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Kapitel 10

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Henry und Andrew saßen noch immer in der Bar des Hotels. Ihr Alkoholpegel war mittlerweile recht hoch geworden.

»Sag mal, Henry, warum genau bist du eigentlich in Ägypten?«

»Nun ja, es hat mehrere Gründe. Zum einen, unsere Geldgeber für die Ausgrabungen machen sich Sorgen. In der letzten Zeit haben sich immer mehr dieser Abenteuer zu einem finanziellen Fiasko entwickelt. Es wurde viel Geld ausgegeben, aber die Erfolge waren eher mager.«

Andrew stutzte.

»Erfolge? Was für Erfolge meinst du?«

Henry rülpste leise.

»Stell dich nicht dümmer, als du bist. Es geht um Schätze, das weißt du doch.«

»Ja, klar. Und die kommen dann in ein Museum, oder?«

Henry lachte.

»Du bist Arzt, das merkt man immer wieder. Doch dafür, dass du ein intelligenter Mensch bist, stellst du dich echt dumm an. Du denkst allen Ernstes, die Leute, die das hier finanzieren, stellen das dann in ein Museum? Damit jeder Dahergelaufene sich das ansehen kann?«

Andrew sah seinen alten Freund an.

»Was denn dann?«

Henry kicherte.

»Na ja, ein Teil davon kommt schon in ein Museum. Aber nicht hier bei diesen unzivilisierten Wilden. Es kommt nach London. Und die wirklich guten Stücke, das Gold, den Schmuck, das beanspruchen die Finanziers für sich.«

Andrew war schockiert.

»Das ist doch nicht wahr! Henry, sag mir bitte, dass du dir das ausgedacht hast!«

Der schüttelte den Kopf.

»Andrew, Andrew. Du bist herrlich naiv.«

»Aber … das ist Diebstahl!«

Henry schüttelte den Kopf.

»Ach was, Diebstahl. Das Zeug lag tausend Jahre oder länger unter der Erde. Wir finden es, und damit gehört es uns. So wie ganz Ägypten. Wir nehmen das, was uns zusteht.«

Andrew wusste nicht, wie er das verdauen sollte.

»Und unsere Expedition? Ich dachte, sie wäre wissenschaftlich. Wir sollen mehr über die Mumien herausfinden.«

Henry winkte ab.

»Pah! Esubam sucht irgendetwas anderes. Keine Ahnung, was er wirklich zu finden hofft. Aber der Deal ist, alles an Schmuck, Gold, Edelsteinen oder anderes von Wert gehört den Finanziers. Dafür darf er buddeln, bis er das findet, was er sucht.«

»Und Sarah und ich? Was spielen wir dabei für eine Rolle?«

Andrew zuckte mit den Schultern.

»Ich habe keine Ahnung. Er wollte Sarah unbedingt mitnehmen. Aber ich habe ihm gesagt, das muss er selber regeln.«

Er beugte sich vor.

»Vergiss nicht, Andrew, ich hätte sie zu gerne als Schwiegertochter gehabt. Aber durch sie habe ich beide Söhne meiner toten Frau verloren.«

Andrew stand abrupt auf.

»Ich muss nach meinem Patienten sehen.«

Mit Wut im Bauch ging er in das Zimmer, in dem der Junge tief und fest schlief. Er hatte das Gefühl, dass Sarah in großer Gefahr schwebte, und wünschte sich, dass ihre Ahnung Horatio betreffend doch wahr wäre und er sie beschützen würde.

Die Männer im Lager saßen in Gruppen zusammen. Einige waren immer noch blass. Obwohl sie alle Muslime waren, so saß doch der Aberglaube immer noch tief verwurzelt in ihnen. Einige hatten in ihrem Gepäck die alten Amulette hervorgeholt, die seit Generationen weitergegeben wurden.

»Die alten Götter zürnen«, sagten sie. »Sie kommen uns holen, weil wir die heiligen Stätten entweihen.«

Der ein oder andere überlegte, wie er am besten verschwinden könnte. Doch sie begriffen, dass die neue Wachstrategie nicht nur vor Überfällen schützen sollte, sondern auch dafür gedacht war, dass niemand abhauen konnte.

Horatio hatte ein paar Stunden geschlafen und beobachtete wieder das Lager. Er bemerkte die Unruhe.

Als Umblai sich zu ihm legte, sah er ihn kurz an.

