Читать книгу Hydra - Werner Karl - Страница 16
Im Nexus
ОглавлениеBérénice blickte auf den Planeten, den Freitag Kobold II getauft hatte und versuchte, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten. Aus einem ihr unbekannten Grund steuerten die MOBY DICK und ihre 23 Artgenossen die momentane Nachtseite des Planeten an. Es wirkte auf die angespannt beobachtende Agentin so, als würden sie den durch die beiden so unterschiedlichen Sonnen leidlich erhellten Weltraum verlassen und in ein Schwarzes Loch hinabsinken. Kein Strahlen aus erleuchteten Städten durchbrach die allumfassende Dunkelheit, kein Lichtschein von aktiven Industrieanlagen oder anderen auch in der Nacht belebten Arealen wiesen ihnen den Weg. Dennoch schienen die Slide-Wesen genau zu wissen, wohin sie wollten. Bérénice verzichtete darauf, Naya nach verdächtigen PSI-Signalen zu fragen. Wären welche vorhanden gewesen, hätten die Slide-Wesen es sicher viel eher bemerkt und ihren Anflug abgebrochen.
Also könnte diese Welt tatsächlich von den Hydren aufgegeben worden sein.
Ein Teil ihres militärischen Verstandes zog für eine Sekunde einen Hinterhalt oder eine Falle in Erwägung, doch dann erschien ihr dies als unwahrscheinlich.
Offenbar wurde unser Eindringen in den Nexus von den Hydren noch nicht entdeckt. Und somit stellt Kobold II ein sicheres Versteck dar. Vorläufig.
Die Haitianerin beobachtete gespannt, wie die Flotte aus lebendigen Raumschiffen die Atmosphäre des Planeten erreichte und die mehr zu ahnende, anstatt wirklich zu sehende Wolkendecke durchbrach. Die Monitore der MOBY DICK übertrugen jetzt wirklich nur noch völlige Schwärze.
Ich hätte nicht gedacht, dass es etwas gibt, was die Dunkelheit und Stille des Nexus noch übertreffen könnte. Wir hätten Kobold II auch Den Schwarzen Planeten nennen können.
Dass sie mit dieser Auffassung falsch lag, konnte die Agentin in diesem Augenblick nicht ahnen. Irgendwie hatte sie die irrige Vorstellung, dass der Planet auch unter Tageslicht finster und bedrohlich wirken könnte.
Aus einem inneren Impuls heraus drehte sie sich zu Caesar um. Der Anführer der Affenähnlichen saß immer noch regungslos im Kreis der ihn bewachenden Mazzar-Soldaten und schien mit der Situation recht zufrieden zu sein. Sein breites Gesicht strahlte förmlich vor Befriedigung und seine Augen waren auf die farblosen Monitore gerichtet, so als könne er als Einziger etwas darauf erkennen.
Warum freut sich der Gorilla? Was erhofft er sich auf der Heimatwelt der Slide-Wesen? Dann drehte sie sich wieder Naya zu, die wie ihre Verwandten still und entspannt in ihren Netzen mehr hingen als standen und sich kaum regten. Was erhoffen wir uns von dieser Welt? Was will ich überhaupt in dieser Dimension? Die Hydren aufsuchen und sagen: ´Tut uns leid, der Massenmord. Aber wir haben keine andere Sprungtechnologie`?
Plötzlich lösten sich alle Rigelianer aus ihren Geflechten und lächelten unisono und in einer Weise, die Bérénice ein wenig an deren Verstand zweifeln ließ.
»Was ist passiert?«
»Wir sind da«, sagte Naya, ging zu ihr, legte sanft eine Hand an das Kinn der Agentin und hauchte einen Kuss auf ihre leicht geöffneten Lippen.
»Ich habe von der Landung nichts mitbekommen«, antwortete Bérénice, den Kuss halb ignorierend.
Naya wirkte auf eine Weise glücklich, wie sie Bérénice selbst schon lange nicht mehr empfunden hatte. »Wir Menschen – und ebenso unsere mazzarischen Freunde hier – sind noch längst nicht an Reisen mit Slide-Schiffen gewöhnt, Nice. Ich habe mich noch nie so … leicht gefühlt.«
»Das liegt an der geringen Schwerkraft des Planeten«, warf Freitag ein. »Sie beträgt 0,913 g. Daher Ihr Gefühl der Leichtigkeit. Die Atmosphäre ist für Menschen und Mazzar atembar. Aber das hatte ich aufgrund meiner Analysen des Slide-Wesens auf dem Planeten Crystal schon festgestellt. Sie können also Kobold II ohne Raumanzug und Atemmasken betreten.«
»Freitag, du bist so was von …«
»Ich bin ein Roboter«, unterbrach er sie.
