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Vision Drei
ОглавлениеÜber das Bild des blutverschmierten Gorillas schob sich der Körper eines anderen Kriegers. Für einen langen Moment kam es Bérénice vor, als würde jemand ein transparentes Bild vor den Affenähnlichen rücken. In einer faszinierenden Duplizität sah die Agentin zwei Gestalten fast deckungsgleiche Bewegungen vollführen.
Caesar, selbst etwa 2,10 Meter groß und mindestens 200 Kilogramm schwer, hatte immer noch die Rechte mit dem Rest der Zunge erhoben. Blut tropfte ihm davon auf den Arm und seine Brust herab.
Der Krieger, der wie ein Geist davor agierte, war nicht weniger groß, dabei in einer Art und Weise muskulös, die man nicht anders als heroisch bezeichnen konnte. Mächtige Pakete aus sorgsam trainierten Muskeln bildeten einen Körper, der für den Kampf und Heldentaten wie geschaffen wirkte. Auch er war mit Blut bedeckt, hatte seinen rechten Arm erhoben und hielt etwas in der Faust, was Bérénice nicht erkennen konnte.
Beide, der ehemalige Sklave der Hydren und der Mensch, schienen ihren Gruß der Agentin zu widmen, ihre Trophäen ihr, der schwarzen Frau, entgegenzustrecken und sie zu einer Antwort aufzufordern.
Langsam, fast wie unter Zwang, hob Bérénice ihre eigene Rechte. Ohne, dass es ihr bewusst geworden war, hatte sie ihr Katana ergriffen, welches sie immer auf dem Rücken in einer Scheide bei sich trug. Sie reckte es in die Luft und fühlte sich in diesem Moment wie eine klassische Amazone, die ihren Kampfgefährten die Ehre erwies.
Der Affenähnliche stieß als Antwort ein scharfes und lang gezogenes Brüllen aus, das wie eine Mischung aus einer lärmenden Kreissäge und einer fauchenden Dampflok klang.
Darüber lag der heisere Ruf des Mannes. Er hatte – wie sein reales Pendant – zuvor die Lungen mit Luft gefüllt, dabei seine Brust erheblich anschwellen lassen und gab nun seine Version eines Triumphschreies von sich.
Der Doppelklang, der von Bérénices Begleitern natürlich nur zur Hälfte wahrgenommen wurde, erhielt durch ihren eigenen Schrei ein zusätzliches Element: heißblütig, auf eine schreckliche Weise martialisch, wie sie es selbst als Black Ice niemals zuvor getan hatte.
Naya hatte längst Bérénices linke Hand losgelassen und war zwei Schritte zur Seite gerückt. Mit vor Entsetzen geweiteten Augen erlebte sie eine Facette ihrer dunklen Geliebten, die sie noch nie an ihr entdeckt und erst recht niemals für möglich gehalten hätte.
Bérénice sah dieses Entsetzen, als sie endlich den Blick von den beiden Gestalten lösen und sich der Rigelianerin mit befremdlichem Ausdruck zuwenden konnte. Wie ein Echo hallte das Gefühl in ihr wider und schien sich noch zu steigern, als sie die Rothaarige wieder bewusst wahrnehmen konnte.
Die Vision verschwand.
Das beklemmende, ja, beinahe betäubende Gefühl jedoch blieb.
»Nice?« Die Stimme Nayas klang brüchig. »Was war das eben? Wieder eine Vision?« Verwirrt blickte die Mutantin zu dem Affenähnlichen. »Wieso hast du ihn … geehrt?« Ganz offensichtlich hatte sie ein wenig Mühe gehabt, das passende Wort für Bérénices Geste zu finden.
»Ich habe nicht ihn geehrt«, kam es leise von der Agentin. »Ich habe einen Menschen, einen Mann geehrt … für eine Tat, die ich noch nicht kenne.« Sie warf ihrer Freundin einen verzweifelten Blick zu. »Von der ich aber ganz sicher weiß, dass sie stattfinden wird. Irgendwann einmal …«
»Sicher? Visionen sind vielleicht nur Varianten des Möglichen. Oder glaubst du, dass diese, deine neue Fähigkeit, zukünftige Ereignisse zuverlässig und unveränderbar zeigt?«
»Was wäre diese Fähigkeit wert, wenn diese Ereignisse nicht eintreten würden?« Dann wurde ihre Miene plötzlich hart und bitter. »Und bedeutet das nicht auch, dass man der Zukunft, dem Schicksal, dem eigenen Schicksal, nicht entkommen kann? Egal, was man tut?«
»Das ist blanker Fatalismus, Nice!« Bérénice konnte Naya ansehen, wie sehr sie die Unabänderlichkeit von Geschehnissen ablehnte und sich ärgerte, dass sie, Bérénice, es auch nur in Erwägung zog. »Das ganze Leben wäre sinnlos, hätten wir nicht die Chance, es zu beeinflussen, es zum Besseren zu wandeln. Genau aus diesem Grund sind wir hier im Nexus! Du selbst bist ein Paradebeispiel für das Gegenteil! Sind deine Visionen denn so schrecklich, dass sie deine Grundeinstellung zum Leben über den Haufen werfen?«
Bérénice stand wie ein Stück Holz vor ihr, in diesem Moment offenbar zu keiner Regung fähig. Nur ihre Augen lieferten Naya einen kleinen Beweis, dass die schwarze Holzpuppe vor ihr von Leben erfüllt war. Doch der Blick der Agentin ging durch die Rigelianerin hindurch. Endlich gab sie Antwort:
»Ja.«
Dieses eine kleine Wort traf Naya wie ein Faustschlag. Und als sie erneut in die Augen der Agentin schaute, sah sie im Hintergrund ein Bedauern durchschimmern, das ihr mehr Angst einflößte als die karge Entgegnung der Haitianerin.