und kehrte nach der wenig erfolgreichen Schlacht auf den Katalaunischen Feldern auf demselben Weg zurück. Wir wissen aus der Vita Severini, dass das römische Leben an der Donau westlich des Wienerwaldes nach all diesen Ereignissen weiterging, wenn auch unter schwierigen Bedingungen.

Nach Attilas Tod im Jahr 453 zerfiel sein Reich rasch, und die Hunnen zogen nach Osten ab. Die Provinz Pannonien beherrschten nun ostgotische Könige. Östlich davon, an der Theiß, bildete sich ein Königreich der Gepiden. Nördlich der Donau etablierten sich kleinere und größtenteils kurzlebige Reiche der Skiren, Sueben, Eruler und Rugier. Es waren letztere, mit denen die römische Bevölkerung an der norischen Donau vor allem zu tun hatte. Ihr Zentrum lag nicht weit von Favianis/Mautern, wo der heilige Severin, ein vornehmer und politisch erfahrener Römer, sein Kloster gründete. Er tat (zumindest nach der sicherlich verklärenden Darstellung seines Biographen Eugippius ) alles, um in unruhigen Zeiten die Bewohner der Donaukastelle zwischen Passau und dem Wienerwald so gut wie möglich gegen barbarische Repressalien, Räuberbanden und Hungersnöte zu schützen. Anfang der 470er Jahre zogen die Goten unter Führung ihres Königs Theoderich aus dem benachbarten Pannonien ab, was die Lage etwas entspannte. Als der Sold für die römischen Truppen ausblieb und einige Kastelle aufgegeben werden mussten, versuchte Severin die Bevölkerung östlich von Lauriacum/Lorch dem Schutz der Rugierkönige zu unterstellen. Dieses Arrangement hielt auch über Severins Tod hinaus, bis Armeen des Königs Odoaker aus Italien in zwei Feldzügen 487/488 das Rugierreich zerschlugen. Danach wurde die römische Bevölkerung von der norischen Donau nach Italien umgesiedelt. Das diente wohl nicht zuletzt dazu, in diesem Raum die Basis für neue barbarische Reichsbildungen zu zerstören, die Italien hätten gefährlich werde können. Auch die Reliquien des heiligen Severin wurden nach Neapel transferiert, wo sein Schüler Eugippius um 511 die Lebensbeschreibung des Heiligen verfasste.

Die Reste der Rugier schlossen sich Theoderichs Ostgoten an und zogen mit ihnen 488/489 nach Italien. In dreijährigen Kämpfen und mit Unterstützung Ostroms gelang es den Heeren Theoderichs, Ravenna zu erobern und Odoaker zu stürzen. Von 493 bis zu seinem Tod 526 regierte Theoderich als König über Italien und einige Nachbargebiete, darunter auch über das alpine Raetien, Binnennoricum und das südliche Pannonien. Seine recht erfolgreiche Herrschaft beruhte auf einer engen Zusammenarbeit mit der Senatsaristokratie, die in traditionell römischen Bahnen die zivile Verwaltung organisierte. Die Goten profitierten als privilegierte Kriegerkaste von diesem System. Für einige Jahrzehnte sah es im früheren 6. Jahrhundert so aus, als könnte ein relativ stabiles System barbarischer Königreiche in den ehemaligen Kernländern des westlichen Imperiums an die römische Ordnung anschließen. Das war auch die Politik Theoderichs, der mit einer Reihe von Ehebündnissen und diplomatischen Initiativen die Konflikte unter den neuen Mächten zu dämpfen versuchte. Freilich war das nicht leicht, vor allem die Expansion der Franken unter Chlodwig (reg. 481/482–511) und seinen Söhnen führte immer wieder zu Kriegen. Chlodwig vereinte gewaltsam das Frankenreich, beseitigte regionale Reste römischer Herrschaft in Gallien, überwand die Alemannen und verdrängte schließlich die bis dahin in Toulouse residierenden Westgotenkönige fast gänzlich aus Gallien nach Hispanien (508).