Bérénice musste unweigerlich grinsen. »Also dann: Setzen wir unsere Füße also leicht auf eine fremde Welt.«
Naya nickte und schien recht zuversichtlich. »So langsam beginne ich zu ahnen, was für Chancen die Zukunft in sich trägt. Helfen wir den Slide, den Gorillas und uns selbst, sie zu entdecken und nutzen zu lernen.«
»Und du glaubst, die Slide würden dabei mitspielen? Sie werden sich kaum in neue Abhängigkeiten begeben wollen.«
»Nein, sicher nicht. Aber, so wie ich sie bisher wahrgenommen habe, sind sie gesellige Wesen … auch anderen Spezies gegenüber. Wenn man ihnen die Freiheit lässt, werden sie eher Partner sein, anstatt blanker … Vehikel. Tut mir leid, Nice. Mir fällt keine passendere Bezeichnung ein.« Dann wechselte Naya das Thema. »Komm, meine finstere Geliebte. Gehen wir einen finsteren Planeten entdecken.« Sagte es und zog sie mit einer Hand auf die Röhre zu, welche die Zentrale mit dem Raum verband, den man mit einiger Phantasie als Hangar oder Ausgang bezeichnen könnte.
Arliss, deren Wachtrupp, mittendrin Caesar, danach die beiden Rigelianer Roy und Flynn, schließlich Laurent, folgten den beiden Frauen auf ihrem Weg durch das Lebendraumschiff. Die MOBY DICK erleuchtete ihnen mit wenigen biolumineszierenden Punkten den Pfad. Als sie das Ende der Röhre erreichten, waren die Schleuse schon geöffnet und die kaum sichtbare Rampe ausgefahren. Da auch hier kein Licht vorhanden war, sah es aus, als würden sie in ein schwarzes Nichts marschieren.
Nur ein Einziger entzog sich dem fast fühlbaren Locken dieser Schwärze: Freitag. Er war natürlich keine drei Meter von seiner Schutzbefohlenen entfernt mit erhobenen Waffenarmen vorausgegangen und hatte unvermittelt entschieden, dass die vorhandene Finsternis eine unzumutbare Gefahr – wenn vielleicht auch nur für Fehltritte und entsprechende Verletzungen – darstellte und hatte schließlich seinen Frontscheinwerfer aktiviert. Jetzt erhellte dessen gelbweißes Licht in weitem Umfeld das Gelände, das vor ihnen lag. Ein paar der anderen Slide-Schiffe waren am Rande des beleuchteten Gebietes als große Schatten wahrnehmbar. Im Gegensatz zur MOBY DICK hatte keines seinen Zugang geöffnet. Daher wirkten die Wesen wie regungslose Dinosaurier, die auf das erste Licht des Tages warteten.
Bérénice blieb Hand in Hand mit Naya stehen, als sie die Rampe verlassen hatten. Dennoch ruhte ihre Rechte auf dem Griff der Lasersichel, die sie zusätzlich zu ihrem Katana bei sich hatte. Nur beiläufig nahm sie wahr, dass sich Caesar wieder niedergesetzt hatte, kaum dass seine Doppelfüße den Boden des Planeten betreten hatten. Im Kreise seiner mit Blitzern bewaffneten Mazzar-Bewacher beugte er seinen mächtigen Schädel nach vorn und berührte mit seiner Stirn kurz die Oberfläche. Dann erklang ein tiefes Brummen, das deutlich von Erleichterung und Freude gefärbt war.
»Dem Gorilla scheint es hier zu gefallen«, sprach Laurent Girard leise und versuchte am Rand des von dem Roboter aus der Schwärze befreiten Geländes etwas auszumachen. Auch der Trooper hatte sein Lasergewehr in Vorhaltestellung. Offensichtlich rechnete er mit möglichen Gegnern. Bérénice konnte es ihm nicht verübeln.
»Freitag?«
»Ja, Agent Savoy?«
»Was registrieren deine Sensoren?« Die Agentin wusste natürlich, dass sich der BEHEMOTH sofort gemeldet hätte, wäre etwas auch nur entfernt Bedrohliches festzustellen gewesen, aber sie konnte einfach nicht anders.
