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Kapitel 11

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Horatio sah, wie Esubam mit dem fremden Reiter das Lager verließ. Sarah war nicht dabei, womit Horatio eigentlich gerechnet hatte. Das machte es für ihn auf der einen Seite einfacher, auf der anderen allerdings auch komplizierter. Er musste nicht in der Nacht hinter ihr herreiten. Doch war es jetzt, wo Esubam nicht mehr im Lager war, noch sicher genug für sie? Horatio bezweifelte es. Auch wenn Esubam nur ein einzelner Mann war, so stand er doch immer noch als Respektsperson zwischen den zwielichtigen Gestalten und Sarah. Doch was, wenn die auf einmal der Meinung waren, dass es lohnender wäre, Sarah zu vergewaltigen, sie zu entführen und auf einem der Sklavenmärkte, von denen es immer noch genug gab, zu verkaufen? Wer sollte sie daran hindern?

Ob die Männer, die mit Horatio das Camp beobachteten, dazu in der Lage wären, wollte er lieber nicht ausprobieren. Er nahm sich jedoch vor, in dieser Nacht näher an das Zelt seiner Geliebten zu schleichen, um nötigenfalls eingreifen zu können. Leicht würden es die Banausen nicht haben, das schwor er sich.

Er berichtete Hanbal von seinen Bedenken. Der nickte.

»Bruder, wir werden ein wenig Verwirrung stiften. Dann kannst du dich im Lager verstecken. Sieh dort, das Zelt hinter dem des Feuerhaars …«

Horatio sah hinunter.

»Dort lagern die Werkzeuge. Ich war bereits drinnen. Es gibt genügend Verstecke. Und, glaub mir, morgen früh wird niemand dort hineingehen.«

»Du meinst, weil der Antreiber nicht da ist?«

Hanbal grinste schief.

»Auch. Aber warte ab. Wenn die Verwirrung losgeht, dann schleichst du dich hinein. Und vergiss nicht: Die meisten von denen dort«, er zeigte auf die Männer, »sind Mörder, Vergewaltiger, Kinderschänder. Sie alle haben Bestrafung verdient.«

Danach verschwand Hanbal.

Horatio schüttelte den Kopf. Was hatten sie jetzt wieder vor? Sie hatten doch garantiert wieder etwas ausgeheckt. Vermutlich hatte Hanbal Recht mit dem, was er gesagt hatte. Esubam hatte in der Tat die finstersten Geschöpfe um sich herum versammelt. Sie waren eine Bande von wilden Tieren, die sich bald um die vermeintliche Beute balgen würden.

Es dauerte nicht lange, bis es Nacht wurde. Wie Horatio und Hanbal es vermutet hatten, brach die Moral im Camp direkt zusammen. Die Männer tranken reichlich Wein, den sie selber mitgebracht hatten. Adil war völlig überfordert. Er schaffte es nicht, sie im Zaum zu halten.

Einer der Halunken schlich sich in die Büsche, weil er sich erleichtern musste. Als er nach einigen Minuten immer noch nicht auftauchte, wurde Adil sichtbar nervös. Er befürchtete eine Strafe, wenn unter seiner Aufsicht Arbeiter verschwanden.

Es waren mehr als genug Fackeln und Lampen angezündet worden, so dass Horatio alles genau beobachten konnte. Adil ging hinter dem Mann her in die Richtung, in die er gegangen war. Als er vor dem Buschwerk stand, hinter dem er ihn vermutete, brach der Verschwundene urplötzlich daraus hervor, laut schreiend. Er sah aus, als wenn er in einen Bach gefallen war, er troff förmlich.

Adil blieb stocksteif stehen, als er den Irrsinn im Blick des Mannes erkannte. Ein zweiter Blick sagte ihm, warum der Mann so schrie. Sein Schritt war voller Blut und er hielt etwas in der Hand. Als Adil erkannte, worum es sich handelte, wandte er sich ab und erbrach sich auf den Boden. In der Hand hielt der Mann sein abgetrenntes Geschlechtsteil! Er brüllte wie am Spieß.

»Die Götter! Sie sind da! Sie …«

Weiter kam er nicht, denn ein Zischen erfüllte die Luft, als etwas geflogen kam und den Mann traf. Mit einem lauten Fauchen schossen Flammen an ihm empor, hüllten ihn ein. Er reckte seine Hände nach vorn, stolperte noch einige Schritte auf Adil zu, der entsetzt zurückwich, und brach dann zusammen, eingehüllt in loderndes Feuer.

Mittlerweile waren auch die Männer im Lager aufmerksam geworden und eilten herbei. Einige versuchten, das Feuer mit Decken zu ersticken, die jedoch sofort in Flammen aufgingen. Andere gossen Wasser über den Sterbenden, das allerdings nur dafür sorgte, dass sich das Feuer weiter ausbreitete.

