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Von der römischen Herrschaft bis zur Karolingerzeit (15 v. Chr. bis 907)1

Von Walter Pohl

Epochenüberblick

Die fast 1000 Jahre von der römischen Besetzung des Ostalpen- und Donauraumes bis zur Ungarnzeit bieten kaum eine einheitliche Erzählperspektive. Zu keiner Zeit unterstand der gesamte Raum des heutigen Österreich einer länger andauernden einheitlichen Herrschaft. In der Römerzeit, von 15 v. Chr. bis 487 n. Chr., ging Roms direkter Machtbereich bis zur Donau, und auch wenn der Raum nördlich davon oft weitgehend kontrolliert wurde, gelang die mehrfach geplante Errichtung einer Provinz nicht. Auch das Karolingerreich beherrschte vom Awarensieg Karls des Großen (796) bis zur bayerischen Niederlage gegen die Ungarn bei Pressburg (907) im wesentlichen den Raum südlich der Donau, während nördlich davon die Mährer trotz mehrfacher Unterwerfung nicht integriert werden konnten. Nie befand sich in der in diesem Abschnitt behandelten Epoche auf dem Gebiet des heutigen Österreich ein überregional bedeutsames Herrschaftszentrum, es wurde meist von außerhalb dominiert. Rom beherrschte weite Teile des Raumes von Italien aus, Hunnen im 5. und Awaren im 6.–8. Jahrhundert aus dem heutigen Ungarn, das bayerische Herzogtum der gleichen Epoche von Regensburg aus, und die Residenzen des karolingischen Frankenreiches lagen zunächst noch weiter westlich, etwa in Aachen.

Eine »Geschichte Österreichs« in dieser Zeit kann daher, nach dem Vorbild der ersten Bände der von Herwig Wolfram herausgegebenen Österreichischen Geschichte, nur von »Grenzen und Räumen« handeln, die in unterschiedlichem Maß von Mächten außerhalb des hier behandelten Gebietes dominiert und beeinflusst wurden. Dabei blieb der Raum Begegnungszone sehr unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen: von Kelten, Römern und Germanen in der Römerzeit; von germanischen Völkern, römischen Provinzialen und Steppenreichen in der Völkerwanderungszeit des 5./6. Jahrhunderts; von Bayern, Romanen, Slawen und Awaren ab der Mitte des 6. Jahrhunderts; gegen 800 kamen dazu noch Franken und andere Bewohner ihres Reiches, während die Awaren verschwanden und ein knappes Jahrhundert später von den Ungarn ersetzt wurden. An der Besiedlung des Raumes hatten diese Völker und Sprachgruppen in sehr unterschiedlichem Maß Anteil. Um 900 bestand die Bevölkerung Ostösterreichs vorwiegend aus Slawen, im Westen aus Bayern (westlich des Arlbergs aus Alemannen), dazu gebietsweise auch Romanen. Das heißt nicht, dass frühere Bevölkerungen (Kelten, Germanen, Awaren) einfach verschwunden waren; sie können Identität und Sprache gewechselt haben, wie es später auch bei den Slawen und Romanen der Fall war, die im Hochmittelalter (mit Ausnahme vor allem der Kärntner Slowenen) zu Deutschen wurden. Über diese ethnischen und sprachlichen Prozesse wissen wir im einzelnen recht wenig; der Wandel der Sprachverhältnisse kann bis zu einem gewissen Grad aus den komplexen Ortsnamenlandschaften erschlossen werden, die (mit dem Sprachwandel nicht immer gleichzeitige) Veränderung der Selbstzuordnung wird nur ausnahmsweise deutlich erkennbar.

Im Untersuchungsgebiet entstanden immer wieder regionale Ordnungen: die römische Provinz Noricum sowie Teile der Nachbarprovinzen Raetien und Pannonien, wo Carnuntum als Legionslager und Zivilstadt einige strategische und kulturelle Bedeutung hatte; die kurzlebigen Reiche der Rugier, Eruler und Langobarden im Ostösterreich des 5./6. Jahrhunderts; das karantanische Fürstentum im 8. Jahrhundert, in dem sich die slawische Bevölkerung eine politische Struktur gab; und schließlich das Erzbistum Salzburg als kirchliches und kulturelles Zentrum des Ostalpenraumes im 9. Jahrhundert. Die regionalen bäuerlichen Lebensformen überdauerten zum Teil diese Veränderungen. Doch gerieten sie zweimal in den Sog einer expansiven arbeitsteiligen Kultur mit ausgebildeter Schriftlichkeit und hierarchischen Strukturen: am Beginn der Epoche von der klassisch-römischen Zivilisation und im 8./9. Jahrhundert von der christlich-fränkischen Ordnung. Um 900 war die Reichweite und Differenziertheit dieses Kulturmodells aber noch recht beschränkt. Der österreichische Raum blieb noch einige Jahrhunderte lang Peripherie der Zentralräume des lateinischen Europa in Italien und den beiden Frankenreichen. Das Potential der mitteleuropäischen Lage als Durchgangsraum zwischen Deutschland und Italien sowie zwischen West und Ost konnte erst allmählich genutzt werden.

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