»Keinerlei Energiesignaturen im gesamten Erfassungsbereich. Dafür empfange ich eine Vielzahl von Geräuschen, die auf nachtaktive Fauna zurückzuführen sein dürfte. Mein Zähler steht in dieser Sekunde auf 31 … 33 … 39 verschiedenen Lautmustern, Tendenz ständig steigend. Eine 100%ige Zuordnung der Geräusche kann ich natürlich nur dann vornehmen, wenn ich die betreffende Spezies sehe. Einige Infrarotbilder stehen bereits zur Verfügung. Selbstverständlich lege ich ein Archiv an, das wir als Basis …«
»Schon gut, Freitag. Achte einfach auf alles, was uns näher als hundert Meter kommt. Du eröffnest das Feuer nur, wenn ein Angriff stattfindet, klar?«
»Verstanden, Agent Savoy. Meine optischen Sensoren zeigen an, dass der Sonnenaufgang unmittelbar bevorsteht. Etwa 45° links von unserer jetzigen Position. Soll ich ein planetares Koordinatensystem anlegen?«
»Nur wenn es dich nicht von anderen, wichtigeren Dingen abhält.« Laurent schwenkte wie alle seinen Blick in die angegebene Richtung, sah aber noch keinen Schimmer.
»Ich bin multitaskingfähig, Trooper Girard.« In Bérénices Ohren schwang ein indignierter Ton in Freitags Worten mit. Die Agentin musste grinsen, halb über sich selbst, halb über den Kampfroboter. Dann verstummte der BEHEMOTH, da alle – auch Caesar – wie gebannt auf die Morgendämmerung starrten, die sich nun erstaunlich rasch am Horizont ankündigte.
Die Sonne Amber, der kleinere Teil des Doppelsternsystems, tauchte mit einem Leuchtbogen auf, der ihrem Namen alle Ehre machte: Bernsteinfarbenes Licht verdrängte die Schwärze der Nacht so leicht, als würde ein Riese seine Schlafdecke zur Seite schieben. Goldgelbe Strahlen huschten über die Kontur des Horizonts und hoben sanfte Berge und Hügel, überraschend riesige Bäume und zahlreiche Büsche und andere Pflanzen aus der Dunkelheit. Die Neuankömmlinge staunten, in wie vielen Schattierungen von Gold, Rot und Kupfer Pflanzenblätter erstrahlten, kaum dass das Sonnenlicht sie erreicht hatte. Unvermittelt blitzten kleine silberne Körner auf den Blättern auf, so als wären diese Schmuckstücke, besetzt mit winzigen Diamanten und Brillanten. Die Pracht erhöhte sich von Augenblick zu Augenblick. Mit jeder Sekunde, die verstrich und mit der die Sonne Amber sich bald vollends zeigte und ihr Licht über die Welt ergoss, als wäre sie das Nexus-Pendant der Göttin Aurora, so verwandelte sich der schwarze Planet in ein schillerndes Juwel, dessen Flora auch vereinzelt grünes, messing- und ocker-farbiges Blattwerk trug, was die anderen Farben nur umso mehr hervorragen ließ.
Plötzlich war die Luft doppelt erfüllt. Mehrstimmiges Summen und Sirren verbreitete sich als akustische Welle, erzeugt und in alle Richtungen getragen von Insekten, die von kaum wahrnehmbaren Pünktchen bis hin zu faustgroßen Tieren reichten. Die fliegende Armada wurde von unzähligen Düften angelockt, die aus den von den Sonnenstrahlen geöffneten Blütenkelchen stammten, die wie ein lautloses Ballett ihre Blätter ausbreiteten. Der Farben- und Duftrausch schien kein Ende zu finden und zumindest die Menschen waren davon wie betäubt.
Bérénice atmete die exotischen Botschaften ein und fühlte sich fast selbst wie ein Insekt, das vom kostbaren Nektar angelockt wurde. Ihre Augen konnten sich kaum sattsehen an den tausend Varianten von Blumen, wie sie noch kein menschlicher Gärtner zu sehen bekommen hatte. Nur vage lauerte ein warnender Gedanke in ihr, der ihr leise aber hartnäckig zuraunte, dass sie alle auf die absonderlichste Weise – selbst mit Tod – auf diese Fülle reagieren könnten. Doch niemand, weder Mensch, Mazzar noch Gorilla zeigte negative Reaktionen.
