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Im Einsteinraum

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Die terranische Raumstation mit der Bezeichnung FRONTIER-CV bildete den Mittelpunkt eines weitmaschigen Netzes von Abwehrforts, welches einen kompletten Sektor der westlichen Front zum Mazzar-Hoheitsgebiet absichern sollte. Noch vor einem Jahr waren Angriffe mazzarischer Raumschiffe in fast monatlichen Abständen, mindestens aber einmal pro Quartal, erfolgt. Diese Angriffe hatten massiv abgenommen. Sowohl was ihre Häufigkeit betraf, als auch die Anzahl der angreifenden Schiffe. Und seit sieben Monaten hatte es gar keine Attacke mehr gegeben. Die Führung der Terranischen Föderation verkaufte dies der Bevölkerung als lange ersehnten Erfolg ihrer Kriegsbemühungen … und verschwieg die wahren Gründe.

Die Mazzar haben einfach andere Probleme, dachte Admiralin Diana Carpenter und schritt energisch durch eine Schleuse, die sie und ihre Begleitung auf das Deck mit dem Konferenzraum führen würde, in dem sie ein Treffen mit einer alten Freundin vereinbart hatte. Und ich fürchte, dass es bald auch unsere Probleme sein werden.

Sie kniff ihre Lippen zusammen, was ihr ein noch tafferes Aussehen verlieh, als sie ohnehin schon vermittelte. Ohne Zweifel war die Admiralin eine hübsche Frau. Einerseits geschmeidig wie eine Raubkatze, mit einem deutlichen Ausdruck von Eleganz, andererseits mit einer unerbittlichen Härte, die durch ihren militärischen Haarschnitt noch betont wurde. Ihr blondes Haar endete nur knapp über ihren Schulterabzeichen und hatte somit wenig Gelegenheit zu schwingen, als sie im Gehen den Kopf wandte, um durch ein Panzerluk ein weiteres Kampfschiff zu beobachten, welches gerade in ein anderes Dock einschwebte.

Damit dürften jetzt alle Docks belegt sein, rechnete sie nach und wusste natürlich, dass diese Basis über 20 Raumdocks für Schlachtschiffe und weitere 80 für Kreuzer und andere Raumfahrzeuge besaß. Und dort draußen patrouillieren mindestens zehn weitere Kreuzer und wer weiß wie viele Stilettos.4

Ihr eigenes Schiff, die TSS LEONIDAS, Flaggschiff der 3. Terranischen Heimatflotte, lag in einem der riesigen Hangars und erfuhr in diesem Augenblick die üblichen Checks, Austausch von Verschleißteilen, die Beladung mit frischen Lebensmitteln, sowie die Aufladung der gigantischen Energieträger und schließlich die Aufmunitionierung aller Waffenmagazine.

Letzteres dürfte am raschesten vonstattengehen, freute sich die schlanke Frau und nickte einigen Wachsoldaten zu, welche die Zugänge absicherten und vor ihr respektvoll salutierten. Die Militärstrategen beharren aber auf einer Beibehaltung der Munitionsproduktion. Sie trauen den Mazzar nicht. Und ich? Bin gespannt, was der Geheimdienst dazu zu sagen hat.

Sie bog mit ihrer Eskorte um eine Ecke und hielt vor einer Panzertür an, welche von stationseigenen menschlichen und robotischen Wachen und einem Sergeanten gesichert wurde. Carpenter wusste, dass diese Tür – sowie die komplette Wandung des Konferenzraums, samt Boden und Decke  auch eine abhörsichere Hülle besaß, die aus mehreren Schichten ultrageheimen Materials und diversen Schutzschirmen bestand. Dennoch nickte sie dem Sergeant stumm zu, als ein Soldat aus ihrer eigenen Begleitung ein Messgerät hob, damit die Panzertür prüfte, danach in den Vorraum trat, dort erneut die Anzeigen des Messgerätes beobachtete, und nach Öffnen der eigentlichen Eingangstür zum Konferenzraum, in dessen Mitte schritt, um dort nochmalige Messungen vorzunehmen. Erst als er sich umdrehte, ihr bestätigend zunickte und sich mit den anderen Soldaten ihres Kampfraumschiffes zurückzog, ging Diana Carpenter selbst in den Raum. Sie wartete das Schließen der beiden massiven Türen und das Aufleuchten der Verriegelungsanzeige ab, bevor sie ihre Stimme erhob.

