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5.

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Eva

Wir saßen in der Küche, am Reste-Buffet vom gestrigen Abend. Die Glasschüssel mit dem Krabbensalat war leer, aufgeschleckt die letzte Sauce, Finger spuren Streifen, entlarvte Leidenschaft. In der Campari-Flasche war noch ein Rest; der reichte für eine Stunde noch, vielleicht, mit Wasser oder Orangensaft verdünnt etwas länger – genug Wein liegt noch im Kühlschrank, sagte sie dann, sie glaube, dass es fünf Flaschen seien, wenn nicht irgendeiner letzte Nacht eine heimlich mit nach Hause genommen hat.

Ich atmete tief durch, langsam und leise durch die Nase ein und noch langsamer wieder aus (sie sollte nichts merken), während ich, während sie sprach, mein Auge auf ihre Lippen legte und mich mit jedem ihrer Worte mitbewegte, auf und ab, beinahe interesselos schön. Als sie mich ansah und bemerkte, dass ich mich insgeheim ganz an ihren Mund geheftet hatte, hörte sie auf zu sprechen und lächelte mich an. Mein Herz begann zu puckern, wie lange schon nicht mehr. Ich schmolz beinahe vom Stuhl, mochte mich auf sie werfen, sie umarmen, küssen, an mich pressen, doch ich nahm mich zurück, drückte mich durch mich selbst in den Stuhl und hielt mich an meinem Glas Campari fest, weil ich wollte, dass sie aufsteht und zu mir kommt und mich umarmt und küsst und streichelt.

Der Geruch von Kartoffelsalat und Hähnchenschenkel drang in meine Nase, während ich das Gefühl hatte, als grabe ich mich in uns hinein, wusste für kurze Zeit nicht, warum ich es nicht machte, einfach aufstehen und sie berühren, fühlte aber dann, ganz stark, dass ich nicht mehr losgelassen werden wollte von ihren Augen, ihren Blicken und ihrem Lächeln, ihren weichen Lippen und all dem, für das ich keine Worte fand. Tausend Glassplitter ritzten mich auf. Mein Blut rann an mir herab und tropfte auf den Fußboden. Es bahnte sich einen Weg zu ihr, ein kleines rotes Rinnsal, und umsäumte ihre Füße, sie verschwanden darin, bis zu den Knöcheln eingetaucht, allein Gefühl, denke ich, eine Liebe, die lange sogar vor mir selbst geheim gehalten wurde, von der niemand etwas wusste, nicht einmal ich – außer Ines.

Immer schon traf ein, was sie über mich sagte, über mich dachte. Ines kannte mich immer schon besser als ich mich selber. Sie akzeptiert nicht, dass ich nicht viel, zu viel, von mir wissen will, dass die Tage, die Augenblicke, die Gedanken und Gefühle für mich nur Worte sind, die gelebt sein wollen, nicht gesagt, nicht erhofft, nie erwartet. Ines sagte von Anfang an – als ich Eva zum ersten Mal auf Karlas Geburtstag sah –, dass Eva und ich bestimmt mal was miteinander haben würden, vielleicht sogar über beide Ohren verliebt seien. – Gib acht, hat sie gesagt. – Du spinnst, habe ich damals geantwortet, natürlich halbherzig, was sie auch gemerkt hat. Man weiß doch, dass jeder, der du spinnst sagt, es halbherzig meint und sich eigentlich doch geschmeichelt fühlt.

Eva lachte. – Du bist doch betrunken, oder? meinte sie. Irgendwie fühlte ich mich tief getroffen, obwohl gar nichts Böses geschehen war. Sie hatte mich mit ihren Worten verschluckt. Und irgendwie war es gut so. Sonst wäre ich wirklich bis auf einen letzten Tropfen Blut (eine Träne für die Hinterbliebenen) weggeschmolzen und hätte nie mehr etwas von ihr gehabt, kein beseeltes warmes Lächeln, keinen manischen Blick, kein verschlucktes Wort.