Horatio jedoch wusste, was er nun tun musste. In dem Moment, als Sarah, aufgeschreckt durch den Tumult, ihr Zelt verließ, verschwand er in seinem Versteck. Er sah allerdings noch, dass jetzt Feuerbälle auf die Männer niederregneten. Es waren in Pech getränkte Lumpen, die man um Steine gewickelt und angezündet hatte. Diese wurden mit Schleudern auf die jetzt Flüchtenden geschossen.

»Die Götter! Sie lassen Feuer regnen!«

Einige der Männer verließen fluchtartig das Lager. Andere wurden getroffen und erlitten teilweise heftige Verbrennungen.

Am nächsten Morgen fehlten rund zwanzig Männer, ein nicht unerheblicher Teil derer, die geblieben waren, hatte schwere Verletzungen erlitten. Das Chaos war perfekt.

Als es plötzlich Feuer regnete, war die Panik im Lager unvergleichlich. Von einer Sekunde auf die andere wurden aus erwachsenen Männern völlig verängstigte Kinder, die kreischend und ihren Gott anflehend kopflos umherirrten und in ihrer Orientierungslosigkeit rücksichtslos Zelte und ihre Kameraden umrannten.

Adil stand für ein paar Sekunden mitten im Lager und brüllte gegen das Geschrei und das Durcheinander an, versuchte, die Aufmerksamkeit der Gruppe auf sich zu ziehen und einen einigermaßen geordneten Rückzug anzuordnen, um die schlimmsten Schäden zu vermeiden, aber dann erhielt er einen heftigen Stoß in den Rücken und stürzte hart zu Boden. Schon trampelten die ersten Fliehenden über ihn hinweg und er schrie nun selbst vor Schmerz, schaffte es nicht, wieder auf die Beine zu kommen. Gerade, als Adil dachte, wie entsetzlich unwürdig es war, so im Dreck zu sterben, spürte er, wie ihn jemand am Arm packte und auf die Füße zerrte. Fast unbarmherzig hielt die Person ihn fest und zog ihn vorwärts, weg von den rennenden Männern, nicht bergab in Richtung des Lagerausgangs, sondern stattdessen den Berg hinauf.

Einen Augenblick lang glaubte Adil, Professor Esubam sei zurückgekehrt und griff ein, aber als er den Kopf drehte, um seinen Retter anzusehen, blieb ihm vor Überraschung jedes Wort des Dankes im Hals stecken. Es war Sarah.

Den Kopf hoch erhoben, mit entschlossen hochgerecktem Kinn, die roten Haare im Feuerschein leuchtend, half sie ihm, weiterzulaufen, obwohl er immer wieder auf dem sandigen, abschüssigen Boden abrutschte und das Gleichgewicht zu verlieren drohte.

Schließlich erreichten sie einen kleinen Felsvorsprung, etwa zehn Meter oberhalb des Lagers. Sarah ließ sich darauf nieder, bedeutete Adil, sich neben sie zu setzen.

»Hier sind wir sicher.«

Schweigend und leicht verzweifelt starrte der Ägypter ins Lager hinunter. An Beleuchtung für die Szenerie, die sich dort unten abspielte, mangelte es wahrhaftig nicht, denn mehr als die Hälfte der Zelte stand mittlerweile in lodernden Flammen. Diesmal hatten sie sich nicht nur auf die Ausrüstung beschränkt.

Dazwischen rannten immer noch die Männer umher. Einige hatten direkt die Flucht ergriffen, andere kauerten jammernd und verletzt am Rand des Lagers und der Rest versuchte zu retten, was zu retten war. Schnell bemerkten sie, dass sie die Flammen nicht löschen konnten, und so bemühten sie sich, zumindest zu verhindern, dass die restlichen Zelte auch noch Feuer fingen.

»Der Professor wird mich umbringen!«

Sarah hatte beinahe vergessen, dass Adil noch immer neben ihr saß, und drehte sich überrascht zu ihm um.

»Warum sollte er das tun? Es war nicht deine Schuld. Niemand hätte es verhindern können.«

Ein tiefer Seufzer folgte, der hagere Ägypter sank ein wenig in sich zusammen.

