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12. TRAUMA

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Es gibt drei verschiedene wichtige Aspekte, wenn wir über den lebendigen menschlichen Körper inklusive Schädel nachdenken. Der erste ist die Betrachtung der unwillkürlichen Physiologie, so wie sie ununterbrochen abläuft, mit ihren dazugehörigen mechanischen Aspekten. Hier beobachten wir die Flexion und Extension der Mittellinienstrukturen zusammen mit der Außen- und Innenrotation der paarigen lateralen Strukturen.

Der zweite wichtige Aspekt ist die Anpassung, die diese lebendige Struktur aufgrund von haltungsbedingten und diversen Belastungen durchführen muss. Dadurch entstehen Muster, die bei einer strukturellen osteopathischen Untersuchung bemerkt werden. Solche Muster sind beim Erwachsenen Ausdruck kleiner Strains, die zuerst in der Kindheit entstanden sind und sich später mit dem Wachstum vergrößert haben, das Phänomen des ‚krummen Zweiges‘.

Der dritte Aspekt sind die Traumen, im Sinne einer Verletzung durch die Einwirkung einer Kraft von außen auf den lebendigen Schädel. Falls sich der Kopf während der Übertragung einer solchen Kraft als Ganzes bewegen kann, werden die Auswirkungen auf den Mechanismus minimiert. Aber die Auswirkungen eines schwunghaften Impulses auf Trägheit (sobald also ein sich bewegendes Objekt auf ein stehendes trifft) zeigen ein Spektrum schwerwiegender Folgen und auch eine unbegrenzte Vielzahl damit verbundener Konsequenzen. Dieser kurze Vortrag von Dr. Sutherland vermittelt längst nicht alles, was er in den vielen Jahren seiner Unterrichtszeit zu diesem Thema zu sagen hatte.

Die Folgen eines Schädeltraumas sind in der osteopathischen Praxis sehr häufig anzutreffen. Strains im Bereich der kranialen membranösen Gelenke sind oft die Auswirkung von Operationen, die aufgrund eines anderen Problems durchgeführt wurden. Eine einfache Prozedur wie die Extraktion eines Zahnes kann ungewollt einen Strain des Gesichtsmechanismus oder sogar in der Fossa cranii posterior hervorrufen.

Die großen Verbesserungen im Transport verletzter Personen verhindern die vielen Sekundärverletzungen, die es früher noch häufiger gab. Man hat erkannt, dass ein verletzter oder bewusstloser menschlicher Körper unabsichtlichen Überlastungen eher ausgesetzt ist, weil der Muskeltonus, der die Gelenke sonst schützt, nicht arbeitet. Die Bänder erlauben unter solchen Umständen einen größeren Bewegungsradius, was dazu führen kann, dass es zu einem Strain durch Überbeanspruchung kommt.

In Notfällen, die vorrangige Aufmerksamkeit in einem anderen Bereich benötigen, gibt es häufig geringfügigere Traumen, die nicht vergessen werden sollten. Bei einem einzelnen Zwischenfall können oft viele Verletzungen auftreten. Ärzte müssen sich zuallererst um die dringendsten kümmern. Es gibt aber viele Folgeerscheinungen, die sich erst nach einiger Zeit manifestieren. Wenn sie nicht zu gegebener Zeit behandelt werden, können sie die Basis für spätere Beschwerden sein. Eine vollständige Untersuchung, welche all die kleinen, mit dem Unfall verbundenen Verletzungen berücksichtigt, sollte zum langfristigen Wohl des Patienten rechtzeitig durchgeführt werden.

Es gibt zahllose traumatische Folgen bei Unfällen, bei denen es um das Zusammentreffen eines schwunghaften Impulses und Trägheit geht. Zudem gibt es verschiedene Typen von Strains im kranialen membranösen Gelenkbereich aufgrund einer direkten äußeren Krafteinwirkung. Solche lokal begrenzten Geschehnisse müssen mithilfe lokaler Anatomie analysiert werden. Sollte hier auch noch mentaler und emotionaler Stress hinzukommen, werden die Auswirkungen noch verstärkt. ‚Schützengrabenschock‘ und heftige Erschütterung in der Umgebung sind ebenfalls äußere Kräfte, die sich auf den kranialen Mechanismus auswirken.

