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Kapitel 4

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Fast ziellos irrte Sarah durch den üppigen, weitläufigen Garten des Winter Palace Hotels. Ihr Beobachter konnte sich doch nicht in Luft aufgelöst haben! Er musste noch irgendwo sein! Jeder, der ihren Weg kreuzte, wurde misstrauisch begutachtet, und immer wieder kam sie zu dem Schluss, dass es nicht der Mann gewesen sein konnte, den sie gesehen hatte. Sie war überzeugt davon, dass es Horatio gewesen war! Sie kannte ihn nach den Jahren, in denen er sie bei ihrem Vorhaben, die Syphilis zu heilen, unterstützt hatte, so gut, dass sie ihn auch bei Nacht und aus zwei Meilen Entfernung erkannt hätte! Zumindest glaubte sie das selbst.

»Sarah, was in drei Teufels Namen tust du hier?«

Der Mann, der die Frage gezischt hatte, packte sie am Arm – Sarah wirbelte herum und unterdrückte einen Aufschrei. Für eine verwirrte Sekunde glaubte sie, Horatio sei zu ihr zurückgekommen, um sie zur Rede zu stellen, bevor sie András Esubam erkannte. Sein Anblick hatte dieselbe Wirkung wie eine kalte Dusche. Sarah blinzelte, als sei sie aus einem Traum erwacht, und entschloss sich, ohne recht zu wissen, wieso, dem Professor nichts von ihrer vermeintlichen Begegnung mit dem totgesagten Geliebten zu erzählen.

»Ich mache nur einen Spaziergang«, log sie schnell.

Ungläubig sah Esubam an ihr herunter.

»Ohne Schuhe? Außerdem solltest du dich wirklich ausruhen, dein Zustand in der Wüste war mehr als bedrohlich! Komm jetzt, ich bringe dich zurück in dein Zimmer.«

Sein Griff war unangenehm fest um ihren Oberarm, doch Sarah widerstand der Versuchung, sich loszureißen. In der Lobby des Hotels kam ihnen Andrew O’Leary entgegen, der nicht minder erschrocken wirkte, als er Sarah erblickte.

»Wo kommst du denn her?«

»Sie ist im Garten herumgeirrt.«

Esubam sprach immer noch mit dieser scharfen Stimme, die Sarah so irritierte, bemühte sich aber, leise zu sprechen.

»Ohne Schuhe?«

Andrew O’Leary legte seiner Tochter die Hand auf die Stirn.

»Sarah, geht es dir gut? Du solltest dich hinlegen, vielleicht hast du einen Hitzschlag erlitten, da draußen in dieser verdammten Wüste!«

Endlich ließ András ihren Arm los und sah zwischen Sarah und ihrem Vater hin und her.

»Sie kümmern sich um sie, Dr. O’Leary? Ich muss dringend in die Stadt, eine neue Truppe zusammentrommeln und Ausrüstung kaufen. Und wenn wir bereit sind zum Abmarsch, muss Sarah einsatzfähig sein. Wir können uns keine weiteren Verzögerungen erlauben.«

Damit stolzierte er mit hocherhobenem Kopf aus dem Hotel, dabei mehr Wichtigkeit verströmend als die Königin von England persönlich.

Sarah ließ sich von ihrem Vater widerstandslos in ihr Zimmer zurückbringen, aber kaum, dass die Tür hinter ihnen zufiel, verschwand ihre Passivität und sie ergriff aufgeregt Andrews Hände.

»Papa, ich hab ihn gesehen! Im Garten!«

Verwirrt kniff der Arzt die Augen zusammen.

»Wen hast du gesehen?«

»Horatio!«

Ihre Augen glänzten, die Wangen glühten und Andrew befürchtete, dass seine Tochter wirklich an einem Hitzschlag oder Sonnenstich litt.

»Er war draußen im Garten und hat mich beobachtet, aber als ich dort angekommen bin, war er natürlich schon fort!«

»Wie weit entfernt war er? Hast du sein Gesicht gesehen?«

Andrew bugsierte seine Tochter behutsam aufs Bett, aber sie sprang gleich wieder auf und begann, im Zimmer im Kreis zu laufen.

»Nein, ich habe nur seine Silhouette gesehen, aber ich weiß doch, wie er sich bewegt! Es war Horatio, ganz sicher!«

»Sarah!«

Andrew seufzte tief.

»Ich weiß, dass du ihn geliebt hast … und dass du ihn immer noch liebst. Ich habe es lange vor dieser Tragödie gewusst.«

Ihr verblüfftes Gesicht ließ den Arzt unwillkürlich lächeln.

»Denkst du, ich hätte dich nie gesehen, wie du dich zum Gästehaus oder wieder zurück geschlichen hast? Ich weiß, wie schmerzhaft es für dich war, ihn zu verlieren! Aber nichts auf der Welt kann ihn zurückbringen. Warum sollte er ausgerechnet hier sein?«

»Ich bin ja auch hier«, begehrte Sarah auf. »Vielleicht will das Schicksal es so!«

Erneut wurde sie behutsam aufs Bett gedrückt, und diesmal ließ Andrew seine Tochter nicht mehr aufstehen.

»Ruh dich aus, Sarah. Du bist ganz heiß! Du musst jetzt viel trinken und schlafen. Die Sonne war zu viel für dich, du weißt selbst, man sieht dann viele Dinge, die nicht so sind, wie sie scheinen.«

Sie wollte etwas entgegnen, blieb aber still, als Andrew ihr einen kühlen Lappen auf die Stirn legte und Sarah spürte, wie gut es tat.