»Ein unglaublicher Planet«, hauchte Naya und hatte ein glückliches Lächeln im Gesicht. »Kein Wunder, dass die MOBY DICK hierher wollte. Wenn es solche Welten im Nexus gibt, kann er nicht nur die Hölle sein.«
»Auch das Paradies hat seine Schattenseiten«, warf Laurent Girard ein und deutete mit dem Lauf seiner Waffe auf dunkle Flecken in der Landschaft, die sich zu bewegen begannen. »Was ist das dort?« Sein rechter Zeigefinger befand sich nur Millimeter vom Abzug entfernt.
Seine Geste führte die Blicke der anderen zu Stellen, die sich weigerten, im Sonnenlicht zu erstrahlen. Nur wenn man einige Sekunden konzentriert hinsah, meinte man, verhaltene Bewegungen wahrzunehmen.
»Mein Bioscanner zeigt an, dass es sich um Pflanzenfresser handelt, Trooper Girard. Auf diese Entfernung wirkt deren sehr dunkelbraune Haut, eher dem Panzer eines Nashorns ähnlich, auf menschliche Augen wohl beinahe wie Schwarz. Nachdem sie sich erst bewegt haben, als die Sonne aufging, kalkuliere ich mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,7 %, dass es sich um wechselwarme Tiere handelt, die in der Nacht abkühlen und in Schlafstarre verfallen. Sie …«
Freitag kam mit seinen Ausführungen nicht weiter, weil von einer Sekunde zur anderen direkt vor einem der etwa rhinozeros-großen Tiere eine schwarze Wolke in dreifacher Größe schier aus dem Nichts entstanden war … und ein riesiges Maul dem Pflanzenfresser sofort den Kopf abbiss.
»Merde!«, brachte Laurent heraus und hatte sein Lasergewehr schon im Anschlag, als ein scharfer Ruf Bérénices ihn davon abhielt, das Feuer zu eröffnen.
»Nicht schießen! Sieh genau hin, Girard. Erkennst du es nicht?«
Offensichtlich hatte der Trooper Schwierigkeiten, Details zwischen dem dunkelhäutigen Pflanzenfresser und seinem schwarzen Gegner ausmachen zu können. Dann trug ein leichter Wind knirschende Geräusche zu ihnen, die eindeutig nach mahlenden Zähnen klangen. »Das ist ein … Baby-Slide. Oder täusche ich mich da?«
»Nahe dran, Laurent«, entgegnete Naya und musste augenscheinlich ihre eigene Befremdung gegenüber dem Überfall hinunterschlucken. »Ich habe schon vor längerer Zeit die MOBY DICK gefragt, wie sie zu dieser monströsen Größe gelangen konnten … und dabei ihren enormen Energiebedarf decken können.« Sie deutete auf das Raubtier und dessen Opfer. »Das, was wir dort sehen, ist die ursprüngliche – und erwachsene – Form eines Slide-Wesens. Aufgrund ihrer Größe war und ist es ihnen unmöglich, sich an die schreckhaften Panzerschweine heranzuschleichen …«
»Panzer…schweine?« Laurent ließ seine Waffe sinken. »Wie kommst du auf diese Bezeichnung?«
Naya lächelte gequält. »Es kommt dem am nächsten, was es ist: ein Allesfresser. Zwar durch einen recht festen Panzer einigermaßen vor seinen anderen Fressfeinden geschützt, aber chancenlos gegen ein Slide-Wesen, das sich im Bruchteil einer Sekunde direkt in die beste Position sliden und zuschlagen kann.«
»Ach du Scheiße«, entfuhr es dem Franco-Kanadier. »Hoffen wir nur, dass die hiesigen Slide nicht auch uns als Leckerbissen betrachten.«
»Dazu besteht kein Anlass. Unser Mineralgehalt ist dafür viel zu gering, Laurent«, führte Naya fast dozierend aus. »Du hast sicher schon das Glitzern auf den Blättern der meisten Pflanzen hier bemerkt. Die Panzerschweine fressen diese stark mineralhaltigen Blätter und nutzen die Stoffe zum Aufbau ihres Panzers. Gegen andere Fressfeinde hilft ihnen das sehr gut. Gegen die Angriffe der Slide …«
»Ein Gleichgewicht der Natur«, schloss Bérénice die Unterhaltung. »Gäbe es die Slide nicht, würden die Panzerschweine sich vielleicht unkontrolliert vermehren und alles Blattwerk auffressen.« Dann verfinsterte sich ihre Miene. »Die Hydren müssen sofort das Potential der Slide-Wesen erkannt haben, als sie irgendwann einmal auf dieser Welt gelan…« Dann unterbrach sie sich. »Das kann nicht sein«, hob sie ihre vorherige Vermutung selbst auf. »Die Hydren hatten keine anderen Raumschiffe. Also …«
»Ist Kobold II auch deren Heimatplanet«, beendete Naya angespannt den Satz.
