Читать книгу Die Würde des Menschen ist ein Konjunktiv - Wiglaf Droste - Страница 12
ОглавлениеEltall, werde Mensch!
Zu Besuch im Kosmos Hotelgästebuch
Im Hotel am Schlosspark in Gotha hatte man mir das Gästebuch aufs Zimmer gelegt, und in Gästebüchern blättern ist ein Vergnügen voller Überraschungen. Gästebücher sind Unikate, es gibt bei aller rhetorischen Konfektioniertheit von Dank- und Grußnoten keine zwei, die sich ganz und gar gleichen. In Gotha begann das hoteleigene Einzelstück mit einem Foto und einem Eintrag von Chris de Burgh, der artig konstatierte, es sei »a pleasure to be in this lovely hotel«. Ihm folgten Ireen Sheer und Kim-Valerie Voigt, die »Miss Germany 2008«, die sich in rührender Jungmädchenhandschrift für den »super Aufenthalt« bedankte.
Die Schlagersängerin Andrea Berg hatte auf ihrer »Zwischen Himmel & Erde«-Tournee ebenfalls hier logiert; Himmel und Erde ist ein köstliches Gericht aus Kartoffeln, Äpfeln, Zwiebeln und Speck oder gebratener Blutwurst, aber von Andrea Berg möchte man sich das lieber nicht auf den Teller singen lassen.
Jäh fort von der Erde und hinein ins Weltall ging die Reise: Sigmund Jähn, den man 1978 als ersten Deutschen in den Orbit geschossen hatte, um alles potentielle intelligente Leben aus dem Weltraum zu vergraulen, hatte es in Gotha prima gefallen, und auch sein Westkollege, der Prä-Astronautiker Erich von Däniken, bedankte sich in seinem Gästebucheintrag »sehr herzlich!« und fasste sein Leben als Tip-und-Top-Wissenschaftler mit einem Zitat von Wilhelm Jensen zusammen: »Wer allen etwas vorgedacht, / wird jahrelang erst ausgelacht / Begreift man die Entdeckung endlich, / so nennt sie jeder selbstverständlich!«
Pierre Brice bedankte sich auf französisch für die »hospitalité«, die nichts mit Hospitalismus zu tun hat. Eine Dr. Franziska Rubin hatte ihr Kleinkind zwischen die Gästebuchdeckel gequetscht: »Flora (6 Monate) und ich haben wunderbar geschlafen (nicht selbstverständlich dieser Tage) und die geliehene Wimperntusche hat mir den Tag gerettet.« Es ist schon erstaunlich, was alles in den Rang einer Nachricht erhoben wird; die Autogrammkarte der Dame verriet allerdings, dass sie beim Fernsehen zu tun hat, und da wundert einen nichts.
Markus Maria Profitlich hatte neben seine Faxenkopfkonterfeis ein passend aufdringliches »Jederzeit wieder!« geschrieben; Christine Lieberknecht, Ministerpräsidentin Thüringens, war ganz im Gegenteil mit einer Frisur aus reinem Gusseisen abgebildet. Vielleicht handelt es sich um eine Vorsichtsmaßnahme, falls sie einmal ihrem Amtsvorgänger Dieter Althaus begegnen sollte?
Der letzte Eintrag stammte vom 14. Februar 2012. Ulrich Kienzle, Autor von »Abschied von 1001 Nacht. Mein Versuch, die Araber zu verstehen«, hatte »Ihr habt die Uhren, wir haben die Zeit!« notiert und ergänzt: »Bedenkenswertes arabisches Sprichwort«.
Stimmt das? Viele Araber, die ich bisher traf, fielen nicht nur durch reichlich Ringe und Goldkettchen satt auf, sondern auch durch nicht minder gut sichtbare Armbanduhren. Aber vielleicht war das Sprichwort schon älter und bezog sich auf Sand-, Wasser- und Blumenuhren? Oder hatte Kienzle sich vertan und eigentlich schreiben wollen: Ihr habt die Huren, wir haben nie Zeit?
Im Gothaer Gästebuch fand sich keine Lösung für das arabische Frühlingsrätsel, nur noch leere weiße Seiten folgten und strahlten mich an. Ich war an der Reihe, ich musste die Fackel, die Chris de Burgh entzündet und an so viele Persönlichkeiten weitergereicht hatte, in die Hand nehmen und mit Würde tragen. Und so schrieb auch ich ein bedenkenswertes arabisches Sprichwort ins Gästebuch:
»Es ist die Heilige Pflicht jedes Rechtgläubischen, die Welt mit radioaktiv angereichertem Koran zu belästigen und ihr mit Vernichtung zu drohen«, und dann unterschrieb ich als »Mammut Assassine Dschihad, Präsident des Uran«.
Ich bin gespannt, was der nächste Gast im Hotel am Schlosspark in Gotha darauf geantwortet haben wird.