Wenn die Art der Entstehung eines traumatischen Zwischenfalls bekannt ist, wird bei der Benennung der Dysfunktion zunächst der Knochen genannt, der als erster von der äußeren Einwirkung betroffen wurde, und an zweiter Stelle dann der benachbarte Knochen. Zum Beispiel kann ein Schlag auf die Stirn das (die) Os frontale (Ossa frontalia) auf die Sutura coronalis zwischen die Ossa parietalia schieben. Das nennt man frontoparietale Dysfunktion. Erfolgte der Aufprall auf das Os parietale, spricht man von parietofrontaler Dysfunktion.

Als ich noch sehr jung war, hatte ich einen Bruder, Steve, der mich in Schwierigkeiten brachte. Er hatte die Gewohnheit, auf irgendeinen hohen Baum zu steigen und herunterzuspringen. Er landete leichtfüßig. Ich dagegen fiel auf meine Sitzhöcker. Wenn Sie aus größerer Höhe hinunterspringen und auf gestreckten Beinen landen oder auch wenn Sie hinunterfallen und auf Ihren Sitzhöckern landen, sind Sie beim Aufprall einem schwunghaften Impuls, der auf Trägheit trifft, ausgesetzt – und das nicht nur an einer Stelle.

Denken Sie an die Cisterna magna, an die Masse der Zerebrospinalen Flüssigkeit im Spatium subarachnoidale der Fossa cranii posterior. Wenn dort der durch Trägheit abgebremste Impuls ankommt, kann die Medulla oblongata in das Foramen magnum absinken, während das Cerebellum von oben darübersackt und die Zerebrospinale Flüssigkeit hinausgedrückt wird. Mit diesem Bild wird angedeutet, was bei einer solchen Art von Gelenkstrain im kranialen Bereich passieren kann. Man könnte sagen, dass das Cerebellum auf den vierten Ventrikel hinuntersackt und ihn komprimiert oder vielleicht, dass eine okzipitomastoidale Dysfunktion entsteht.

Drehen Sie die Wörter um und nennen Sie es eine mastoidokzipitale Dysfunktion. Dies ist eine andere Möglichkeit, da eine Kraft von außen auch zuerst die Ossa temporalia treffen kann. Man hat die gleichen Folgen. Es kommt zu einer Kompression in jenem wichtigen Bereich. Und was für ein träges Gefühl ergibt sich daraus. Sie werden dieses Problem (eine okzipitomastoidale Dysfunktion) auch bei vielen Patienten mit psychiatrischen Beschwerden antreffen.

Es gibt noch eine weitere Cisterna, die wir Cisterna interpeduncularis nennen. Sie liegt direkt über der Sella turcica. Ein Schlag von oben auf den Kopf kann dort eine ähnliche Kompression hervorrufen, welche die Flüssigkeit herausdrückt. Hier kann dies zu einer Einengung des Chiasma opticum führen. Manchmal wird dadurch die Retina des Augapfels beeinträchtigt und es kommt zu einem Papillenödem.