Gegen Mittag, um eins, kam sie von der Küche aus in das hintere Zimmer, in dem wir übernachtet hatten, auf einer Matratze, eng aneinandergeschmiegt, und fragte mich, ob ich einen Kaffee wolle, ich solle mir aber eine Hose anziehen und den obersten Knopf zumachen, ihre Freundin Betta aus Frankfurt sei noch da. – Na klar, sagte ich und bin aufgestanden und mit geschlossener Hose in die Küche gegangen. Betta und sie saßen am Tisch und tranken heißen Kaffee. Eine leere weiße Tasse stand neben der Kaffeekanne, für mich. Lieb von ihr, dachte ich und schenkte mir ein. Schon nach dem ersten Schluck wurde mir schlecht. Diese verkaterte Schmierschicht klebte wie ein schimmelndes Spinnennetz in meinem Mund, zwischen den Zähnen, auf der Zunge, am Gaumen, überall. – Nein, sagte ich laut (mein drittes Wort an diesem Tag, in Bettas Gegenwart); beide sahen in mein verzerrtes Gesicht.

Den Tag mit Kaffee beginnen ist würdelos (mein erster Satz), und entdeckte, während ich mich nach etwas anderem umsah, über Bettas Schulter hinweg eine Flasche Sekt auf dem Kühlschrank: Rotkäppchen. (Es gibt Tage, da lächelt dich alles an, da ist alles eine Art Rettung.) Betta drehte ihren Oberkörper dorthin, umschloss den Flaschenhals fest mit ihrer Hand und schwang sie sicher über einige leere Dosen Bier hinweg, flügelleicht, zwischen ihre Oberschenkel, die sie aneinanderpresste. Die Neugeburt des Tages, prickelnd wie eine schöne Geste des Untergangs. Heute mal keinen Alkohol, habe sie gedacht, ja, es sich fest vorgenommen, fügte sie ungläubig hinzu. Eva schmunzelte nur, und wir stießen auf ihren Dreißigsten zum vielleicht vierzigsten Male an.

Man sollte sich dabei in die Augen sehen, sagte ich etwas schroff zu Betta, die überrascht aufblickte. Ich nahm einen kräftigen Schluck, ohne die beiden dabei anzusehen.

Sie wolle gegen halb zwei fahren, sagte sie, nach Koblenz, zu ihren Eltern – und fuhr, wie sollte es anders sein, gegen halb fünf, nachdem Eva auf die Uhr geblickt und sechzehn-uhr-achtunddreißig (oder sechszehn-hundert-acht-und-dreißig?) gesagt hatte. Ein letzter verschrobener Blick auf drei leere Sektflaschen, die auf dem Küchentisch standen, und sie bewegte sich, wie Frauen sich halt bewegen, wenn sie unwillig sind, zur Tür hinaus.

Und nun ist nur noch eine Pfütze Campari da, dachte ich, während die beiden ihren Abschied mit Gesprächsfetzen und wiederholten Bekundungen in die Länge zogen: ich ruf dich an, bestimmt, ich ruf dich an … Ein schüchterner Sonnenstrahl hatte sich auf meine Schulter gelegt; er leistete mir Gesellschaft, bis Eva zurück war.

Es war schön mit ihr. Wir saßen uns gegenüber und mochten uns alles sagen, was uns auf der Zunge lag. Kein Wort wurde müde, kein Satz zu lang, kein Blick zu begierig. Ob ich mir meine noch ungeschickt tapsende Liebe, na ja, wenn man’s so nennen will, eingestehen sollte, fragte ich mich, und fühlte, dass ich nach gar keiner Antwort verlangte. Ich mochte sie immerzu nur ansehen, ihre glatten Wangen, ihre Lippen, ihr langes Haar, das, von Eros heimlich gekämmt, ihr Gesicht noch offener erscheinen ließ, als es ohnehin schon war.

