Читать книгу Geschichte Österreichs - Walter Pohl L. - Страница 18

Die Römerzeit im Raum des heutigen Österreich

Оглавление

15 v. Chr.

Der Ostalpenraum kommt unter römische Herrschaft.

Ca. 40

Carnuntum wird Legionslager.

Ca. 114

Vindobona wird Legionslager.

166–180

Markomannenkriege unter Kaiser Marc Aurel

Ca. 190

Gründung des Legionslagers Lauriacum

193

Septimius Severus in Carnuntum zum Kaiser ausgerufen

284–305

Kaiser Diocletian

306–337

Kaiser Constantin der Große

308

Kaiserkonferenz in Carnuntum

Die Ostalpen verdankten ihre überregionale Bedeutung im 1. Jahrtausend v. Chr. vor allem ihren Bodenschätzen. Salzbergbau machte Hallstatt zu einem (heute durch Ausgrabungen gut erschlossenen) Zentrum der danach benannten Hallstatt-Kultur der ersten Jahrtausendhälfte. Später war es vor allem das norische Eisen, das Grundlage der Prosperität der sogenannten La-Tène-Zeit war, einer von den Westalpen bis nach Ostmitteleuropa reichenden Kultur, und in den letzten vorchristlichen Jahrhunderten römisches Interesse erregte. Vereinzelt wird (etwa bei Polybios ) auch von Goldfunden berichtet. Der Ostalpenraum war vor allem von Kelten besiedelt; das ist eine bereits bei Herodot im 5. Jahrhundert v. Chr. bezeugte Großgruppenbenennung. Wie beim Germanennamen wissen wir aber nicht, ob der ethnographische Sammelname überhaupt als Selbstbezeichnung diente und wenn, wie weit. Identitätswirksamer waren im Ostalpenraum wohl die Stammesnamen und regionalen Bezeichnungen, die in römischen Berichten erwähnt werden und zum Teil von Flüssen abgeleitet sind (z. B. Ambidravi an der Drau, Ambisontes wohl an der Salzach). Der Name der Breonen im Tiroler Oberinntal ist über die Spätantike bis ins 9. Jahrhundert bezeugt. Besondere Bedeutung bekamen die seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. belegten Noriker; ein religiöses, vermutlich auch politisches Zentrum lag am Kärntner Magdalensberg, wo eindrucksvolle Überreste ergraben wurden. Das regnum Noricum gelangte durch den Bergbau zu Reichtum und spielte bald eine dominierende Rolle im Gebiet südlich des Alpenhauptkammes und darüber hinaus bis zur Donau. Es war durch einen Freundschaftsvertrag an Rom gebunden.

Im Verlauf des 1. Jahrhunderts v. Chr. geriet das Gebiet des heutigen Österreich von zwei Seiten unter Druck. Der Ausbau der römischen Position in Norditalien seit der Gründung der Kolonie Aquileia im Jahr 181 v. Chr. beeinflusste die politischen Verhältnisse im Alpenraum. Von Nordwesten her breiteten sich neue Gruppen aus, die man in Rom seit Caesar Germanen nannte. Der Zug der Kimbern durch die Ostalpen im Jahr 113 v. Chr. mit der Schlacht beim schwer genau lokalisierbaren Noreia blieb noch Episode. Nachhaltiger wirkte das Zurückweichen der Boier aus Böhmen an die mittlere Donau im frühen 1. Jahrhundert v. Chr., das sie um die Jahrhundertmitte auch in Konflikt mit dem Dakerreich des Burebista brachte, der mit ihrer Niederlage und dem Abzug der meisten Boier endete. Das zunehmende Engagement Roms am Rhein und die Konfrontation mit den Germanen warfen auch die Frage nach einer besseren Kontrolle der Wege durch die Alpen auf.