»Schön, dich nach so langer Zeit endlich wiederzusehen, Amélie«, begrüßte sie ihre Freundin.

Die hatte sich aus ihrem Sitz erhoben, war die paar Schritte zu ihr gegangen und hatte sie kurz, aber herzlich umarmt, dabei auf beide Wangen geküsst. »Ist es nicht immer viel zu lange, DC? Und leider sind die Anlässe, zu denen wir uns begegnen, nicht von der Art, wie ich es mir wünschen würde, ma chère.« Sie beugte sich ein wenig zurück, ohne die Hände von denen Carpenters zu nehmen, und sah sie prüfend an. »Graue Strähnchen? Ist das jetzt Mode bei den Militärs? Oder habe ich da einen Trend Terras verpasst?«

Diana Carpenter lächelte und schüttelte den Kopf. »Ich glaube, dass du die Letzte wärst, AC, die etwas nicht mitbekommen könnte. Nein, die Strähnen sind ein Zeichen des Alters, meine Liebe.«

»Quatsch, du bist gerade mal 45 Jahre alt. Warum nutzt du nicht einen Melanin-Fixierer?«

»Ich will weder meiner Mannschaft, noch meinem Spiegelbild vortäuschen, dass ich unsterblich sein könnte. Du weißt, wie schnell man im All sterben kann. Aber du siehst wie immer fabelhaft aus. Ist das noch keinem Mann aufgefallen?«

Amélie Colbert lachte mit hellem und unglaublichem Timbre: »Mehreren, meine Liebe, mehreren! Ich gönne mir manchmal einen Mann, wenn ich Zeit dazu habe.« Dann drehte sie sich herum und deutete auf die einzige männliche Person im Raum, der locker über hundert Menschen Platz geboten hätte. »Du erinnerst dich an Admiral van der Moiren?«

»Natürlich«, sagte die blonde Frau und nahm die ausgestreckte Hand des Mannes entgegen, der aufgestanden und zu ihnen geschritten war. »Guten Morgen, Titus«, begrüßte sie ihn. »Also war es deine TSS EASTWOOD, die meinem Schiff seinen Stammplatz auf der Basis weggeschnappt hat.«

Van der Moiren lächelte entschuldigend. »Guten Morgen, Diana. Wer nicht kommt zur rechten Zeit …? Was hat dich aufgehalten?«

Diana Carpenter wollte antworten, wurde aber von ihrer Freundin Amélie Colbert mit einem vielsagenden Nicken auf die letzte Person im Raum aufmerksam gemacht. Deren rötlich schimmerndes Haar und deutliche Ähnlichkeiten im Gesicht, ließen die blonde Frau sofort an eine Verwandte Nayas denken, die sie bei Treffen mit Bérénice Savoy kennengelernt hatte.

Van der Moiren sah, warum sie seine Fragen nicht beantwortete, und wies höflich mit einer Hand auf die ältere, aber Würde und Macht ausstrahlende Frau, die ruhig in einem der wuchtigen Sessel mehr thronte, als saß. »Darf ich dir das Oberhaupt des Rigel-Clans 49 vorstellen? Lady …«

»Nicht nötig, Titus«, wehrte Carpenter ab und ging auf die Frau zu, die sich mit einer überraschend fließenden Bewegung erhob. »Ich glaube, ich weiß, wer Sie sind, Madam«, sagte Diana Carpenter und schüttelte die Hand der Rigelianerin. »Ich durfte Ihre Tochter Naya kennenlernen. Sie ist Ihnen wie aus dem Gesicht geschnitten … Lady Enya O´Connell.«

»Oh, bitte: Weder Lady noch Madam, meine Liebe. Einfach nur Enya. Es erfreut mein altes Herz, wenigstens zwei Freundinnen Nayas treffen zu dürfen. Leider sind sowohl Naya als auch Agent Bérénice Savoy für uns unerreichbar. Aber ich habe Nachrichten …«

Plötzlich verkrampfte sich Carpenters Hand in der der Rigelianerin. »Im Ernst? Ich hoffe, nur gute.«

»Aber bitte«, unterbrach Titus van der Moiren. »Setzen wir uns doch erst mal alle hin.« Er winkte dem wartenden Roboter zu, der unauffällig in einem Alkoven gewartet hatte, nun einen Schritt herausgetreten war und stumm auf ihre Wünsche wartete.