Hatte er wirklich Recht? Hatten ihre Augen und ihre Sehnsucht ihr einen Streich gespielt, hatte die Sonne ihr die Sinne vernebelt? Oder drehte sie am Ende langsam durch? Sie war sicher, früher oder später würde sie es herausfinden. Mit einem Seufzen schloss Sarah die Augen.

Esubam hatte ein Ziel. Den kleinen Laden, dessen Besitzer der angeblich beste Kartograph in ganz Ägypten war. Er hatte ihn bei seiner letzten Expedition ausfindig gemacht und überprüft, bevor er ihm den Auftrag erteilt hatte, die Originale zu kopieren und dann einen Satz der Kopien sowie die Vorlagen gut versteckt in dem Safe, den Esubam besorgt hatte, aufzubewahren. Den Schlüssel zu dem Panzerschrank hatte er selber. Er war sich sicher, dass der Besitzer keine Möglichkeit gehabt haben konnte, weitere Kopien anzufertigen.

Esubam hatte Abi zugesehen, wie dieser arbeitete. Und als er fertig gewesen war, hatte Esubam alles im Safe eingeschlossen. Noch dazu war dieser Abi ein von der Krone vereidigter Kartograph.

Trotzdem, Esubam ging immer auf Nummer sicher. Aus seinem Zimmer nahm er eine kleine Ledertasche mit und holte zwei seiner getreuen Leibwächter, die er im Hotel untergebracht hatte. So machte er sich auf den Weg.

»Oh, Sidi! Welch eine Freude für meine Augen, Euch zu sehen. Was kann ich für Euch tun?«, wieselte Abi um Esubam herum.

»Ich will an den Safe!«, brummte dieser.

Es war eine Notlösung gewesen. Im Hotel waren die Karten nach Esubams Ansicht nicht sicher genug, der hiesigen Bank traute er nicht. Zu leicht wäre es für seine Geldgeber möglich gewesen, die Karten an sich zu nehmen. In der Vergangenheit war Abi stets zuverlässig gewesen.

Esubam traute niemandem, aber er war gezwungen gewesen, diese wertvollen Karten zu verbergen. So hatte er sie bei dem Kartografen eingeschlossen, allerdings nicht, ohne Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, von denen der Ägypter nichts ahnte.

»Sicher, wenn Ihr mir folgen wollt.«

Nach wenigen Augenblicken hatte Esubam den Panzerschrank geöffnet und entrollte einen der Kartensätze. Er nahm sie, hielt sie über eine Lampe und betrachtete sie aufmerksam. Kein Muskel rührte sich in seinem Gesicht, als er erkannte, dass die Zeichen, die er mit Zitronensaft angebracht hatte, nicht erschienen. Langsam drehte er sich zu Abi um, gab seinem Leibwächter einen Wink mit den Augen. Dieser begriff sofort und stellte sich hinter den dicken Kartographen.

»Abi, ich lasse mich nicht gerne betrügen.«

»Aber Sidi! Ich bin ein ehrlicher Mann! Warum sollte ich Euch betrügen?«

»Diese Karte hier«, er hob sie hoch und ließ sie auf den Boden fallen, »ist eine Fälschung.«

»Gewiss, Sidi. Ihr habt mir den Auftrag erteilt.«

»Abi, du solltest mir Kopien machen. Die liegen hier auch. Aber das dort, das ist nicht das Original, das ich dir gab.«

Er machte einen Schritt nach vorne. Sein Leibwächter packte den jetzt schwitzenden Mann und umklammerte ihn.

»Oh Sidi! Nein! Nie würde ich es wagen …«

Esubam fasste ihm unters Kinn.

»Ich weiß nicht, wie du es gemacht hast. Aber du hast den Safe geöffnet, das Original herausgenommen, es gefälscht und dann diese Fälschung hineingelegt. Ich frage dich nur einmal: Wo ist meine Karte?«

Abis Gesicht troff vor Schweiß.

»Ich habe nicht …«

Esubam winkte ab.

»Ich sehe, du bist widerspenstig. Ich werde dir helfen, dich zu erinnern.«

Er nahm seine kleine Ledertasche, öffnete sie und nahm einen langen, vorne spitz zulaufenden Gegenstand heraus. Er nahm eine der Öllampen, die auf den Tischen standen, nahm den Schirm ab und hielt die Spitze des Gegenstandes in die Flamme. Schnell begann sie, zu glühen.

»Abi, ich erkläre dir, was geschehen wird. Sobald die Spitze richtig glüht, werde ich sie dir langsam in dein linkes Auge bohren. Es wird wehtun. Und durch die Hitze verdampft die Flüssigkeit in dem Auge. Die Wunde schließt sich jedoch. Und dann … nach wenigen Sekunden … explodiert dein Auge.«

Er wandte sich an den Leibwächter, der neben dem Kartographen stand.

»Sein Kopf!«

Mit einer Hand hielt der Mann dem Ägypter den Mund zu, mit der anderen hielt er den Kopf.

Langsam drang die Nadel in das linke Auge ein. Abi quiekte wie ein Schwein.

Die Torturen gingen weiter, Esubam war gnadenlos. Nach einer halben Stunde hatte er alle Kopien sowie sein Original zurück. Abi war blutüberströmt, er hatte sich beschmutzt.

»Bringt es zu Ende. Und dann fackelt diesen Laden ab«, gab er den Leibwächtern die Anweisung. Es knackte kurz, als einer der Männer das Genick des Geschundenen brach. Dann gossen sie Lampenöl aus und legten Feuer.

Innerhalb weniger Minuten brannte es lichterloh. Esubam war zufrieden. Er konnte nicht wissen, dass Abi einen Satz Karten bereits weitergegeben hatte.

Die O´Leary Saga: Todesatem

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