Unter Augustus wurde in Rom daher eine systematische Expansionspolitik im Alpenraum betrieben, deren Erfolg in dem bis heute erhaltenen (7/6 v. Chr. errichteten) Tropaeum Alpium in La Turbie dokumentiert ist. 15 v. Chr. marschierte ein Heer unter Drusus die Etsch aufwärts über den Reschenpass ins Inntal, wo die Breuni unterworfen wurden, und weiter ins heute bayerische Alpenvorland. Tiberius zog von Gallien aus nach Osten an den Bodensee und schlug Vindeliker und Raeter. Vermutlich gleichzeitig annektierte Rom das regnum Noricum. Bewaffneter Widerstand der Ambisontes wurde gebrochen. In den Jahren nach 12 v. Chr. leitete Tiberius die Ausweitung des römischen Illyricum in die künftige Provinz Pannonien. Im Jahr 6 n. Chr. diente Carnuntum als Operationsbasis für einen Feldzug des Tiberius gegen das Markomannenreich unter Marbod im böhmischen Raum. Der Feldzug des Jahres 6 scheiterte, weil im selben Jahr ein großer Aufstand der bereits unterworfenen Dalmater ausbrach. Schließlich blieb die Donau die Nordgrenze des direkten römischen Machtbereiches. Freilich dominierte Rom auch nördlich davon durch eine aktive Bündnis- und Gleichgewichtspolitik. Immer wieder gelang es, bei den Markomannen und Quaden von Rom unterstützte Könige durchzusetzen. Ebenso fanden, trotz aller Konflikte, von ihren Völkern vertriebene Fürsten, wie Marbod 19 n. Chr. oder der Quadenkönig Vannius in der Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr., politisches Asyl auf Reichsgebiet.

Nach der Besetzung und Annexion der Gebiete südlich der Donau dauerte der Aufbau provinzialer Verwaltungsstrukturen und römischer Lebensformen viele Jahrzehnte. Zunächst wurden Noricum und Pannonien gemeinsam verwaltet. Die römischen Besatzungstruppen im Ostalpenraum und an der norisch-raetischen Donau blieben noch darüber hinaus relativ klein. Zugleich wurden in den eroberten Gebieten bald Truppen für den Einsatz in anderen Provinzen rekrutiert. Die Bewohner mussten Steuern zahlen, darunter die Kopfsteuer, die diejenigen zu leisten hatten, die keine römischen Bürger waren. Schließlich konsolidierte sich unter Kaiser Claudius (41–54 n. Chr.) die administrative Einteilung in Provinzen: Raetien, das sich vom Inn und dem Zillertal westwärts erstreckte; Noricum, das östlich davon bis zum Alpenostrand anschloss und mit dem Gebiet von Celeia/Celje/Cilli auch ins heutige Slowenien reichte; und Pannonien wiederum östlich davon. Um 40 n. Chr. oder bald danach wurde die Legio XV Apollinaris in Carnuntum stationiert, wo die von der Ostsee kommende Bernsteinstraße die Donau überquerte. Längere Zeit blieb Carnuntum damit das einzige Legionslager des österreichischen Raumes; weder in Raetien noch in Noricum standen so große Heereseinheiten.

Allmählich wurde die Infrastruktur römischen provinzialen Lebens aufgebaut. Die oft aufwendig angelegten transalpinen Straßen waren das Rückgrat der römischen Präsenz, und heute noch belegen Reste von Straßen, Meilensteinen (etwa am Radstädter Tauern), Raststationen (wie das archäologisch gut erforschte Immurium/Moosham im Lungau) und Votivgaben die römerzeitliche Benützung auch hochgelegener Alpenübergänge (sogar des 2575 m hohen Hochtors an der Glocknerstraße). Die Hauptverbindung von der Donau nach Italien, ein Teilstück der Bernsteinstraße, umging allerdings die Alpen im Osten und verlief von Carnuntum über Scarbantia/Sopron/Ödenburg, Savaria/Szombathely/Steinamanger, Poetovio/Ptuj/Pettau, Celeia/Celje/Cilli und Emona/Ljubljana/Laibach nach Aquileia. Von Augusta Vindelicorum / Augsburg führte eine wichtige transalpine Verbindung über Brigantium/Bregenz und Curia/Chur nach Italien. Stadtgründungen begannen ebenfalls unter Claudius und konzentrierten sich zunächst auf das Draugebiet. Der norische Hauptort am Magdalensberg wurde durch die Talsiedlung Virunum auf dem Zollfeld ersetzt, wo sich der Sitz des Provinzstatthalters befand. Als Municipien, Städte mit eingeschränktem römischem Bürgerrecht, gegründet wurden ferner Teurnia nahe Spittal an der Drau und Aguntum bei Lienz, nördlich der Alpen Iuvavum/Salzburg. In diesen Städten wurden vor allem italische und andere Zuwanderer angesiedelt. Etwas später kam Flavia Solva beim steirischen Leibnitz dazu; auch Carnuntum war Municipium. Wenig markant blieb zunächst die römische Erfassung des Raumes donauaufwärts von Carnuntum; erst in flavischer Zeit (69–96) ist hier der Bau der Limesstraße und von Militärposten belegt. Freilich handelte es sich noch für etwa ein Jahrhundert vorwiegend um Holz-Erde-Lager, erst später wurden die Kastelle in Ziegelbauweise errichtet.