»Eine Erfrischung? Irischen Whiskey?« Van der Moiren zeigte damit, dass er über die Vorlieben seiner Gesprächspartnerinnen Bescheid wusste.

»Nein. Ein Glas rigelianischen Rotweins?«

Enya lächelte aufgrund von Carpenters Wunsch und sprach in den Raum, ohne den Service-Roboter anzusehen. »Für mich auch, wenn möglich.«

»Das ist eine voll ausgerüstete Front-Basis, meine Damen«, schmunzelte van der Moiren: »Wir haben alles!«

Carpenter grinste. »Das behaupten meine Leute auch ständig. Aber es stimmt schon: Ein Flaggschiff … und so eine Station, haben schon mehr zu bieten, als andere Habitate.« Sie sah, dass an der Stelle, an der Amélie Colbert saß, schon ein Glas mit einer goldenen Flüssigkeit stand und am Platz van der Moirens eine große Tasse, aus der es immer noch dampfte.

Der sah ihren Blick. »Man kann sagen, was man will: Die LAKAIS verstehen es, einen heißen und vor allem: hervorragenden Cappuccino zu servieren. Als hätte ihn Luigi selbst gemacht.«

»Dafür kommt dieses Zeug nicht annähernd an echten irischen Whiskey heran«, ergänzte die schwarzhaarige Agentin. »Aber was will man von einem synthetischen und alkoholfreien Stoff schon erwarten?«

Die drei Frauen und der Mann warteten ab, bis der LAKAI alle Wünsche erfüllt, sich wieder in seinen Alkoven zurückgezogen und jeder einen Schluck seines Getränkes zu sich genommen hatte.

»Mit welchem Thema möchten Sie beginnen, meine Damen?« Van der Moiren kannte wie Carpenter nur die militärischen Punkte, die sie besprechen wollten. Was aber Amélie Colbert, beziehungsweise der Terranische Geheimdienst bereit war, ihnen hier mitzuteilen, schien ihn mit nicht wenig Neugier zu erfüllen. Und erst recht Enyas Andeutung, Nachrichten von Bérénice Savoy zu besitzen.

Amélie Colbert lächelte geheimnisvoll. »Obwohl wir uns hier sozusagen in familiärer Runde befinden, ist es nicht die Art des Terranischen Geheimdienstes, als Erster seine Informationen preiszugeben. Außerdem verlangen mein Gewissen und meine Freundschaft zu Bérénice dringend nach Neuigkeiten über sie. Ich glaube, DC geht es nicht anders.« Colbert neigte respektvoll ihren Kopf zur Chefin des 49er Rigel-Clans. »Wenn ich also Enya bitten dürfte, unsere Sorgen um Nice zu mildern …«

Aufgrund der entspannten Haltung der Rigelianerin, die auch den anderen aufgefallen war, erwartete die Agentin keine Hiobs-Botschaften.

Enya ließ sich nicht lange bitten, nahm einen weiteren winzigen Schluck aus ihrem Glas und sah dann allen kurz in die Augen. »Die HIBERNIA, eines unserer Clan-Schiffe, ist vor einer Woche nach Hope zurückgekehrt. Deren Erster Offizier teilte mir mit, dass alle, auch Ihre Agentin Bérénice Savoy wohlauf seien …«

»Wann genau trennte sich die HIBERNIA von Nice?«, fragte Diana Carpenter.

