Читать книгу Vater und Klon - Wolf Buchinger - Страница 14
Liebe Mitchristen, bitte tief durchatmen!
Оглавление„Sehr verehrte Damen und Herren, liebe Mitchristen! Es ist mir eine Ehre, so viele Menschen hier in unserem schönen Kirchgemeindesaal begrüßen zu dürfen. Das Thema brennt offensichtlich auf den Nägeln, denn noch nie sind so viele Zuhörer zu unserer Diskussionsreihe „Christsein aktuell“ hierhergekommen.
Ich darf die Presse begrüßen, Herrn Vikar Hieronymus Kaspar vom naheliegenden Kloster und ganz besonders das chinesische Fernsehteam.
Noch nie hatten wir hier eine TV-Aufzeichnung, entsprechend nervös bin ich und hoffe, dass ich mein Outfit richtig gewählt habe und die Würde des Christentums weltweit vertreten kann.
Spontan, spontaner - Mister Paul. Erst vor kurzem haben wir uns kennengelernt und er hat sofort und ohne Vorbedingungen zugesagt, uns seine Erfahrungen, Wünsche, Gedanken und Hoffnungen zum Thema Klonen vorzutragen. Begrüßen Sie ihn mit einem herzlichen Applaus! Danke. Nach seinem Referat haben Sie die Möglichkeit, direkt mit ihm zu diskutieren.
Und vorweg wird unser verehrter Herr Präsident Sie noch sachlich-methodisch auf das Thema „Klonen“ vorbereiten. Herr Pfarrer, darf ich Sie ans Mikrofon bitten!“
„Danke, meine Liebe. Tja, liebe Freunde, die Welt hat ein neues Thema: Nicht Krieg oder Mord- und Totschlag, nein, es ist wohl zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit, dass wir uns nicht gegenseitig umbringen, sondern uns friedlich mit modernsten medizinischen Mitteln vermehren. Erlauben Sie mir, Ihnen einiges über die Grundlagen des Klonens näher zu bringen, damit wir alle eine Vorstellung davon bekommen, von demselben reden und denken und nachher unserem Referenten besser folgen können.
Der Begriff ‚Klonen‘ stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet so viel wie ‚Zweig‘ oder ‚Schössling‘. Der einfache biologische Begriff hat sich verändert. Heute versteht man darunter die Erzeugung eines genetisch identischen Individuums. Wir müssen ein neues Wort lernen: Das Erzeugen von identischen genetischen Kopien, der sogenannten DNA, wird ‚Klonieren‘ genannt. Alle Pflanzen haben die Möglichkeit des natürlichen Klonens, doch wir meinen ab sofort das künstliche Klonieren, um neue, erbgleiche Nachkommen zu erhalten. Sie alle haben sich wahrscheinlich, wie auch ich, erschrocken, als Sie die Bilder des wohl bisher berühmtesten Klons gesehen haben, dem schottischen Schaf Dolly. Die Unersättlichkeit des Menschen an dieser neuen Technik hat vor fast keinem Lebewesen Halt gemacht. Geklont worden sind bisher Hausmaus, Kuh, Schwein, Katze, Ratte, Pferd, Wolf und auch ein Affe.
Und nun, quasi als Krönung der Schöpfung, wird Herr Paul diese Liste vervollständigen. Zum allerersten Mal wird der Mensch Gott spielen und Wesen seinesgleichen eins zu eins in allen Facetten herstellen. Bald wird nicht nur ein Paul hier stehen, sondern wie zwei natürlich gezeugte eineiige Zwillinge Paul und sein Klon Raoul. Und wenn sie nicht zwei verschiedenfarbige Krawatten tragen werden, können wir nicht feststellen, wer das Original ist. Ihr Aussehen wird das gleiche sein, ihre Stimme, ihre Mimik, ihre Gestik. Die Forscher sind sich noch nicht sicher, ob sie auch gleich denken, bei Schafen und Ratten kann man so etwas ja nicht feststellen. In jedem Fall wird es ab sofort einen neuen Menschentypen geben, der uns vor gewaltige emotionale Probleme stellt: Ist dies dann überhaupt ein richtiger Mensch? Wen geben wir als Erzeuger an? Kann er eine Seele haben? Fragen über Fragen, Unsicherheiten über Unsicherheiten. Die Gesetzeslage ist weltweit gleich: Das Klonen von Menschen ist verboten und zu ächten. - Danke für Ihren wohlgemeinten Beifall! Doch was wäre die Welt