Wie lange geht das eigentlich schon so, mit unseren versteckten Gefühlen?

Ich erinnerte mich an einen Abend im Bundestag beim Korrekturlesen einer Plenarsitzung. Wir arbeiteten wie immer zu dritt, einer las laut vor und die anderen beiden suchten nach möglichen Fehlern. Eva las aus dem Manuskript vor, und Fabien, der Dichter, und ich versuchten uns zu konzentrieren. Es fiel mir schwer, denn ich musste sie, so wie jetzt in der Küche beim letzten Rest Campari, dauernd ansehen. Sie hatte den Stuhl, auf dem sie saß, zurückgeschoben, und stützte den vorgebeugten Oberkörper mit den Armen ab, die Ellenbogen dabei leicht in ihre Oberschenkel gebohrt. Vor ihr auf dem Tisch lagen die Manuskriptblätter eines Abgeordneten, der am Nachmittag seine Rede gehalten hatte. Das Haar hatte sie hinter ihre Ohren gesteckt; so konnte ich, von der Seite, ihr Gesicht sehen, die Lippen, die sich ganz leicht bewegten und leise die Wörter verrieten, an denen sie Zeile für Zeile vorüberfuhr. Auch ihre Nase bewegte sich hin und her, und von Zeit zu Zeit rieb sie daran, wenn sie juckte. Irgendwann sagte ich dann einmal, dass es bald also Geld gebe, worauf sie mich etwas verstört ansah und nur mmh machte. Ich hatte sie aus dem Lesefluss gebracht und entschuldigte mich dafür, ist so’n Sprichwort, sagte ich, wenn die Nase juckt, dann gibt’s Geld. Aber sie reagierte nicht. Ich bemerkte, dass es mir nicht gefiel, wenn sie mich so ansah, weder lächelnd noch liebevoll, und wusste in diesem Augenblick, dass sie mir mehr bedeutete als nur eine Vorleserin zu sein im Bundestag während der Arbeit. Ich begann außerdem, was mir auch erst jetzt auffiel, darauf zu achten, wie sie sich anzog. Denn mir gefiel, wenn sie eine enge Jeans trug mit einem passenden Shirt oder so was, und war enttäuscht, wenn sie ihre Formen in schwabbeligen Sachen verbarg.

Ich erzählte es ihr, erzählte ihr, an was ich gerade gedacht hatte, meine Gedanken im Bundestag, mein auf sie geworfenes Auge, zumal dann, wenn sie vorlas und nicht bemerkte, dass ich sie beobachtete, während sie gerade eine Flasche Wein aus dem Kühlschrank holte, den Plastiküberzug mit der Spitze des Korkenziehers aufritzte und abzog, um die Spitze des Gewindes in das weiche Holz zu bohren. Wir stießen auf uns an, auf den heutigen Tag und die, die noch folgen würden, zwei Wassergläser bis zum Rand mit Weißwein gefüllt, und sie begann – ahlealoh – mir ihre Liebe … nein, schade, nicht ganz … einzugestehen. Etwas stotternd (oder auch nicht) verriet sie mir, dass sie vor einiger Zeit – genau genommen vor vier Tagen – mit ihrer Freundin Thea über mich geredet habe und ihr dabei herausgerutscht sei, dass sie mich ein Stück weit liebe. Ich liebe dich ein Stück weit hat sie gesagt, dachte ich und wiederholte es im Stillen noch einige Male, einige Hundert Male!?

Ich wusste, dass ich diesen Satz nicht wieder vergessen würde, nie wieder, sagte ich mir, und fühlte mich in all den Bedeutungen dieses Wortes aufgehoben, einen halben Meter über dem Küchenboden schwebend. Immerhin hat sie das Wort liebe gebraucht, liebe gesagt, sie hätte ja auch sagen können mag dich sehr, oder etwas Ähnliches, aber sie hat liebe gesagt, liebe dich, mich also, ein Stück weit.