»Am 27. Juli dieses Jahres … also vor etwa vier Wochen.«

»Warum sind die anderen nicht ebenfalls heimgekehrt?« Admiral Titus van der Moiren hatte schon bei anderen Gelegenheiten erkennen lassen, dass er Geheimniskrämerei nicht besonders schätzte. Umso mehr schien er sich zu wundern, warum er zu diesem Treffen eingeladen worden war … vom TG. Natürlich kannte er Amélie Colbert seit Jahren. Doch der Informationsfluss zwischen Geheimdienst und Militär war nach seiner Meinung ein Thema, an dessen Unausgeglichenheit er schon immer verzweifelt war.

Enya kniff für einen Moment die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen, atmete hörbar ein und gab dann in beinahe tonloser Weise Worte von sich, die auf die anderen wie unerwartete Schläge unter die Gürtellinie wirkten: »Agentin Savoy hat mit meinen Familienmitgliedern diese Galaxis verlassen …«

»Wie bitte?« Van der Moiren blickte verständnislos.

»Oh, Entschuldigen Sie, Admiral. Ich meinte: Sie haben den Einsteinraum verlassen.«

Amélie Colbert erfasste schneller als der Militär, was Enya damit meinte. »Sie ist in den Nexus geflogen? Wie?«

»Ihre Agentin und Naya entdeckten auf einem geheimen Mazzar-Stützpunkt ein anfangs inaktives Raumschiff der Hydren und konnten es nach einigen Monaten dazu bewegen, sie an Bord zu lassen. Mit ihm wollten sie die Schwelle zwischen unserer und der Hydren-Dimension überwinden …«

Colbert waren sofort die seltsamen Formulierungen der alten Dame aufgefallen. »Inaktiv … dazu bewegen … an Bord lassen? Das klingt so, als würden sie von einem lebendigen Wesen sprechen, Enya.«

»Oh, hatte ich vergessen, das zu erwähnen?« Sie lächelte auf eine gequälte Weise. »Das Hydren-Raumschiff soll tatsächlich ein lebendiges Wesen sein, so wurde mir – glaubhaft – versichert. Faszinierend, nicht wahr?«

Amélie Colbert hatte sich während der Äußerungen der Rigelianerin ein wenig nach vorn gebeugt und ließ sich nun wieder an ihre Sessellehne zurücksinken. Ihr Gesicht hätte in diesem Augenblick jedem Pokerspieler zur Ehre gereicht. »Ich verstehe«, war alles, was sie vorerst von sich gab.

»Sie verstehen?«, stieß van der Moiren hervor. »Na, dann bin ich ja beruhigt. Hauptsache, der TG weiß, von was hier gesprochen wird …«

»In der Tat«, unterbrach ihn seine Admirals-Kollegin Carpenter. »Du hast wohl vergessen, was der … verstorbene Agent White in einer Besprechung auf dem Mond L28 von sich gab, an der auch du teilgenommen hast, wenn ich mich recht erinnere.«

»Der TG besitzt ein Wrack eines Hydren-Raumschiffes, Ja, ich erinnere mich. Aber …«

»Vielleicht sollten wir es nun besser einen Leichnam nennen«, warf Amélie Colbert ein. Ihr Lächeln war längst einem sachlichen Ausdruck gewichen.

»Wie kann ein Lebewesen im All existieren? Und sogar die Dimensionen wechseln?« Van der Moiren war anzusehen, dass es noch dauern würde, bis er das Konzept eines biologischen Raumschiffes auch nur als möglich in Betracht ziehen würde. »Und Agent Savoy ist an Bord so eines … Dings

»So berichtete es mir der Kommandant der HIBERNIA. Und glauben Sie mir, Admiral: Wenn ein Clan-Mitglied so etwas mitteilt, entspricht es der Realität. Es ist schwer, innerhalb von parapsychisch begabten Menschen die Unwahrheit zu sagen. Apropos parapsychische Begabungen: Mir wurde ebenfalls mitgeteilt, dass es gerade meine Tochter Naya war, welche einen mentalen Kontakt zu dem Lebendraumschiff aufnehmen konnte. Ihre, beziehungsweise die Pläne Ihrer Agentin Savoy, beruhen auf der Hoffnung, dieses Wesen bald via Empathen und Telepathen steuern zu können … auch oder besser: gerade in die fremde Dimension.«

»Diesem … Nexus«, fügte van der Moiren an.