Auch wenn sich bereits aus dem 1. Jahrhundert die typische materielle Hinterlassenschaft der römischen Kultur abzeichnet (oft noch klar als Hinterlassenschaft von römischen Zuwanderern identifizierbar), blieben viele regionale Besonderheiten erhalten. Dazu gehören etwa Kultstätten und inschriftliche Nennungen lokaler und überregionaler keltischer Gottheiten (wie Grannus oder Teutates) oder die norisch-pannonische Frauentracht, bei der vor allem die markanten Kopfbedeckungen der Frauen hervorstechen. Was üblicherweise »Romanisierung« genannt wird, war ein komplexer Akkulturationsprozess, dessen Erfolg gerade darauf beruhte, dass die Römer flexibel fremde Traditionen integrieren konnten. Die römische Religion etwa erlaubte es, fremde Gottheiten oder mythische Gestalten mit solchen des römischen Pantheons oder der klassischen Mythologie zu identifizieren (etwa Isis Noreia, Mars Latobius oder Iuppiter Arubianus). In dieser Form konnte dann eine lebendige provinziale Mischkultur entstehen, so dass etwa Frauen in norischer Tracht auf Epitaphien römischer Machart abgebildet sind. Zuwanderer kamen nicht nur aus dem Imperium, auch »Barbaren« von jenseits der Grenzen wurden von Anfang an auf Reichsboden angesiedelt. So war etwa der Westteil Pannoniens südlich der Donau und östlich des Neusiedler Sees zunächst dünn besiedelt; hier wurde die Gefolgschaft des vertriebenen Quadenkönigs Vannius angesiedelt.

Die Beziehungen zu Roms nördlichen Nachbarn waren zunächst im wesentlichen friedlich. Nur durch Truppenentsendung war Pannonien von den Dakerkriegen betroffen, die bis zur Unterwerfung der Daker durch Trajan immer wieder ausbrachen. Näher lagen seit der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. die Siedlungen der sarmatischen Jazygen im Theißgebiet, die aus den Steppen nördlich des Schwarzen Meeres kamen und gegen die unter anderem Kaiser Domitian zu kämpfen hatte. Die Markomannen, die vom Weinviertel bis nach Mähren und Böhmen hinein siedelten, und die Quaden in der heutigen Westslowakei standen meistens in einem Klientelverhältnis zu Rom. Wald- und Mühlviertel waren kaum besiedelt. In der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts erreichten die Machtstellung und Prosperität des Imperiums ihren Höhepunkt, und das bedeutete auch für Noricum und seine Nachbargebiete eine friedliche Zeit. Die Urbanisierung der Provinzen wurde u. a. durch die Gründung der Municipien Ovilava/Wels und Aelium Cetium / St. Pölten verstärkt, die vielleicht anlässlich eines Besuchs von Kaiser Hadrian in Raetien und Noricum im Jahr 122 erfolgte. In Vindobona zog 113 oder bald darauf die Legio X Gemina ein. Unter Trajan wurde offenbar der Umbau des Lagers Carnuntum in Stein abgeschlossen, statt der 15. Legion wurde hier nun die Legio XIIII Gemina heimisch. Damals wurde die Stadt nach der Teilung Pannoniens Residenz für den Statthalter Oberpannoniens. Die Zivilstadt von Carnuntum dehnte sich rasch aus. Auch die ländliche Besiedlung intensivierte sich; mehrere villae rusticae, Landgüter mit gehobener Ausstattung, aus dem 2. Jahrhundert wurden archäologisch erschlossen, etwa in Altheim im Innviertel.