ohne China! Dort gelten offensichtlich andere Regeln - oder vielleicht auch gar keine. Denn wie kann eine europäische Ärztin diesen großen Schritt wagen? Wir können es nicht beantworten. Begibt sich unser Nachbar, Herr Paul, nicht ins Ungewisse oder riskiert er sogar alles, wenn er als Versuchstier benutzt wird? Er hat sich selbst in der Presse mit Kolumbus verglichen, der nach Westen fuhr in der Hoffnung, eine kürzere Route nach Indien zu finden und hat stattdessen unwissentlich einen neuen Kontinent entdeckt? Herr Paul fliegt bald nach Osten und was er dort finden wird, ist die totale Finsternis des menschlichen und christlichen Daseins, keine Moral, keine Achtung vor dem Leben und damit keine Anerkennung von Gott. Er wird wie Kolumbus leiden müssen, er wird sein Ziel verfluchen, weil es elendig lang dauern wird, bis er etwas Greifbares haben wird. Er weiß hoffentlich, was ihm dort blüht! Ich habe mich bei einem befreundeten Arzt erkundigt, selbst ihm lief kalter Schweiß über’s Gesicht, als er schilderte, wie heute technisch kloniert wird. Sorry, Herr Paul, ich möchte es allen schildern, damit wir alle für Sie beten können: Ihnen werden in vielen schmerzhaften Schritten Hunderte von Zellen aus allen Teilen Ihres Körpers entnommen, die dann sogenannten Zwischenwirten - pardon, das sind meistens Schweine - eingesetzt werden, sich dort zu Miniembryonen entwickeln, die schlussendlich in einem hochkomplizierten und verlustreichen Prozess zu einem Ganzen zusammengesetzt werden. Es gibt kein Verfahren, mit dem man aus einem ausgewachsenen Tier oder Menschen ein neues, identisches, ausgewachsenes Wesen herstellen könnte. Vielleicht wird so durch Zufall der ideale Mensch erschaffen? Das war ein Scherz. Entschuldigung, eigentlich hätte ich jetzt mehr Grund zum Heulen.
Zum Schluss bleibt noch die ungewisse Antwort ...“
„M E N S C H E N S I N D K EI N V I E H!
K L O N E N I S T B L A S P H E M I E! “
„... oh bitte nicht! Sie haben ihre Drohung wahrgemacht und marschieren vom Marktplatz her zu uns. Meine Damen und Herren! Dieser Nachmittag wird nun wohl nicht den geplanten Verlauf nehmen! Wir werden von gewaltbereiten Chaoten attackiert und wir sollten das tun, was Christen in Bedrängnis seit zweitausend Jahren getan haben: Wir werden friedlich bleiben und uns mit unseren Liedern wehren. Die Veranstaltung ist ab sofort geschlossen, wer gehen will, gehe, wer bleiben will, singe laut mit:
Nun danket alle Gott mit Herze, Mund und Händen, der große Dinge tut … MENSCHEN SIND KEIN VIEH! … an uns und allen Enden … KLONEN IST BLASPHEMIE! … der uns von Mutterleib … KLONEN IST BLAS-PHEMIE! … und Kindesbeinen an unzählig viel zu gut… MENSCHEN SIND KEIN VIEH! … bis hierher hat getan. Der ewigreiche Gott …“
„Meine Herren! Meine Herren! Bitte lassen Sie uns in Ruhe und Ordnung unsere Veranstaltung zu Ende führen! Nehmen Sie bitte Platz und hören Sie zu, anschließend können wir miteinander alle Pro … bitte nicht, meine Her-ren! Bitte zertrümmern Sie keine weiteren Stühle mehr, das ist Eigentum der Kirche … ja, der Kirche … nein! Bitte nicht mit Stiefeln auf dem Flügel herumtrampeln! Wir werden Schadenser …“
„… woll‘ uns bei unserm Leben ein immer fröhlich Herz
… KLONEN IST BLASPEMIE! KLONEN IST BLASPHEMIE! BLASPHEMIE! BLASPHEMIE!
… und edlen Frieden geben. Und uns in seiner Gnad erhalten fort und fort und uns aus aller Not erlösen hie und dort. …
BLASPHEMIE! BLASPHEMIE!
BLASBLASBLASPHEMIE!
VIEHVIEHVIEH! VIEH! VIEH!
BLASPHIE! BLASPHIE! BLASVIEH! VIEH! VIEH!“
*Dear Mister Paul, wir müssen Sie retten aus dem Chaos Ihrer sogenannten Zivilisation! Zahlen Sie der Kirche den Schaden. Wir erwarten Sie übermorgen bei uns, Peter wird Sie instruieren und zu uns geleiten. Ihr Assistent bleibt.
Thanks. E.*