»Wenn sie damit Erfolg hatten, dürften sie also vielleicht schon in der Hydren-Dimension angekommen sein. Wenn nicht …«

Amélie Colbert legte für ein paar Sekunden einen Finger auf ihre Lippen und jeder im Raum konnte förmlich sehen, wie es hinter ihrer Stirn arbeitete. Als sie den Finger wieder senkte, klang ihre Stimme wie knisterndes Eis. »Perfekt … ein einsatzfähiges Schiff des Gegners in unserer Hand. Die beste Tarnung, die man sich vorstellen kann. Wenn Nice von diesem Flug zurückkehrt, werden wir sicher Dinge erfahren, an die wir jetzt nicht zu denken wagen.«

Dann wandelte sich ihr nüchterner Ausdruck in ein wölfisches Grinsen, das ihre Freundin DC schon kannte, van der Moiren und Enya bisher aber noch nicht an ihr beobachtet hatten. »Und wieder einmal zeigt sich, wie wertvoll Nice für unseren Dienst … und die Föderation ist.«

Nur dem Mann lief ein leichter Schauer über die Haut.

Enya hingegen nickte unmerklich und flüsterte kaum hörbar mit ehrfurchtsvollem Ton: »Und wieder zeigt sich«, benutzte sie fast die gleiche Einleitung wie die Agentin, »dass die Túatha Dé Danann gesegnet sind. Möge Dana sie alle beschützen.«

»Wer?« Van der Moiren machte ein Gesicht, das deutlich zeigte, dass er nicht folgen konnte. » Túatha Dé … was?«

»Die Kinder Danas. Wir vom Rigel-Clan 49 führen unsere Herkunft bis auf die kleine Insel Irland auf Alt-Erde zurück. Dana war … und ist … immer noch die Göttin, die uns erschaffen hat und beschützt.«

»Ich wusste nicht, dass Sie religiös sind, Enya.«

»Nicht in dem Sinne, wie Sie es vielleicht meinen, Admiralin Carpenter. Wir 49er – Nachkommen der Iren – sind der Auffassung, dass manche Dinge im Universum nur göttlich erscheinen. Es schadet aber nicht, um göttlichen Beistand zu bitten. Wenn wir einst die Wahrheit dahinter verstehen, wird sich vielleicht zeigen, dass selbst Gebete ihre Berechtigung hatten und haben.«

»Was mich zu meinem ersten Beitrag bringt«, übernahm Amélie Colbert, nachdem sie in stummer Verständigung mit Enya erfasste, dass diese keine weiteren Informationen zu Naya oder Savoy bieten konnte. »Die Mazzar befinden sich im Bürgerkrieg.«

»Das wissen wir längst, Agentin Colbert. Traditionalisten gegen Modernisten.« Van der Moiren zuckte mit den Schultern. »Auch wenn ich das Friedensabkommen zwischen uns und der Mazzar-Beraterin Arliss für einen ersten und erfreulichen Schritt halte, muss ich doch feststellen, dass an vielen Frontabschnitten immer wieder Kämpfe aufflammen.«

»Das Einflussgebiet der Mazzar ist mindestens fünf Mal so groß wie das der Menschheit … inklusive der Gebiete unserer Verbündeten«, warf Diana Carpenter ein. »Es wird sicher viele Monate dauern, bis sich der Friedensvertrag bis in alle Winkel des ganzen Mazzar-Reiches herumgesprochen hat. Natürlich ist der Bürgerkrieg … mit Verlaub: scheiße. Er kann alle Friedensbemühungen zunichtemachen.«

»Wir sollten überlegen, ob wir Partei für die Modernisten ergreifen sollten«, schlug van der Moiren vor. »Sie sind es, die angeblich schon immer eine Allianz gegen die Hydren mit uns bilden wollten.«

Diana Carpenter schüttelte entschieden den Kopf. »Dazu haben wir weder die Ressourcen noch eine Chance, Titus. Und ich definitiv keine Lust dazu! Die Mazzar-Schiffe zeigen weder durch bunte Fähnchen noch durch irgendeine andere verlässliche Markierung, zu welcher Seite sie gehören. Wir würden Gefahr laufen, gerade die Mazzar zu attackieren, die gerne auf unserer Seite stehen würden. Nein, das Risiko, durch Fehlentscheidungen wieder alle Mazzar gegen uns aufzubringen, ist einfach zu groß.«