Im letzten Drittel des 2. Jahrhunderts wurde der Aufbau der römischen Infrastruktur durch die Markomannenkriege unterbrochen. Sie waren vor allem das Resultat von Migrationen und Machtverschiebungen in der Germania nördlich der Karpaten. Am ersten Angriff auf Oberpannonien im Jahr 166 waren etwa Langobarden von der unteren Elbe beteiligt; er konnte bald abgewehrt werden. 169 griff eine viel größere Streitmacht an, in der die benachbarten Markomannen, Quaden und Jazygen wohl am zahlreichsten waren; sie drang bis nach Oberitalien vor, während andere Gruppen in Pannonien und Noricum plünderten. Archäologische Hinweise auf Zerstörungen, die in diese Zeit datiert werden könnten, gibt es etwa aus Iuvavum, Aelium Cetium und Flavia Solva. Als die Feinde vertrieben waren, setzte Kaiser Marc Aurel 172 von Carnuntum aus zum Gegenschlag an; dazu wurden mehrere Donaubrücken errichtet. Das war jener Feldzug, von dem das »Regenwunder« berichtet wird – ein plötzlicher Regenguss, der den bedrängten Römern in kritischer Lage zum Sieg verhalf. Der Feldzug, der zur Unterwerfung der Quaden führte, wurde auf der Marc-Aurel-Säule in Rom ausführlich propagandistisch stilisiert. Weitere römische Feldzüge, aber auch Plünderungszüge der Barbaren folgten. Vorposten nördlich der Donau wurden eingerichtet, etwa in Mušov in Südmähren, wo ein reiches Grab eines wahrscheinlich verbündeten Germanenfürsten gefunden wurde. Gegen Ende der 170er Jahre waren bereits weite Teile des Markomannen- und Quadenlandes besetzt. Als Marc Aurel 180 starb (kaum wie früher oft angenommen in Vindobona), verzichtete sein Sohn Commodus darauf, neue Provinzen zu errichten. Die Kriege führten aber zu einer verstärkten Militarisierung der Donaugrenze zwischen Raetien und Pannonien. Im neu errichteten Lager Lauriacum an der Ennsmündung wurde die Legio II Italica stationiert. Überall entlang des Donaulimes wurden nun neue Wachttürme und Befestigungsanlagen errichtet.

Im frühen 3. Jahrhundert, unter den Kaisern der severischen Dynastie, kam es nicht zuletzt durch weitere Investitionen in die Armee und in die Grenzverteidigung zu steigender Prosperität an der Donaugrenze und entlang der transalpinen Straßenverbindungen. Carnuntum gewann weiter an Bedeutung; 193 wurde hier Septimius Severus zum Kaiser ausgerufen, und hier feierte er auch sein zehnjähriges Regierungsjubiläum. Die Zivilsiedlungen der nunmehr drei Legionslager an der österreichischen Donau – Carnuntum, Vindobona und Lauriacum – wuchsen. Freilich sollte der Romanisierungsgrad im Inneren der Provinzen nicht überschätzt werden; der Historiker Cassius Dio, der aus dem Osten kam und auch einmal Statthalter in Pannonien war, beschreibt dessen Bewohner im Kontrast zu den Mittelmeerländern als elende Barbaren, die »nichts haben, wofür es sich zu leben lohnt« (Römische Geschichte 49.36). Das mittlere Drittel des 3. Jahrhunderts war dann im ganzen Reich von politischer Instabilität gekennzeichnet; die Kaiser wechselten rasch, Usurpationen und Bürgerkriege behinderten eine konsequente Verteidigung, und Barbarenangriffe betrafen zunehmend auch grenzferne Gebiete. Goten zogen bis in die Ägäis, Alemannen und Franken griffen am Rhein an, Dakien und das rechtsrheinische Gebiet zwischen Main und Bodensee mussten aufgegeben werden. Der norische Raum wurde von den Kämpfen relativ spät und offenbar weniger hart betroffen; erst ab 270, als Rom anderswo seine Kontrolle bereits wiederherstellte, scheinen Alemannen und andere auch nach Noricum ausgegriffen zu haben. Freilich fehlen vielleicht für manche Einfälle auch nur die Nachrichten; etwa hat erst eine in den 1990er Jahren bekannt gewordene Inschrift aus der Gegend von Augsburg einen Plünderungszug von Juthungen bezeugt, die auf dem Rückzug mit zahlreichen Gefangenen vom raetischen Statthalter besiegt wurden. Schon damals wurden manche Siedlungen im Alpenraum stärker befestigt oder auf Hügel verlegt (etwa Teurnia oder das an einer häufig benutzten Marschroute gelegene Brigantium/Bregenz), eine Tendenz, die sich im 4./5. Jahrhundert verstärken sollte.