»Was habt ihr mit dem Kerl gemacht?«

Der Angesprochene lächelte. Horatio konnte die weißen Zähne im fahlen Licht blitzen sehen.

»Bestraft und dafür gesorgt, dass seine Seele den Weg auf die andere Seite niemals finden wird. Mehr solltest du nicht wissen wollen.«

Horatio nickte. Er ahnte, dass es blutig gewesen war.

»Auf jeden Fall habt ihr für Unruhe gesorgt.«

Umblai grinste.

»Und wir werden für noch mehr Unruhe sorgen. Die Geister der Toten werden über sie kommen.«

Danach verschwand er wieder. Horatio dachte nach, was er damit wohl gemeint haben könnte.

Doch jetzt fesselte etwas anderes seine Aufmerksamkeit. Aus dem Zelt Sarahs wurden Sachen in das von Esubam getragen. Er konnte sehen, wie Sarah wild gestikulierte. Es war wohl nicht in ihrem Sinne, dass sie aus ihrem eigenen Zelt, das sie für sich alleine zu haben schien, zu Esubam umquartiert wurde. Zu gerne hätte er gehört, was sie sagte. Aber er konnte es sich denken.

»Das ist vollkommen inakzeptabel, András!«

Sarahs Stimme war scharf wie eine Messerklinge. Sie stand mit verschränkten Armen mitten auf dem kürzesten Weg zwischen ihrem und Esubams Zelt und zwang dadurch die Arbeiter, einen Bogen zu machen, die ihr dafür erboste Blicke zuwarfen. Aber das war ihr egal! Sie wusste, dass es eine kindische, trotzige Aktion war, aber auch das war Sarah einerlei.

Der Professor seufzte und es klang zunehmend ungehalten.

»Sarah, es ist nur zu deiner Sicherheit! Ich will dich in unmittelbarer Nähe wissen und dich sehen können, sobald ich die Augen aufschlage. Sonst bist du vielleicht die Nächste, die still und leise aus dem Lager verschwindet! Keine Angst, ich werde deine Jungfräulichkeit nicht antasten.«

Als er das sagte, beobachtete András Sarahs Gesicht sehr genau, aber es zuckte kein Muskel darin, der etwas verraten hätte.

Schon seit er ihr auf der Überfahrt Avancen gemacht und Sarah sie abgelehnt hatte, interessierte es Esubam brennend, ob die junge Frau schon einmal bei einem Mann gelegen hatte oder nicht. Er hatte sich sehr eingehend mit Henry Gordon über sie unterhalten. Zwar war die Hochzeit mit seinem Sohn Francis nie zustande gekommen, aber Sarah hatte unangemessen viel Zeit mit seinem Bruder verbracht. Horatio Gordon war in London allgemein als Weiberheld bekannt gewesen und András fragte sich, ob Sarah seinem Charme trotz ihrer katholischen Erziehung erlegen war. Schließlich war sie schon dreiundzwanzig und strahlte trotz ihres oft spröden, unnahbaren Verhaltens eine Sinnlichkeit aus, die dem Professor gelegentlich den Atem raubte, wenn er in ihre Nähe kam.

»Es schickt sich trotzdem nicht«, erwiderte Sarah eisig. »Wenn mein Vater davon erfährt, wird er das auf keinen Fall gutheißen!«

Esubam verzog amüsiert das Gesicht.

»Seit wann interessiert dich, was dein Vater gutheißt und was nicht? Aber keine Angst, es bleibt unser kleines Geheimnis! Und wenn er irgendwann wieder zu uns stößt, dann kannst du ja sein Zelt teilen statt meines.«

Ein herausforderndes, beinahe diabolisches Leuchten trat in seine Augen.

»Falls du das bis dahin überhaupt noch willst.«

Damit verschwand er mit einer großartigen Geste im Zelt, und Sarah wusste zum ersten Mal in ihrem Leben nicht, was sie sagen sollte.

Horatio konnte aus dem, was er sah, seine Schlüsse ziehen. Er musste unwillkürlich grinsen, kannte er Sarah doch gut genug, um zu wissen, dass sie nie das tun würde, was man von ihr erwartete oder gar verlangte. Nach einer weiteren halben Stunde waren ihre Sachen wieder in ihrem Zelt, vor dem sie siegessicher posierte. Ein leises Geräusch ertönte, dann noch eines. Horatio verstand. Jemand war auf dem Weg in das Lager. Es dauerte nicht lange, da erschien ein Reiter auf einem Kamel. Mit halsbrecherischem Tempo trieb er das Tier in Richtung der Zelte und wartete nicht einmal ab, bis das Kamel sich hingelegt hatte, um absteigen zu können. Wild gestikulierend sprang er ab, bis jemand auf Esubams Unterkunft zeigte. Horatio fragte sich, was geschehen war.