»Also willst du gar nichts tun? Angriff war schon immer die beste Verteidigung.«

»Mag sein, Titus. Aber sich auf eine Seite zu schlagen, widerspricht unserem Ziel, mit allen Mazzar Frieden zu bekommen.«

»Ich stimme deinem Gedanken ausdrücklich zu, DC. Aber wie wir von Bérénice und Arliss erfahren haben, gibt es außer den bekannten Traditionalisten und Modernisten weitere Strömungen innerhalb der Mazzar-Gesellschaft.«

»Sie meinen die Pazifisten«, sagte van der Moiren. »Arliss ist hier die Prominenteste, zumindest von der die Menschheit weiß.«

Diana Carpenter sah ihre Agenten-Freundin neugierig an. »Du sagtest gerade Strömungen, also Plural.«

»Du kennst mich einfach zu gut …«

»Nur so weit, wie du gewillt bist, etwas zu zeigen, Geheimniskrämerin. Raus mit der Sprache!«, sagte Carpenter und musste über den doppelten Witz in ihren Worten schmunzeln.

»Es gibt offenbar eine vierte Mazzar-Partei, von der wir bislang noch nichts wussten. Sie nennen sich die Vitalisten. Ihr Ziel ist die Erhaltung des Lebens. Simpel und auf den ersten Blick nicht automatisch pazifistisch. Aber sie scheinen uns Menschen in dieses Ziel mit einzubeziehen, was ich sehr begrüße, wie ich betonen darf. Ich bin der Auffassung, dass wir jedwede Chance nutzen sollten, den Bürgerkrieg beenden zu helfen und vollständigen Frieden mit dem Reich Mazzar zu bekommen. Und ich darf an dieser Stelle daran erinnern, dass die Menschheit bislang von unserem wahren Feind – den Hydren – relativ unbehelligt blieb.«

»Woher hat der TG oder hast du Kenntnis von den Vitalisten erlangt?«

Amélie Colbert lächelte. »Der Kommandant der geheimen Mazzar-Basis auf dem Planeten Crystal  dem Planeten, in dessen Nähe die Mazzar das Hydren-Raumschiff fanden  ist Anhänger dieser Vitalisten-Bewegung. Er hat die Taten unserer schwarzhäutigen Freundin beobachtet und seinen Anführer kontaktiert, ohne Arliss davon zu informieren. Dieser hat das Signal AC/DC an mich weitergeleitet. Ich glaube auch nicht, dass er die Bedeutung des Signals richtig erfasst hat. Er scheint nur der Auffassung gewesen zu sein, dass dieses Signal nur die richtigen Leute – also uns – erreichen wird. Und damit hat er ja Recht behalten. Frag mich nicht, über welche Kanäle, ich weiß es nicht. Es handelt sich um einen männlichen Mazzar. Er nennt sich Lemurr. Und er trägt den Titel Achter Spender der Nestmutter.«

»Und der bedeutet was

»Dass er Mitglied der obersten Mazzar-Führung ist. Soweit ich es verstanden habe, ist er als Spender, im Sinne von Samenspender, einer der Ehemänner der Nestmutter.«

»… welche das Oberhaupt der Reiches Mazzar ist. Ein Matriarchat.«

»Korrekt.« Amélie Colbert hatte schon wieder ihr Pokergesicht aufgesetzt. »Er ist übrigens hier … auf dieser Station. Sein … unbewaffnetes Raumschiff liegt im Hangar XIII. Sobald wir uns hier abgestimmt haben, will er mit uns sprechen.«

»Ihr Götter des Alls«, stöhnte van der Moiren auf. »Zu Beginn meiner militärischen Laufbahn hielt ich die Mazzar für einfache und sture Gegner. Je mehr ich aber über sie erfahre, desto falscher wird dieses Bild.«