Es war vor allem Kaiser Diocletian (reg. 284–305), der die Ursachen der inneren und äußeren Instabilität der vorangegangenen Jahrzehnte durch tiefgreifende Reformen zu beseitigen versuchte. Militarisierung, Zentralisierung, erhöhter Steuerdruck und insgesamt unvermitteltere Machtausübung kennzeichnen das spätantike Imperium. Früher hat man die Epoche vom 3. bis zum 6. Jahrhundert oder darüber hinaus insgesamt als Zeit des Niedergangs und des kulturellen Verfalls betrachtet. Nicht zuletzt dank der bahnbrechenden Arbeiten von Peter Brown haben wir heute ein differenzierteres Bild von einer Epoche, die von neuen christlichen Ausdrucksformen und intensiven Auseinandersetzungen um den richtigen Glauben, von ehrgeizigen Reformbestrebungen und Rechtskodifikationen, von vielfältigem Schrifttum und einem eigenständigen Stil in Kunst und Architektur gekennzeichnet ist. In vielen Provinzen sind die Spuren dieser Zeit deutlicher als die der frühen Kaiserzeit. Römische Provinzialkultur, in jeweils spezifischer Ausprägung, erfasste nun recht weite Kreise der Bevölkerung. Politische Stabilität und äußerer Frieden waren dennoch auf Dauer nicht wiederherzustellen, und die Provinzen des österreichischen Raumes waren zunehmend davon betroffen.

Die strategische Bedeutung des Raumes war gegenüber der frühen Kaiserzeit gewachsen. Solange die römische Militärorganisation am Limes funktionierte, bedeuteten zunehmende Ausgaben für die Grenzverteidigung auch Investitionen für den Donauraum. Dabei diente der Limes nicht nur, wie jüngere Forschungen ergeben haben, der Abschreckung und Abwehr der Barbaren. An der Donau wie am Rhein verliefen auch wichtige militärische und wirtschaftliche Verbindungslinien zwischen Gallien und dem Osten; Barbaren konnten innerhalb der Grenzen angesiedelt und unter militärischer Kontrolle integriert werden; die Prosperität und kulturelle Ausstrahlung des Limesgebietes demonstrierte nach innen wie außen die Überlegenheit der römischen Ordnung; und die Kaiser, die durch Barbarensiege ihre Stellung legitimieren mussten, fanden hier eine Bühne für ihre Selbstdarstellung.

Diocletian veränderte die Provinzeinteilung, vor allem durch Teilung größerer Einheiten, was auch den Ostalpenraum betraf. Noricum Ripense (Ufernoricum) war durch den Alpenhauptkamm von Noricum Mediterraneum (Binnennoricum) geschieden; die Grenzverteidigung an der norischen und der oberpannonischen Donau wurde unter dem Kommando eines Dux zusammengefasst. Westlich davon reichte die Raetia Secunda wohl etwa bis an den Bodensee. Als Vorfeld des Reichszentrums gehörten sie alle zur neugeschaffenen Präfektur Italien als übergeordneter Verwaltungseinheit. Die Legionen wurden entlang des Limes in kleinere Einheiten aufgeteilt. Dazu kam im 4. Jahrhundert noch die offenbar regional ausgehobene Legio I Noricorum. Die Limeskastelle wurden ausgebaut, wovon sich Spuren etwa in Tulln, Traismauer oder Mautern finden. Aber auch im Hinterland wurden nun wichtige Straßenverbindungen und Nachschubstationen durch Kastelle und Garnisonen gesichert, etwa in Veldidena/Wilten und Teriolis auf dem Martinsbühel bei Zirl im Tiroler Inntal.