Laurent Girards Waffenlauf zuckte sofort nach oben und zielte auf nicht vorhandene Hydren. »Und dennoch haben sie ihn verlassen?« Der Spacetrooper wirkte deutlich nervöser, als er es ohnehin schon gewesen war. Er begann, sich langsam auf der Stelle zu drehen, nahm dabei die Umgebung in Augenschein und behielt sein Gewehr auch dann im Anschlag, als er den Kreis vollendet hatte und innehielt.
»Ich glaube, ich weiß warum«, übersetzte der Translator ein Klackern und alle wandten sich zu Arliss um. Die Beraterin hatte eine ausdruckslose Miene aufgesetzt. »Auch die Hydren müssen ursprünglich Opfer – Nahrung – der Slide gewesen sein. Vielleicht hat sich ihre Hypnosefähigkeit als Abwehr gegen die Angriffe der Slide entwickelt. Und irgendwann war es dann soweit, dass sie ihre blitzartig aus dem Nichts auftauchenden Gegner einfach geistig überwältigen konnten. Der Weg zu weiterer Evolution war frei. Und später, viel später, mussten sie erkannt haben, dass man aus Feinden Sklaven machen und sie zu willigen Vehikeln züchten kann. Und für sich haben sie danach eine Welt gesucht, in der ihre Schlangenbrut und sie selbst keine Angst mehr vor Überfällen der Slide-Wesen haben müssen.«
Arliss ließ ihre Lippen flattern wie ein schnaubendes Pferd. Offenbar erkannte sie im gleichen Augenblick, dass bislang kein Mensch diese Mazzar-Geste kannte und sah sich genötigt, diese zu erklären. »Ich wollte mit meinen Lippen andeuten, dass ich erleichtert bin. Wenn meine Vermutung stimmt, dürften auf Kobold II wirklich keine Hydren mehr sein. Sie werden den Nachschub von Slide-Wesen aus eigenen Beständen nachzüchten. Sie müssen auf entsprechend große Exemplare zurückgreifen können. Die Phase mühseliger Aufzucht kleinerer zu großen Exemplaren haben sie längst überwunden. Und domestizierte und versklavte Slide dürften auf der anderen Welt auch für den Hydren-Nachwuchs keine Gefahr darstellen.«
Allen kam diese Erklärung logisch und nachvollziehbar vor. Dennoch schien nun die Landschaft bei aller Pracht deutlich an Glanz verloren zu haben.
Ohne dass sie es bemerkt hatten, war das räuberische Slide-Wesen wieder verschwunden und hatte die Reste seines schrecklichen Mahles einfach liegen lassen. Nur Caesar war aufgestanden und hatte mit einer Hand auf den Ort des Überfalls gedeutet und danach auf sich. Er wiederholte die Geste solange, bis Bérénice verstand.
»Lasst ihn gehen, Soldaten«, rief sie seinen Bewachern zu und hatte dabei eine Ahnung, was er dort wollte. Nachdem Arliss bestätigend ein paar Mal mit ihren Nickhäuten geblinzelt hatte, ließen die Mazzar den Gorilla gehen.
Ohne ein Wort des Dankes wandte sich Caesar um und marschierte mit gemessenen Schritten auf den Kadaver zu. Als er ihn erreicht hatte, stieß er mit einem Bein einige Teile des Kadavers an und schien etwas zu suchen. Schließlich fand er es, bückte sich und riss mit einem Ruck etwas aus dem zermalmten Schädel. Es war die Zunge des Panzerschweins. Das Slide-Wesen hatte seinem Opfer zwar in den Kopf gebissen und es damit augenblicklich getötet, sich dann aber über den Panzer und dessen Inhalt hergemacht.
Die Zunge stellte offensichtlich einen Leckerbissen für den Gorilla dar. Denn mit genussvollem Schmatzen stopfte er sich das Ding in sein Maul und kaute genüsslich darauf herum. Als er damit fertig war, drehte er sich Bérénice zu, hob grüßend die blutige Faust und ließ aus seinem bluttriefenden Hundemaul einen Ruf erschallen.
Der die Agentin aus Raum und Zeit riss …