»Das wird Esubam egal sein. Er hat mir die Verantwortung übertragen und ich habe versagt. Das Lager ist zerstört. Wir sind noch keine Woche hier draußen und haben schon zweimal große Verluste erlitten. Das ist nicht meine erste Expedition, aber so etwas habe ich wirklich noch nie erlebt. Es ist eine Katastrophe!«

Sarah musterte Adil aufmerksam. Wenn sie es geschickt anstellte, konnte sie vielleicht ein paar Informationen von ihm bekommen, die András ihr vorenthielt. Zwar behauptete er, sie als Partnerin mitgenommen zu haben, aber Sarah war sich sehr sicher, dass er sie nicht voll und ganz in seine Pläne einweihte. Er hatte es immer so klingen lassen, als ob er nichts Bestimmtes suchte, aber seit er die Steintafel gefunden hatte, war Sarah sicher, dass das eine Lüge war.

»Kann es irgendetwas mit Nophta zu tun haben?«

Überrascht drehte Adil der jungen Frau das Gesicht zu, furchte misstrauisch die Stirn.

»Wo habt Ihr von Nophta gehört?«

»András glaubt, sein Grab mit Hilfe der Steintafel finden zu können.«

Adil wandte seine Aufmerksamkeit dem Lager zu, in dem langsam wieder mehr Ruhe einkehrte. Die Feuer brannten nieder, die Männer hatten angefangen, sich zu sammeln.

»Ich weiß nicht, ob es damit etwas zu tun hat. Es ist nicht einmal sicher, ob Nophtas Grab existiert oder wer er war. Es gibt Legenden. Manche glauben, er sei ein Gott. Andere meinen, er wäre nur ein sehr reicher, sehr mächtiger Pharao gewesen. Was auch immer er war: Sein Grab soll mit unvorstellbaren Schätzen angefüllt sein.«

Das erklärte es natürlich.

»Wenn diese andere Gruppe auch hinter seinem Grab her ist, könnte ihr natürlich jedes Mittel recht sein, um uns auszuschalten«, mutmaßte Sarah und erhob sich.

»Komm, Adil. Lass uns ins Lager zurückgehen. Wir müssen sehen, wie groß der Schaden ist.«

»Der Herr hat gesagt, Ihr sollt in Eurem Zelt bleiben!«

Adils Stimme klang drängend und er blickte immer wieder nervös zwischen Sarah und dem Eingang des Lagers hin und her. Dass es wieder zu einem Angriff gekommen war, war schlimm genug, aber wenn es um Sarah ging, verstand Esubam nun wirklich keinen Spaß.

»András hat mich unter anderem zur medizinischen Versorgung der Expeditionsgruppe mitgenommen, und genau das tue ich jetzt.«

Der Ton, in der Sarahs Erwiderung ausgesprochen wurde, machte völlig klar, dass sie sich nicht umstimmen lassen würde. Adil wollte es auch eigentlich gar nicht. Die Ereignisse der Nacht hatten eine ganz neue Bewunderung für diese junge Frau in ihm geweckt.

Zurück im Lager war sie als Erstes schnurstracks in ihr Zelt gegangen, um die Arzttasche zu holen und seitdem war sie den Verletzten nicht mehr von der Seite gewichen, behandelte Verbrennungen, gebrochene Knochen und Prellungen, als sei es ein Kinderspiel. Das Stöhnen und Jammern der Männer wurde immer leiser und wich schließlich sonorem Schnarchen.

Trotzdem wurde Adil mit jeder Minute nervöser. Die unverletzten Arbeiter hatten die gröbste Unordnung im Lager beseitigt und die Toten weggeschafft, und nun folgten zahlreiche Blicke der rothaarigen Schönen, deren unverschleierter Anblick einfach reizen musste.

»Bitte, ich flehe Euch an, geht zurück in Euer Zelt«, zischte Adil Sarah zu. »Es sind doch jetzt alle versorgt, wenn sich etwas an ihrem Zustand ändert, werde ich Euch sofort rufen.«

Sarah blickte zu ihm auf und erkannte ernsthafte Verzweiflung in Adils Blick. Bittend legte er die Hände aneinander.

»Ich flehe Euch an! Wenn der Herr zurückkommt und Ihr seid hier draußen, wird er mich vierteilen und den Geiern zum Fraß vorwerfen!«

Es wunderte die Engländerin, dass Adil so große Angst vor András zu haben schien, aber sie wollte ihn nicht weiter quälen und nickte.

»Also gut. Es geht allen so weit gut und ich bin sehr müde. Es war schließlich eine kurze Nacht.«

Mit einem Lächeln verschwand Sarah in ihrem Zelt. Es hatte weit genug von allen Bränden entfernt gestanden und war noch genau so, wie sie es verlassen hatte. Seufzend beugte Sarah sich über ihre Pritsche und versuchte, die Kissen und Decken so aufzuschütteln, dass sie ein einigermaßen bequemes Lager bildeten. Als sie sich wieder aufrichtete und umdrehte, schrak sie heftig zusammen.

Serhat stand hinter ihr.

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