Читать книгу Die Würde des Menschen ist ein Konjunktiv - Wiglaf Droste - Страница 9
ОглавлениеWer Apps appt, muss auch kuratieren
Manchmal staunt man wirklich noch die sprichwörtlichen Bauklötze. »Es gibt viele Apps zum Finden von Apps«, liest man und denkt, man habe sich schlecht verträumt. Aber es steht tatsächlich genau so da: »Es gibt viele Apps zum Finden von Apps«, und der kryptische Satz mit den zwei Apps hat sogar noch einen Appendix: »Es gibt viele Apps zum Finden von Apps, aber AppFlow sticht heraus.«
Ach so, es handelt sich um Reklame, und der zielgruppenferne Leser versteht bloß die Sprache der Anschnacker nicht? Insider-Code heißt auf deutsch Blinddarm und wird in Blindtext aufgeschrieben, in Wurmfortsätzen: »Die App hilft, andere Apps zu entdecken – in kuratierten und intelligent gestalteten Listen.«
So steht es, wörtlich, im redaktionellen Teil der Zeit, im Jahr 2012. Warum, weiß man nicht; möglicherweise zum Beweise dessen, dass die Formulierung »Qualitätsmedien« eine ebenso hohle Marketing-Türeintreterbehauptung wie ein altmodischer frommer Wunsch ist und damit eine umso krudere Mischung aus beidem?
So scheint es. Das »Burger King«-Magazin versucht jedenfalls ebenfalls, seiner Kundschaft Appetit auf Apps zu machen: »Wissen, was App-geht. Mit unserer App liegt die ganze Welt von Burger King zu deinen Fingerspitzen.« Die Welt, zu Fingerspitzen liegend, das ist die Welt digitaler Burger-Könige. Kein Wunder, dass sie ganz anders aussieht, riecht und schmeckt.
Der Autor des »Es gibt viele Apps zum Finden von Apps«-Diktums in der Zeit war, soviel steht fest, bei Niederschrift seines Textes immerhin schon 35 Jahre alt und hatte vorher in allerlei Qualitätsmedien volontiert oder sogar voltigiert, um öffentlich solche Sätze konstruieren zu können: »AppFlow ist eine nützliche und vor allem sehr ansprechend gestaltete App zum Entdecken von Apps. Dabei handelt es sich keineswegs um eine simple Suchmaschine. AppFlow ist vielmehr eine Sammlung kuratierter Listen von Apps zu bestimmten Themen.«
Das ist tiptop zusammengeflipflopter Werbergargel, da kann kein Qualitätsjournalismuskunde meckern. Der moderne Mensch stammt schließlich vom Appen ab; wenn das kein Fortschritt ist! Nur die Allzuwichtigvokabel »kuratiert« ist ein bisschen drüber beziehungsweise over the top. Kuratieren, kriegt man davon nicht diese Rückenmarkserweichung? Nein? Sondern nur eine gleichermaßen contentharte wie breiweiche Birne, die das Berufsbild des Kurators beschreibt, der im Film »KURATOR III – Jetzt zeigt er allen Aliens alles« ein leider sehr vorläufiges Ende findet?
Als mir ein Mann, dessen Arbeit mit den Worten »Ausstellungsmacher« oder »Galerist« zugegebenermaßen auch nicht schön beschrieben wäre, mit den Worten »Ich habe das hier kuratiert« seine Hand hinstreckte, hielt ich inne. Ob der Kerl sich nach dem Kuratieren auch die Hände gewaschen hatte? Man sieht es den Leuten ja nicht an, und gerade im Kunst- und Kulturbetrieb darf man von gar nichts beziehungsweise muss man von allem ausgehen.
Wie sagt es die Zeit: »AppFlow-Nutzer suchen nicht, sie browsen.« In die deutsche Sprache übersetzt heißt das: Wo einer im Ernst »Apps zum Finden von Apps« sucht, da waltet zuverlässig der Brausepöter. Falls Sie dieses schöne Wort nicht kennen sollten: Es beschreibt sehr freundlich den deutlich südlicher gelegenen der beiden Körperteile, die beim Menschen für das Windmachen zuständig sind.