»Liegt darin nicht immer der Grund für Krieg?« Enya hatte den Ausführungen Colberts zugehört und nur einmal einen weiteren Schluck heimischen Rotweins zu sich genommen. Jetzt sah sie dem Militär fast mit einem anklagenden Blick an. »Sehen Sie, Admiral? Selbst Sie greifen in solchen Situationen zur Anrufung der Götter. Und wer sind eigentlich die Götter des Alls? Denken Sie mal in einer ruhigen Stunde darüber nach.«

Amélie Colbert schüttelte in offenbarer Selbstanklage leicht ihren Kopf. »Da schreiben wir das Jahr 2317 und reden ständig über irgendwelche Götter. Auch in meinem zweiten Beitrag spielt ein alter Gott – zumindest als Namensgeber – eine Rolle.«

Admiralin Carpenter regte sich unbehaglich. Sie wusste, welches Thema AC andeutete. »Du meinst dieses Pack Titanenkinder. Sie beziehen sich auf Prometheus.«

»Richtig, DC. Nachdem sie es beinahe geschafft hätten, die Hauptwelt der Rigelianer, den Planeten Hope, zu vernichten, war – und ist  der Terranische Geheimdienst ein einziges Wespennest. Jeder verdächtigt jeden. Übrigens der Hauptgrund, warum ich euch beide und Enya hier auf diese Basis eingeladen habe. Die Führung des TG weiß nichts von diesem Treffen, auch nichts von diesem Lemurr … vorerst. Ich bin mir nicht sicher, wem ich noch trauen kann. Der Schock einer Kaskadenbombe in den Händen der Titanenkinder und deren Abwurf auf Hades steckt uns noch allen in den Knochen.«

»Hades war und bleibt unser Planet, Agent Colbert«, betonte Enya. »Wir haben unsererseits Schritte unternommen, um herauszufinden, wie diese Katastrophe stattfinden konnte.«

»Ich bitte Sie dringend, Enya, sich hier mit mir abzustimmen. Es ist nicht sonderlich effektiv, wenn wir getrennt vorgehen.«

»Ich kann meinen Clan-Mitgliedern blind vertrauen. Sie gaben gerade selbst zu, dass dies auf Ihren Verein nicht zutrifft.«

»Ich vertraue Richter Yildirim. Wir müssen seine Verbindungen zur Regierung nutzen, um alle Fäden dieses Titanenkinder-Netzwerkes ausfindig zu machen. Dazu die Fähigkeiten Ihrer Mutanten …«

»Dann darf ich Ihnen als Zeichen meiner Kooperation eröffnen, dass wir in Yildirims Umgebung bis zu dieser Stunde 21 Verräter identifizieren konnten.«

Amélie Colbert zuckte mit keiner Wimper. »Dann lassen Sie uns diese Liste mit meiner abgleichen. Ich habe nur acht Verdächtige zu bieten.« Die beiden Admirale verfolgten stumm, wie sich Colberts Miene mit einem Hauch von Verführung überzog. »Wie schade, dass wir keine Telepathen im TG haben. Das würde uns deutlich schneller voranbringen.«

»Aber nicht bei deinen eigenen Leuten, Amélie«, warf Diana Carpenter ein.

Jetzt war es Enya, die ein Raubtier-Grinsen zeigte. »Doch, auch bei diesen. Konditionierte Gehirne stellen für uns Rigelianer kein Hindernis mehr dar. Sehen Sie diese Mitteilung als weiteren Beweis für unsere Vertrauenswürdigkeit an. Außer Ihnen hier, wissen das nur noch Ihre Agentin Savoy und die Clan-Mitglieder, welche sie begleiten.«

Leider täuschte sich Enya in diesem Punkt.

Van der Moiren und Carpenter wurden bleich. Sie konnten abschätzen, was es bedeutete, wenn eine Konditionierung keinen sicheren Schutz vor Gedankenspionage mehr darstellte.

Nur Amélie Colbert blieb gelassen. »Ich ahnte es. Der zweite Grund, warum ich dieses Treffen hier draußen angeregt habe. Was muss ich tun, damit Sie und vielleicht ein paar Ihrer Mutanten mir helfen, Regierung und Geheimdienst zu durchleuchten?«

»Nichts, liebe Freundin. Wir haben damit schon begonnen …«

Hydra

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