Der Reiter stürmte in das Zelt. Esubam blickte zornig auf.

»Was willst du hier?«, fuhr er den Reiter an.

»Sidi, ein Inglis erwartet Euch im Hotel. Er sagt, es sei dringend.«

Esubam hob die Augenbrauen.

»Ein Inglis? Hat dieser Mann einen Namen, du räudiger Hund?«

Statt einer Antwort fischte der Mann einen Bogen Papier aus den Falten seiner Dschellaba und reichte es wortlos herüber. Esubam las die wenigen Zeilen.

»Sehr geehrter Professor.

Erwarte Sie UMGEHEND Hotel Winter Palace zwecks Bericht über Fortschritte.

Henry Gordon«

Esubam fluchte lautlos in sich hinein. Das passte ihm überhaupt nicht in den Kram. Aber er konnte Henry Gordon nicht brüskieren, da dieser ansonsten die Finanzierung augenblicklich eingestellt hätte. Aber warum war der Bankier persönlich nach Ägypten gekommen? Und auch noch so früh? Esubam hatte frühestens nach drei Monaten damit gerechnet, einen Bericht vorlegen zu müssen. Bis dahin, so hatte er gehofft, hätte er einige Fundstücke präsentieren können. Aber alles, was er bisher gefunden hatte, war diese Steintafel, deren Sinn er noch nicht verstanden hatte.

Aber wenn er ihn nicht verstand, dann würde Gordon ihn auch nicht verstehen. Mit etwas Geschick und viel Reden könnte er ihm mit Sicherheit weismachen, dass diese Tafel ein Wegweiser zu einem reichgefüllten Grab wäre. Er seufzte.

»Geh und sag dem Inglis, ich komme, so schnell ich kann.«

Der Reiter schüttelte den Kopf.

»Der Inglis bestand darauf, dass Ihr mit mir kommt.«

»Aber nicht in der Nacht, Kerl!«, brauste Esubam auf.

»Mein Befehl lautet, Euch sofort zurück nach Luxor zu bringen.«

Esubam sah ein, dass es keinen Sinn hatte, darüber zu diskutieren, und ergab sich in sein Schicksal. Er kratzte sich am Kopf.

»Hat der andere Inglis auch etwas gesagt?«

Der Reiter schüttelte den Kopf.

»Mit ihm habe ich nicht gesprochen.«

Esubam überlegte kurz.

»Warte hier. Ich bin gleich wieder da.«

Er verließ das Zelt und schlenderte betont langsam zu dem von Sarah. Zuerst wollte er einfach so eintreten, doch dann überlegte er es sich anders. Sie war nicht gut auf ihn zu sprechen, also wollte er sie nicht noch mehr provozieren.

»Sarah? Kann ich mit dir reden?«

Hanbal legte sich zu Horatio.

»Bruder, etwas Seltsames ist geschehen.«

»Du meinst den Reiter?«

»Ja und nein. Der Reiter ist eine Folge von dem, was geschehen ist.«

Er sah Horatio in die Augen.

»Jemand ist nach Luxor gekommen. Ein Mann, mächtig, reich. Er will das Schwarzauge sehen.«

Horatio runzelte die Stirn.

»Und was ist seltsam daran? Diese Männer«, er zeigte auf das Lager, »werden von reichen Männern bezahlt, um euch wegzunehmen, was euch gehört. Er will nur wissen, ob es schon Beute gibt.«

Hanbal legte seine Hand auf die Schulter von Horatio.

»Es ist ein Inglis. Und sein Name ist Gordon.«

Er betonte den Namen auf der hinteren Silbe, so dass es klang wie »Gor-doon«, aber Horatio verstand.

»Was?«

Hanbal nickte.

