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Zehnkämpfer

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Es ist mir unverständlich, warum es nur wenige Zehn-Kämpfer gibt, wo doch der Zehn-Kampf für den unentbehrlich ist, der es im Leben zu etwas bringen will. Viele halten es vielleicht für ausgeschlossen, in so vielen Disziplinen zugleich herausragend zu sein. Dem muss ich jedoch widersprechen. Ich hätte jedenfalls meine Erfolge nie erringen können, wenn ich nicht schon sehr früh damit begonnen hätte.

Als ich noch kaum auf den Beinen stehen konnte, fing ich mit dem Hürdenlaufen an. Bereits in meinem zweiten Lebensjahr gelang es mir, die Erwachsenen, die mit Anordnungen und Verboten gerne Hürden errichten, durch anhaltendes und lautes Schreien einzuschüchtern und zum Nachgeben zu zwingen.

Im Kindergarten erlernte ich das Stoßen, das ich schon vor meiner Einschulung so gut beherrschte, dass ich sogar größere Kinder zur Seite drängen konnte, was mir nach meinem Eintritt ins Berufsleben sehr nützte.

Während meiner Gymnasialzeit gewann ich Spaß am Freistilringen, bei dem man sich an keine Regeln zu halten braucht. Von dieser Sportart, bei der es oft schon ausreicht, wenn man sich mit aufgeblasenem Brustkorb und angespannten Muskeln zeigt, profitierte ich später viel bei meinen Parlamentsdebatten.

In meiner Studienzeit erlernte ich beim Säbelfechten die Wendigkeit, die für jeden Abgeordneten unentbehrlich ist. Heute bin ich in der Lage, Standpunkte jederzeit zu wechseln und mich mit einem unerwarteten Ausfallschritt aus einer bedrängten Lage zu befreien.

Dem Schwimmen verdanke ich die Fertigkeit, wie man sich von Strömungen treiben lässt, in einem Strudel über Wasser hält und bei Gefahr blitzschnell abtaucht.

Das Radfahren war für mein stetes Weiterkommen, für das mein Können und mein Wissen nie ausgereicht hätten, unentbehrlich. Ich musste immer nur die Geduld aufbringen, so lange im Windschatten eines anderen zu fahren, bis er Schwächen zeigte, um sie für den Vorstoß an die Spitze zu auszunützen.

Meine größten Erfolge führe ich auf das Dressurreiten zurück. Schon beim Zureiten bekommt man ein Gespür dafür, wie man ohne große Anstrengung, durch Straffen der Zügel, durch Schenkeldruck und notfalls mit der Peitsche und den Sporen, auch das feurigste oder widerspenstigste Pferd gefügig machen kann.

Sehr viel profitierte ich vom Stabhochsprung. Man muss sich dabei ganz darauf konzentrieren, wie man seine Kraft für das Hochkommen einsetzt und beim Absprung den Druck nach unten weitergibt.

Jedem, der sich gegenüber Konkurrenten durchsetzen muss, empfehle ich das Bogenschießen. Da lernt man, bevor man Pfeile abschickt, ein Auge zu schließen, weil man mit einem zugekniffenen Auge Schwachstellen besser erkennen und vor allem sehr viel genauer zielen kann.

In letzter Zeit verbringe ich viel Zeit mit dem Gleitschirmfliegen. Das Glücksgefühl, das man empfindet, wenn man von den Winden nach oben getragen wird, ist unbeschreiblich. Die Risiken, denen man sich dabei aussetzt, werden gewöhnlich übertrieben. Es kommt höchst selten vor, dass einer, der einmal oben ist und nicht zu viele Fehler macht, bevor er landen möchte, abstürzt. Man muss eigentlich nichts tun, sich nur widerstandslos den Winden überlassen, aus welcher Richtung sie auch kommen.

Wer den Ehrgeiz hat, beruflich voranzukommen, hat keine andere Wahl. Das Vorankommen wird ihm ohne Erfahrungen im Zehn-Kampf nicht gelingen.

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