Schön, sagte ich nur, und wir sahen uns an. In diesem Moment hatte ich das Gefühl, dass sie froh war, etwas von mir zu hören, schön, ja, das genügte wohl schon, um sie an Land zu ziehen. Vielleicht fühlte sie in diesem Augenblick, dass sie zu viel gesagt haben könnte, mit dem Wörtchen liebe vielleicht zu weit hinausgeschwommen sei, in der immer größeren Gefahr, ertrinken zu können. Ein Stück weit, hat sie dann noch vor einer großen Verlegenheit, vielleicht sogar vor einer großen Dummheit gerettet, dachte ich, die Scham in dem Gedanken verborgen, wie man sich nur so hingeben könne, gleich am ersten Abend, egal wie viel man getrunken habe, eine Liebe (und wenn sie nur ein Stück weit ist) mache jeden Menschen zu einer Zielscheibe.

Glattes Eis, welch Paradeis für den, der gut zu tanzen weiß, sagte ich klar und deutlich, vor allem aber langsam, denn ich hatte schon viel getrunken. Vor einiger Zeit noch hatte sie gesagt, dass sie sich nicht verlieben wolle, zumindest jetzt nicht. Ein bisschen – das sei doch verständlich, nach einer zehnjährigen Beziehung mit einem Mann, den sie nie wirklich geliebt habe – fürchtete sie sich vor der Tretmühle ihrer Gefühle. Sie habe keine Lust mehr, eifersüchtig zu sein, sich in Reibereien aufzuzehren und immer nur beobachtet zu werden.

Ich stand auf, machte einen Schritt nach vorne, nahm ihren Kopf in meine Hände und gab ihr einen weichen Kuss auf den Mund. Sie erwiderte es, umfasste meine Handgelenke mit ihren Händen und lachte mich an, während sie sagte, dass sie nie gedacht habe, mir einmal so nah zu sein. Die Zeit, jetzt, zerfloss in mir mit der Schönheit des Gedankens, dass sie mich schon seit längerem in ihrem Herzen herumgetragen habe, vielleicht schon sehr lange, mitsamt dem Wunsch, mich einmal umarmen oder küssen oder lieben zu wollen. Ich spürte eine Art von Glück, beseelt von ihrer bloßen Anwesenheit, dem Rhythmus ihrer Wörter, ihres Klangs und ihres Körpers, der lang ausgestreckt auf dem Stuhl lag, den Nacken auf der Rückenlehne, den Kopf zur Decke gerichtet, zu mir hinaufschauend und meine ungefährliche Nähe genießend.

Doch ein wenig, ja, ein wenig – das fühlte ich sofort – war unsere Gemeinsamkeit überschattet von einer ungewissen List, einem Hinterhalt, der so vieles in sich hineinzog. Auf ihren Lippen spürte ich eine Ferne, eine gehemmte Leidenschaft, die mich ständig entführte, mich ständig in einen dunklen Raum zwischen uns warf, das Kellergewölbe eines Gedankens, der nicht anwesend und doch auch nicht abwesend war, weder Verfälschung noch bloße Einbildung. Evas Welt sollte mich nicht bergen. Vielleicht noch nicht. Ich war mir nicht sicher, und das quälte mich. Mein Leben war Fragezeichen genug, als dass ich in Gegenwart einer schönen Frau weiter so gekrümmt herumlaufen sollte. Und das nur, weil Ines in meinem Hinterkopf herumschwirrte. Wie eine geifernde Hexe, mit Krallenzähnen und lüsternem Blick, die Trübe, eine Leere, ausgezehrt und verheizt, nur noch darauf aus, mir eine Titte zu zeigen, ein Stück Schenkel durch den Schlitz ihrer Jeans, oder die Erinnerung an eine wilde Liebesnacht, schwer wie ein Klumpen Dreck, der dir im Hals stecken bleibt und den Atem nimmt.