Der österreichische Raum wurde von der Neuordnung der ehemals weströmischen Gebiete nur am Rande betroffen. In das weitgehend verlassene Gebiet an der Donau (das »Rugiland«, wie es die langobardische Geschichtsschreibung nannte) zogen nun Langobarden ein. Dort gerieten sie bald in Konflikt mit den weiter östlich siedelnden Erulern und schlugen sie 508, so dass diese auf Reichsboden übertraten und im Raum von Singidunum/Belgrad angesiedelt wurden. Die Langobardenkönige, vor allem Wacho (reg. ca. 510–540), expandierten nun schrittweise nach Pannonien, wo seit dem Abzug der Ostgoten keine starke Macht mehr bestand. Sie wurden dadurch Nachbarn der Gepiden, die weiterhin an der Theiß siedelten, und der Ostgoten, die von Italien bis nach Sirmium ausgegriffen hatten. Unter ostgotischer Herrschaft stand auch Binnennoricum, wo sich vor allem im heutigen Kärnten eine lebendige spätrömisch-christliche Kultur erhielt. Die Bischöfe von Virunum (auf dem Zollfeld), Teurnia (beim heutigen Spittal an der Drau) und Aguntum (bei Lienz) sind bis gegen Ende des 6. Jahrhunderts auf Synoden des Patriarchats Aquileia bezeugt, dem dieser Raum kirchlich unterstand. Ausgrabungen in Kärnten ebenso wie im benachbarten Slowenien belegen ein dichtes Netz von befestigten Höhensiedlungen und Kirchen. Bedeutende sakrale Komplexe des 5./6. Jahrhunderts gab es etwa in Teurnia (mit der Inschrift eines ostgotischen Amtsträgers Ursus), in Aguntum oder auf dem Hemmaberg (wo insgesamt fünf Kirchen ergraben wurden).

Im westlichen Noricum und im östlichen Raetien konnte im 5. Jahrhundert keine Gruppe ihre Macht konsolidieren. Im Alpengebiet behauptete sich vielerorts die einheimische Bevölkerung unter oft nur schwacher Kontrolle durch eine der benachbarten Mächte. Sie war es, die viele der alten Wege über die Alpen benützbar hielt. Über die Verhältnisse im Alpenvorland haben wir kaum Nachrichten. Aus der Vita Severini wissen wir, dass alemannische Gruppen zeitweise weit östlich operierten, etwa im Raum von Passau. Doch die Alemannensiege Chlodwigs um 500 verhinderten eine eigenständige Expansion. Theoderich versuchte, zumindest die Alemannen im Alpenvorland vor den Franken zu schützen, unterstützte aber auch die Umsiedlung alemannischer Gruppen an die Save (ein Brief seines Administrators Cassiodor wirft ein Schlaglicht auf diese Migration, weil die norische Bevölkerung aufgefordert wird, das durch lange Wanderung ermüdete Vieh der Alemannen gegen frische Tiere zu tauschen). Doch die meisten Alemannen verblieben unter fränkischer Oberherrschaft.

Östlich des Lechs klärten sich die Verhältnisse erst um die Mitte des 6. Jahrhunderts, als hier ein von den Franken eingesetzter Dux Garibald über das in dieser Zeit erstmals genannte Volk der Bayern herrschte. Wer diese Baiovarii waren, ist in der Forschung schon lange umstritten. Klar ist nur, dass sie aus einer recht gemischten Bevölkerung aus Romanen, Alemannen/Sueben, Elbgermanen und anderen ungefähr im Raum zwischen Lech, Donau, Inn/Salzach und Alpen hervorgegangen sein müssen. Unter vielen teils recht phantasievollen Etymologien des Bayernnamens ist immer noch die Deutung ›Männer aus Böhmen‹ am plausibelsten. Archäologische Befunde schließen allerdings die Einwanderung einer größeren geschlossenen Gruppe mit klar abgrenzbarer Kultur aus; die aus zahlreichen Gräberfeldern des 6./7. Jahrhunderts gut bezeugte bayerische Bevölkerung ähnelt kulturell den benachbarten Alemannen. Im kulturellen Kontinuum des Raumes zu jener Zeit können ohnehin keine ethnischen Zuordnungen archäologischer Befunde erwartet werden. Jedenfalls waren es die Franken, die mit Einsetzung eines Dux die neue ethnisch-politische Einheit definierten. Er war wohl ein mittelbarer Nachfolger der früher von Italien aus eingesetzten raetischen Duces und könnte zunächst in Augsburg residiert haben, wo kontinuierliche Besiedlung und die fortgesetzte Verehrung der heiligen Afra bezeugt sind. Erst im 8. Jahrhundert ist Regensburg mit seinen imposanten römischen Bauresten als Residenz der Agilolfinger genannt. Von Westen aus kamen die Bayern den neuen Herren der ehemaligen Raetia secunda vielleicht recht »böhmisch« vor.