Relevant für die politischen Rahmenbedingungen in den Provinzen war auch das System der Tetrarchie, die Aufteilung des Reichsgebietes unter vier Kaisern, zwei davon nachgeordnet. Ihre Residenzen im Westen rückten von Rom nun näher an die Grenze, nach Trier und Mailand, aber auch andere Städte wie Aquileia oder Sirmium / Sremska Mitrovica dienten wiederholt als Residenz. Ab 402 residierten die Westkaiser dann in Ravenna. Freilich brachte schon der Herrschaftsverzicht Diocletians Probleme um Machtverteilung und Nachfolgeregelungen, so dass unter seiner Leitung 308 nach Carnuntum eine Kaiserkonferenz einberufen wurde. Zu diesem Anlass wurde dort ein Mithras-Heiligtum wiederhergestellt und dieser vielerorts verehrte orientalische Gott in einer Inschrift der Kaiser als »Beschützer des Reiches« gepriesen. Die Einigung hatte ebenso wenig Bestand wie die Rolle des Mithras in der Reichsideologie. In langwierigen Kämpfen setzte sich schließlich Constantin I. durch. Auch er war ein Reformer, der durch Verlegung seiner Residenz nach Konstantinopel, durch die Einführung der Goldwährung (solidus), vor allem aber durch Tolerierung und Förderung des Christentums nachhaltig wirkte. Die Lage an der Donau war in dieser Zeit relativ ruhig.

Als Constantin 337 starb, folgten ihm einige Jahrzehnte lang jeweils mehrere Mitglieder seiner Familie nach, zunehmend im Konflikt miteinander. Einer von ihnen, am ehesten Constantius II., errichtete jenes Triumphalmonument in Carnuntum, dessen Ruinen heute als »Heidentor« bekannt sind. Der Druck an den Grenzen nahm nun wieder zu. Valentinian I. ließ deshalb den Rhein-Donau-Limes weiter ausbauen. Er verbrachte 374 einige Monate in Carnuntum, das offenbar nach einem Erdbeben schwer beschädigt war. Im folgenden Jahr starb er im pannonischen Brigetio, angeblich weil er sich über die Unverschämtheit quadischer Abgesandter so aufgeregt hatte. Etwa zur gleichen Zeit erschienen am Schwarzen Meer die Hunnen und brachten eine neue Dynamik in die Unternehmungen der Barbaren an Roms Grenzen. Statt der schon lang vertrauten Gegner und Nachbarn – Markomannen, Quaden, Jazygen – sollte man es in Pannonien und Noricum bald mit Goten, Hunnen und vielen anderen zu tun bekommen. In Rätien blieben die Alemannen unruhige Nachbarn, die immer wieder zu kleineren oder größeren Plünderungszügen aufbrachen.

Insgesamt war das 4. Jahrhundert aber in vielen Teilen des heutigen Österreich durchaus eine Epoche der Prosperität, wenn auch an verschiedenen Orten die Verläufe recht unterschiedlich sind. In den Städten wurden, teilweise nach Schäden des 3. Jahrhunderts, in der diocletianisch-constantinischen Zeit repräsentative Bauten errichtet, und viele der ländlichen Villen, vor allem in der Umgebung von Carnuntum (etwa Bruckneudorf, ein großer Komplex mit qualitätvollen Mosaiken), zeugen von Reichtum und gediegener Ausstattung. Auch im Vorfeld des Imperiums, im Weinviertel, finden sich Spuren römischer Zivilisation, etwa auf dem Oberleiser Berg, wo vermutlich ein verbündeter markomannischer Anführer in einem Steinbau mit Fußbodenheizung residierte. Die religiöse Vielfalt ist in den drei römischen Provinzen seit dem 2. Jahrhundert gut bezeugt; neben den Göttern des römischen Pantheons sind orientalische Kulte bezeugt, etwa Iuppiter Dolichenus aus Anatolien (z. B. in Mauer an der Url), Mithras aus Persien, sowie syrische und ägyptische Kulte. Deutliche Spuren des Christentums finden sich erst seit dem späteren 4. Jahrhundert, etwa der Grabstein der Soldatengattin Ursa, chrestiana fidelis, in Ovilava/Wels. Spätere Nachrichten bezeugen die Verehrung des heiligen Florian in Lauriacum/Lorch, eines pensionierten Beamten, der während der diocletianischen Christenverfolgung 303/304 das Martyrium erlitten haben soll. Abgesehen von undeutlichen Spuren sind Reste von Kirchenbauten erst aus dem 5./6. Jahrhundert erhalten, vor allem in Teurnia und auf dem Hemmaberg in Kärnten sowie im Tiroler Inntal. Auch schriftliche Zeugnisse über die Kirchenorganisation finden sich erst im 5. Jahrhundert, nicht zuletzt in der Vita des heiligen Severin.

Geschichte Österreichs

Подняться наверх