Es gab Tage, da hätte ich zu ihr sagen können: Ich liebe dich. Doch es ist nicht schwer gewesen, es nicht zu sagen. Manchmal hatte ich es auf der Zunge liegen, und wenn ich spürte, dass es dort lag, dieses Ichliebedich, dann musste ich lachen, also nicht richtig lachen, eher schmunzeln, in mich hineinschmunzeln, ohne dass jemand anderes es bemerken konnte, wie auch, wenn es doch nur auf der Zunge liegt und man den Mund nicht aufmacht und ich selber nicht weiß, ob da wirklich was ist.

Es war, als wohnte ich meiner eigenen Entzweiung bei, ein Auseinandergehen von mir zu mir. Aber wie sollte ich einen anderen Menschen überhaupt lieben können, wenn ich nur mich liebte, und das vielleicht nicht mal richtig … fast so, als wäre ich einer philosophischen Wahrheit auf der Spur … wer die Wahrheit sagt, braucht ein schnelles Pferd … also halte ich lieber meinen Mund, allein auf weiter Flur, heimatlos mit zusammengekniffenem Unterleib – und am Tresen sitzend lasse ich den Kopf hängen und schaue an mir herab.

Was ist los, fragt sie mich, und ich sage, mit einer Stimme wie aus dem Untergrund, dass ich nur mal nachsehen wollte, ob ich noch einen Unterleib habe, zwei Beine und eine kleine Beule dazwischen, die manchmal etwas größer und dann wieder etwas kleiner wird bei dem ein oder anderen Gedanken an das eine oder andere Stück Fleisch, so, als habe man ins Weibliche selbst getroffen, mitten hinein, mit einem bloßen Gedanken, komisch, als gäbe es nichts Schlimmeres, nichts Schöneres, sprachloseres Hin und Her, die Einladung zur Gärungszeit deines Saftes, die nun wirklich untrüglichste Absonderung unserer Abgründe, tief unten, als wär’s ein Stück von mir selbst – und mir fällt zum Teufel noch mal ihre Telefonnummer nicht mehr ein, obwohl sie gar nicht so hässlich war, schon gar nicht nach vier oder fünf Bieren, einem Schnaps, Baileys mit Sahne, und wieder vier oder fünf Bieren.

Warum soll ich nur auf mich selbst hereinfallen, frage ich mich, und gestehe mir – zum wievielten Male schon – meine Liebe zu mir selbst ein.

Also … damals – und Eva lachte, und ich lachte, schmunzelte eher, und sie streckte mir ihren Mund entgegen, und ich … küsste sie, schaffte es aber nicht, meine Zunge in sie hineinzubekommen, in ihren Mund, zwischen ihre Lippen, die es mir nach innen gerollt verboten. Vielleicht ist es gut so, dachte ich, ließ ihren Kopf los und setzte mich wieder hin, auf den Stuhl neben den Tisch, neben das Campariglas, ach eigentlich neben mich selbst. Ich wusste: sie wusste: Ines: das Spukgespenst und zumindest Halb-Ideal meiner Erinnerungen in mir. Doch sie wusste nicht, dass es mir nur noch, oder vielleicht immer schon, von Anfang an, vom ersten Blick damals bei Iwan um ihren Körper ging, den ich bis zum Bersten begehrt habe und immer noch begehre, ihre Hüften, ihre Taille, ihre schönen Brüste – und bin in Gedanken wie eine Katze, die man mit der Schnauze in ihren eigenen Auswurf drückt, sofort bei ihr, bei Ines, wie ich mit ihr auf dem Sofa sitze und mich über Dinge unterhalte, die sich selbst gleichgültig sind. Sie wird müde. Sie zieht sich die Hose aus und legt dann ihren Kopf auf mein Bein. Ich sitze da wie an einer Bushaltestelle in einem verlassenen Dorf am Sonntagabend, les figures les plus profondes, bekomme nicht einen einzigen Gedanken in die Spur, und höre sie plötzlich schwerer atmen, ganz leise schnarchen. Sie schläft. Ich öffne mit einer Hand vorsichtig meine Hose und lege die andere auf ihre weite Hüfte, streichle sie, sanft, damit sie nicht aufwacht, und lasse mein immer größer werdendes Glied aus der Hose kriechen (indem ich die Hose mit dem Handrücken anhebe und es darunter hervorgleiten lasse) und beginne mit mir zu spielen, hin und her, her und hin, hin und her. Meine andere Hand kriecht unter ihr schwarzes Höschen und massiert ihre Haut, ihr weiches Fleisch. Ich reibe mich schneller und begieriger und beginne sie leicht zu kneifen. Sie räkelt sich, murmelt etwas. Meine Hände erschrecken und halten still. Dann atmet sie wieder, im gewohnten Rhythmus, Schlaf ein und Schlaf aus, und ich beginne von neuem mich zu enthäuten und zuzufassen, immer schneller und rastloser, bis ich davonfliege und mir alles egal ist, soll sie doch wach werden und entsetzt aufspringen und mich rauswerfen, die Hose baumelt an den Fußgelenken, als fessele sie mich wie einen Gefangenen.