Die Membrana arachnoidea legt sich nicht wie die Pia mater in die Fissuren und Sulci des zerebralen Kortex. Diese Leptomeningen sind für die Verteilung der Zerebrospinalen Flüssigkeit an der Außenseite des Neuralrohrs zuständig. Die Membrana arachnoidea erstreckt sich über die Fissuren. Wenn es nun zu heftigen Vibrationen wie auf einem Kriegsschauplatz oder zu einer anderen heftigen Erschütterung kommt, blockiert diese Membran über dem zerebralen Kortex, der ja eine Konsistenz wie weicher Pudding hat. Daraus ergibt sich eine Störung der Fluktuation der Flüssigkeit im Bereich des Kortex. Bei Unfällen, bei denen es einen schwungvollen Impuls und dann einen Zusammenprall mit einem stehenden Objekt gibt, was ein ‚Schleudertrauma‘ mit sich bringt, gibt es normalerweise eine Erschütterung innerhalb des Schädels und einen Contrecoup-Effekt. Arbeit mit der Fluktuation der Zerebrospinalen Flüssigkeit, die den Normalzustand kurz nach so einem traumatischen Zwischenfall wiederherstellt, kann die Entwicklung eines postkommotionalen Syndroms verhindern. Zwar ist es auch noch lange nach einem Unfall möglich, den bei diesem Syndrom auftretenden Zustand zu verbessern, aber vorzubeugen ist besser.

Nehmen wir an, Sie bekommen einen Schlag auf das Os frontale in der Nähe des Angulus frontozygomaticus. Können Sie sich vorstellen, wie dies das kleine Os palatinum auf das Ganglion pterygopalatinum schieben kann? Je nach Richtung einer solchen Krafteinwirkung kann es zur Blockierung der sphenozygomatischen Gelenkverbindung in der lateralen Orbitawand kommen. Wenn der Schlag sehr heftig ist, kann es sogar zur Fraktur in der lateralen Orbitawand kommen. Solch ein Faktor in diesem Bereich kann auch die Bewegung des Os sphenoidale blockieren.

Man tut gut daran, die Tatsache zu berücksichtigen, dass die Pars petrosa des Os temporale nicht nur nach innen und außen in Relation zum Proc. basilaris des Os occipitale rotiert, sondern auch medial und lateral gleitet. Es kam schon vor, dass ein Golfball, der durch die Luft geflogen kam und auf dem mastoidalen Bereich des Os temporale genau hinter der Ohrmuschel landete, die Pars petrosa medial in die Schädelbasis schob. Daraus können komplizierte medizinische Probleme für den Patienten resultieren. Auf der anderen Seite kann ein Sturz, bei dem der Kopf mit der Squama occipitalis auf dem Gehsteig landet, zu einer Situation führen, in der das Os temporale lateral hinausgleitet. Die vorsichtige Anwendung des Prinzips der ausgeglichenen Membranspannung wird die prompte Wiederherstellung des Normalzustandes unterstützen. Der Patient wird über den plötzlichen Unterschied staunen.

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Im Folgenden sind anatomische Charakteristika aufgeführt, die normalerweise die Effekte von Gewalteinwirkung auf den Schädel minimieren:

1. Die Dichte und Beweglichkeit der Kopfhaut.

2. Die kuppelartige Schädelform, wodurch relativ starke Schläge ausgehalten werden und auch abgleiten können.

3. Die Anzahl der Knochen, wodurch sich normalerweise die Kraft eines Schlages verteilt.

4. Die Suturen, welche die Übertragung der Gewalteinwirkung unterbrechen.

5. Die Membran zwischen den Suturen, die bei kleinen Kindern als linearer Puffer fungiert.

6. Die Elastizität der äußeren Schicht.

7. Das Überlappen einiger Knochen (z. B. das Os parietale durch die Squama temporalis) und die wechselnde Abschrägung benachbarter Knochen (z. B. an der Sutura coronalis).

8. Das Vorhandensein von Rippen oder Leisten (z. B. von der Crista galli bis zur Protuberantia interna des Os occipitale, von der Nasenwurzel bis zum Proc. zygomaticus, vom temporalen Grat der Orbita bis zum Os mastoideum, von einem Os mastoideum zum anderen, von der Protuberantia externa bis zum Foramen magnum).

9. Pfeiler (z. B. Proc. zygomaticus und Ala major des Os sphenoidale).

10. Die Beweglichkeit des Kopfes auf der Wirbelsäule.65

Das große Sutherland-Kompendium

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