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Kapitel 5

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Als sich Esubam wenig später dem Winter Palace näherte, sah er die hagere Gestalt Adils schon von Weitem. Der Mann ging vor dem Eingang hin und her, ruhelos. Es war nicht schwer zu erkennen, dass er nervös war. András fluchte innerlich: Was war jetzt wieder schiefgelaufen? Sie hatten erst einen Tag gegraben und schon ging alles daneben! Mit einer kurzen Geste schickte Esubam seine Leibwächter davon und winkte Adil, als er ihn erreichte.

»Folge mir.«

Der Ägypter gehorchte, kam dem Professor auf sein Zimmer hinterher. Unter der Sonnenbräune war Adil blass.

»Also, was funktioniert nicht und was hast du zu deiner Verteidigung vorzubringen?«

Adil zuckte vor der Schärfe in András Esubams Stimme zusammen, wich vor dem stechenden Blick aus seinen schwarzen Augen zurück, als könne er ihn aufspießen. Der Karawanenführer schluckte hart. Er fürchtete sich in der Tat vor dem Mann, dessen Gesicht wie eine Maske wirkte.

»Ich habe niemanden finden können, der bereit ist, sich der Expedition anzuschließen, Sidi. Die ehemaligen Teilnehmer weigern sich sogar, mit mir zu sprechen, und alle anderen, die sonst nur auf eine Gelegenheit warten, sich einer archäologischen Gruppe anschließen zu können, reden nur wirres Zeug.«

Esubam wurde hellhörig.

»Wirres Zeug? Was meinst du damit?«

Adil zwirbelte nervös die Spitze seines vollen schwarzen Bartes.

»Sie sagen, dass der Fluch des Nophta Sie getroffen hat, Sidi … dass Nophta Sie ausmerzen wird und jeder verloren ist, der es wagt, Ihnen zu helfen!«

»DER FLUCH DES NOPHTA?«

Der Wutausbruch kam für Adil völlig überraschend und er konnte der Vase, die bis eben, mit einem geschmackvollen Blumenstrauß ausgestattet, den kleinen Tisch in Esubams Zimmer geschmückt hatte und nun von eben diesem mit Schwung an die Wand geschleudert wurde, gerade noch ausweichen. Zitternd duckte der Ägypter sich hinter einen Sessel, während Esubam tobte.

»DER FLUCH DES NOPHTA? WAS SOLL DAS DENN FÜR EIN UNSINN SEIN? WER ERZÄHLT SO ETWAS?«

»I… ich vermute, die Arbeiter, die bei dem Überfall dabei waren, Sidi«, stammelte Adil und wagte sich vorsichtig wieder aus seinem Versteck hervor. »Die Halunken, die das getan haben, scheinen ihnen diesen Floh ins Ohr gesetzt zu haben, damit sie nicht wieder in den Wadi zurückkommen.«

András Esubam war fassungslos. Mit so einer Komplikation hatte er nicht gerechnet und sie konnte das Aus für seine Pläne bedeuten. Ohne Hilfskräfte konnte er sich den nächsten Weg in die Wüste sparen.

»Und das funktioniert? Seit wann hängen diese Kerle dem alten Vielgötterglauben an? Was zum Teufel ist aus Allah geworden?«

Adil wirkte verlegen.

»Nun, die Leute sind nicht sehr gebildet. Wenn ihnen etwas passiert, das sie ängstigt, und dann kommt jemand und erzählt ihnen etwas von einem Fluch, dann glauben sie es. Oder vielleicht auch nicht, aber sie wollen kein Risiko eingehen … es besteht ja immerhin eine kleine Wahrscheinlichkeit, dass etwas dran ist! Keiner meiner … üblichen Kontakte ist noch bereit, mit uns zu gehen.«

Etwas in der Art, wie Adil den letzten Satz sagte, fesselte die Aufmerksamkeit des Professors.

»Keiner deiner üblichen Kontakte? Was ist mit den Unüblichen?«

Das verschlagene Grinsen, das András bereits von dem Ägypter kannte, kehrte auf Adils Gesicht zurück.

»Ich sehe, Sidi, wir verstehen uns. Ich kenne natürlich auch ein paar Leute, die nicht ganz so ehrbar und vertrauenswürdig sind wie die, mit denen ich bevorzugt arbeite. Sie bestreiten ihren Lebensunterhalt mit zwielichtigen Dingen statt ehrlicher Arbeit. Aber dafür tun sie alles, was man verlangt, für den richtigen Preis und stellen keine Fragen.«

»Genau das ist es, was ich brauche!«

Begierig ging Esubam auf seinen Karawanenführer zu und griff ihn an den Oberarmen. In der Tat erschien ihm dieser Vorschlag als der einzig praktikable.

»Solche Männer sind furchtlos und überlegen es sich nicht mitten in der Expedition anders, weil sie irgendwelche nutzlosen moralischen Bedenken bekommen! Besorg mir die kräftigsten und skrupellosesten Männer. Diebe, Betrüger, Mörder, alles ist mir recht. Außer …«

Für ein paar Momente legte sich ein Ausdruck der Sorge über Esubams Gesicht.

»Vergewaltiger. Bring mir keine Vergewaltiger oder Kerle, die Frauen Gewalt angetan haben. Verstanden?«

Rastlos wanderte er im Zimmer hin und her, warf dabei immer wieder Blicke zu Adil. Dessen Mundwinkel zuckten kurz.

»Sie machen sich Sorgen um die Frau, Sidi? Nun, ich … kenne die Männer nicht so gut, um mit Gewissheit sagen zu können, dass sie sich nicht an einer Frau vergreifen würden, die in ihrer Reichweite ist. Vielleicht sollten Sie sie lieber im Hotel zurücklassen.«

Sofort bereute Adil seinen Vorschlag wieder, denn Esubam schoss auf ihn zu wie eine zustoßende Schlange, packte ihn am Kragen und stieß ihn so hart gegen die Wand, dass ein Bild über ihm vom Haken fiel und polternd zu Boden krachte.

»Kommt nicht in Frage! Ich habe Sarah mitgenommen, weil ich sie brauche. Sie erfüllt einen ganz bestimmten Zweck, und den kann sie im Hotel nicht erfüllen. Hör mir jetzt gut zu. Ich mache dich persönlich dafür verantwortlich, dass niemand sie anrührt. Wer ihr auch nur ein Haar krümmt, dem schneide ich persönlich die Eier ab. Und dir gleich mit. Habe ich mich klar ausgedrückt?«

Adil nickte hastig. Wieder war er blass geworden und nicht zum ersten Mal, seit er den Professor mit den durchdringenden Augen getroffen hatte, fragte er sich, ob dies all das Geld, welches er erhielt, überhaupt wert war.

Die O´Leary Saga: Todesatem

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