Die relative Stabilität im ersten Drittel des 6. Jahrhunderts ging bald vorbei. Theoderich hatte keinen Sohn, und nach seinem Tod konnte niemand aus seiner Familie mehr die Ostgoten einen. Zugleich hatte sich das oströmische Reich unter der Herrschaft Justinian s (reg. 527–565) so weit konsolidiert, dass eine Rückgewinnung verlorener Gebiete im Westen möglich schien. 535 nahm Justinian die Ermordung von Theoderichs Tochter Amalaswintha zum Anlass, Italien anzugreifen. Doch dieser Krieg erwies sich als unerwartet hart und langwierig, nicht zuletzt deshalb, weil in Italien die »Römer« aus dem Osten oft gar nicht als Befreier von der Barbarenherrschaft angesehen wurden, sondern als fremde »Griechen«, deren aus vielerlei Barbaren zusammengesetzte Armeen sich oft wie in Feindesland verhielten. Erst 552–554 brach der kaiserliche Feldherr Narses den gotischen Widerstand. Die römische Rückeroberung hatte letztlich mehr Verwüstungen im ehemaligen Kernland des Imperiums angerichtet als alle Barbarenangriffe zusammen. Dazu kamen noch große Bevölkerungsverluste durch die Pestepidemie der 540er Jahre, die auf fast ganz Europa ausgriff und danach noch mehrmals wiederkam. Nach 554 gelang keine durchgreifende imperiale Restauration mehr. In Norditalien machten sich wiederholt lokale Machthaber selbständig, darunter ein erulischer General der römischen Armee in Trient, dessen Herrschaft mit dem alten Namen der Breonen in Verbindung gebracht wurde.

Auch sonst brachte der Gotenkrieg die Verhältnisse in vielen Randgebieten Italiens in Bewegung. Die Franken drangen nicht nur nach Norditalien, sondern auch in den Alpenraum und bis ins südliche Noricum vor, das sie zeitweise kontrollierten. In diesem Kontext bekam auch der Dukat Bayern überregionale Bedeutung, was sich daran zeigt, dass Dux Garibald bald nach 555 die Witwe des Frankenkönigs Theudebald, die langobardische Königstochter Walderada, heiratete. In Pannonien gerieten die expandierenden Langobarden um 550 in eine Serie von Kriegen mit den Gepiden, die die Kämpfe genützt hatten, um die alte Kaiserstadt Sirmium an der Save zu besetzen. Der Frieden, der unter dem Langobardenkönig Audoin 552 geschlossen wurde, hielt nur bis zur Machtübernahme durch seinen Sohn Alboin. Dieser setzte einen mehrjährigen Konflikt bis zur Vernichtung des Gepidenreiches 567 fort, soll in der Schlacht eigenhändig den Gepidenkönig Kunimund getötet haben und heiratete dann dessen Tochter Rosamunde. Der Kampf drehte sich aber nicht um die Kontrolle des Karpatenbeckens. Schon im Jahr nach dem Gepidensieg, 568, führte Alboin eine große Armee von Langobarden, Gepiden, Sueben, Sarmaten, Bulgaren, pannonischen und norischen Provinzialen nach Italien. Die Liste gibt einen Eindruck von der gemischten Bevölkerung, die bis dahin im Karpatenbecken und seinen Randgebieten gelebt hatte. Alboin soll befohlen haben, die Siedlungen in der alten Heimat niederzubrennen, damit niemand zurückbleiben konnte. Die Maßnahme wurde sicher nicht flächendeckend durchgeführt, betraf aber wohl auch das östliche Österreich. Um in Italien Erfolg zu haben, benötigte Alboin eine möglichst zahlreiche Armee und Bevölkerung. Die Schätzungen gehen weit auseinander, doch können es höchstens 100 000 Menschen gewesen sein, die in jenen Jahren nach Italien zogen, wahrscheinlich um einiges weniger. Zum zweiten Mal nach 488 wurde also die Bevölkerung der Gebiete an der Donau in großem Stil abgesiedelt.

Der Langobardenzug stieß auf wenig Widerstand, allerdings entglitt König Alboin bald die Kontrolle über das Unternehmen. Bald wurde er bei einer Verschwörung seiner Frau Rosamunde ermordet. Die politische Situation in Oberitalien, wo nun Langobarden, Byzantiner und Franken gegeneinander kämpften, blieb einige Jahrzehnte lang sehr instabil. Erst Königin Theodelinde, die Tochter des bayerischen Dux Garibald und der Langobardin Walderada, und ihr zweiter Mann Agilulf konnten um 600 das Langobardenreich konsolidieren. Doch haben die Langobarden in den etwa 200 Jahren ihrer Herrschaft nie die gesamte Halbinsel erobert. Im Nordosten blieben viele Küstengebiete (Teile Istriens, Grado, die sich damals erst allmählich entwickelnde Lagune von Venedig, Ravenna) byzantinisch. Das Patriarchat Aquileia, dem in der Spätantike auch große Teile des heutigen Österreich zugeordnet waren, agierte nun in einem politisch gespaltenen Raum. Anfang des 7. Jahrhunderts spaltete sich auch das Patriarchat selbst, und fortan gab es einen Patriarchen im langobardisch kontrollierten Aquileia (der später an anderen Orten in Friaul residierte) und einen im byzantinischen Grado (später in Venedig). Die verbliebenen Christen im Ostalpenraum konnten sich also aus Italien wenig Rückhalt erwarten; auch das Interesse der Franken an diesem Raum erlosch nach wiederholten Misserfolgen in Italien in den 590er Jahren.

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