»Bruder, er hat den gleichen Namen wie du.«

Horatio schüttelte benommen den Kopf. Konnte das sein? Sein Stiefvater hier? Als Henry Gordon seine Mutter geheiratet hatte, hatte diese darauf bestanden, dass ihr Sohn auch den Namen des Mannes annahm, der ab jetzt sein Vater sein würde. Als Horatio dann seinen jüngeren Bruder getötet hatte und verschwunden war, da hatte er nicht damit gerechnet, Henry noch einmal zu sehen. Aber er hatte auch niemals daran gedacht, Sarah noch einmal zu treffen. Und jetzt waren fast alle Menschen, die in seinem Leben eine wichtige Rolle gespielt hatten, zum Greifen nahe. Was hatte das zu bedeuten?

»Er ist der Mann meiner Mutter. Er hat mich damals als seinen Sohn angenommen, als mein echter Vater gestorben war«, erklärte Horatio dem Ägypter. Und dann wurde ihm klar, was Henry hier machte. »ER ist der Mann, der das dort alles bezahlt!«

Sarah hatte sich bereits auf ihr Lager gelegt, als sie Esubams Stimme am Zelteingang hörte. Da sie bei der Entscheidung, in ihrem eigenen Zelt zu bleiben, das letzte Wort gehabt hatte, fühlte sie sich nun gnädig genug, noch einmal mit ihm zu sprechen.

»Komm herein«, forderte sie ihn auf, erhob sich aber nicht, sondern legte lediglich das Buch, das sie gelesen hatte, auf die Seite. Ihr Blick zeigte deutlich, dass sie ihn lieber nicht mehr zu Gesicht bekommen hätte, und das machte Esubam rasend.

»Zieh dich an.«

Die Worte kamen knapp und wie ein Befehl.

»Wir reiten zurück nach Luxor, Henry Gordon möchte mich treffen.«

»Henry Gordon ist hier?«

Sarah konnte ihre Verblüffung nicht verbergen.

»Was will er denn?«

»Um das herauszufinden, reiten wir ja nach Luxor!«

Esubam wurde zusehends ungehaltener und das übertrug sich direkt auf Sarah. Sie griff wieder nach ihrem Buch und öffnete es auf der Seite, auf der sie zu lesen aufgehört hatte.

»Nun, wie du schon sagtest, er möchte DICH treffen. Dann reite schön alleine zurück, ich habe keine Lust, bei dieser Eiseskälte und tiefster Finsternis durch die Wildnis zu ziehen.«

Der Professor glaubte, seinen Ohren nicht zu trauen, blinzelte verblüfft.

»Wie bitte?«

»Du hast mich schon verstanden«, erwiderte Sarah. »Ich komme nicht mit, ich bleibe hier.«

Hätte er sie gebeten, mitzukommen und keinen Ton wie ein Marinegeneral an den Tag gelegt, wäre sie vermutlich freiwillig gefolgt, schon der Aussicht wegen, die Nacht in einem bequemen Hotelbett verbringen zu können. So aber regte sich sofort Trotz in der Rothaarigen und sie schaltete auf stur.

»Du kannst nicht hierbleiben«, brauste Esubam auf. »Ich kann dich sonst nicht beschützen!«

Ihr Gesichtsausdruck wurde beinahe spöttisch.

»Ach, András, denk doch einmal nach … wenn wir wirklich beobachtet werden und die Halunken einen neuen Anschlag planen, dann bin ich bei dir in größerer Gefahr als überall sonst. Sie würden sich auf dich, den Anführer, konzentrieren, umso mehr, wenn du nur mit einer kleinen Gruppe in der Dunkelheit unterwegs bist. Was soll mir hier passieren, das ganze Lager ist voller Wachen!«

Sie sah von ihrem Buch auf und hob die Augenbrauen.

»Oder solltest du etwa Adils neuer Truppe nicht trauen?«

Esubams Gesicht nahm eine dunkelrote Färbung an und er musste sich beherrschen, nicht zu explodieren. Plötzlich wusste er, warum auf kluge Frauen allgemein keinen Wert gelegt wurde! Er holte tief Luft und verbeugte sich dann leicht.

»Wie du wünschst. Ich hoffe, morgen spätestens am Mittag wieder zurück zu sein. Adil wird strikte Anweisungen von mir bekommen und du gehst bitte nicht öfter aus deinem Zelt als unbedingt nötig.«

Sarah besaß genug Feingefühl, um zu sehen, wann sie besser nicht weiterstichelte, und nickte versöhnlich.

»Ich werde darauf achten. Richte meinem Vater einen Gruß von mir aus.«

Mit einem Nicken verließ András ihr Zelt und nur wenige Minuten später hörte Sarah, wie sich zwei Kamele aus dem Lager entfernten.

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