Ihr Haar ist voller Sperma, ein Rest tropft von meiner Hand, klebt auf der Schwimmhaut zwischen Daumen und Zeigefinger. Ich trockne mich an ihrem Pullover ab und lehne mich zurück, vergrabe mein Ding, schlaff, wieder in der Hose und denke für einen kurzen Moment an nichts. Bald darauf wacht sie auf und sieht mich an. Ich bin ja eingeschlafen, sagt sie und reibt sich die Augen, während ich nicke und nichts sage. Ich will alleine sein. Sie steht auf, um – wie sie sagt – einen Kaffee zu machen, ob ich auch einen wolle. Ich nicke nur und sehe mein Sperma – wie fast mich selbst – an ihrem Hinterhaar kleben, und fühle mich unheimlich verlassen und verloren, als hätte ich mich tief in meinem Inneren verraten. Doch irgendwie tat es auch gut, es wird ein ewiger Moment unserer zerrissenen Geschichte sein. Und bleiben.

Introibo ad altari diaboli. Meine Faust, die mir oft, gerade jetzt, aus der Klemme hilft; umschließe dich und lass ihn wachsen, bis zum Hals und über die ganze Welt hinaus. Schon damals – wir waren gerade erst einmal zwei Monate zusammen – habe ich zu Ines gesagt, dass sie mich unbedingt zu ihrer Hochzeit einladen müsse, später, dann, wenn sie sich entschieden habe für ein Leben zu zweit, während ich mich an eine hoch aufgeschossene stolze Schöne mit unheimlich langen Beinen heranmachte. Bei einer schönen Frau mit langen Beinen muss ich gleich an Heiner denken, der an langen strammen Schenkeln, wie er immer sagt, kaputtgeht, die Vorstellung allein würde ihn zerreißen, wie er nackt auf dem Boden liegt, während sie mit ihren langen Beinen gespreizt über ihm steht und sich wie eine Göttin gebärdet und ihren warmen Saft auf ihn niederprasseln lässt, überall hin. Natürlich sagt Heiner nicht Urin, sondern Pisse, die Pisse einer abgöttischen Hure, die zum Himmel stinkt. Und ich stelle mir sein Gesicht vor, am Boden zwischen ihren Beinen, mit zusammengekniffenen Augen und einem weit geöffneten Mund, während ich seinen Brief neben meinen noch unbeschriebenen Blättern, an dich, Ulle, auf dem Schreibtisch sehe, liegen sehe, wie ein Stück Wahrheit, die auch etwas stinkt.


Morbus vitalis

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