Читать книгу Hexenmedizin - Wolf-Dieter Storl - Страница 16

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Die Alte am Feuer – sie war mit ihrem Schatz an lebenslanger Erfahrung und überliefertem Wissen eine wichtige Ratgeberin der Gemeinschaft.

Die Frauen der archaischen Jäger- und Sammlerhorden, die mit ihren Kindern und weiblichen Verwandten die Wälder durchstreiften, um nützliche und eßbare Wurzeln, Beeren, Nüsse und Heilkräuter zu sammeln, erwarben über die Jahrtausende intime Pflanzenkenntnisse. Wie die Männer Kenntnisse über die Tiere, die sie jagten, erwarben, entwickelten die Frauen Sicherheit, was Standort, Wachstumsrhythmen, pharmakologische Eigenschaften und die transsinnlichen Aspekte der Vegetation betrifft. Selbstverständlich waren es die Frauen, die sich in den ersten neolithischen Dörfern um die domestizierten Gewächse, um das Bestellen der Beete und Äcker, um das Pflanzen, Säen und Ernten kümmern würden. Alles deutet darauf hin, daß – wie bei den Irokesen und anderen Pflanzervölkern in historischen Zeiten – die Felder den matrilinearen Clans gehörten und gemeinsam von blutsverwandten Frauen bearbeitet wurden. In solchen Gesellschaften oblag den Männern zwar die schwere Arbeit des Rodens und Pflügens, ansonsten jagten, faulenzten, zauberten und kommunizierten sie mit diversen Geistern und kümmerten sich um das Vieh – falls solches vorhanden war. Abgesehen von psychoaktiven Botanika, wie der Tabak bei den Indianern, die im Männerhaus und in der Visionssuche eine Rolle spielten, war das Wissen um Pflanzengeheimnisse und Pflanzengeistern vor allem Frauensache.

Verehrung genossen die Großmütter, denn sie waren aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung und als Trägerinnen von überliefertem Wissen wertvolle Ratgeber. So ist es noch immer bei den Naturvölkern: Ihre Kinder sind nun erwachsen, sie können sich aus der unmittelbaren täglichen Arbeit zurückziehen und haben Zeit und Muße zum Nachsinnen. Ihnen liegt die Gesundheit und das Wohlergehen der Hausbewohner wie auch der Stalltiere am Herzen. Wenn sich jemand verletzt, kennen sie das beste blutstillende Kraut. Sie wissen, wo die Wurzel wächst, die bei den Kälbern den Dünnschiss stoppt; sie sammeln den beruhigenden Tee für den zahnenden Säugling. Geburtskräuter, Liebeskräuter, Verjüngungskräuter kennen sie, und dazu den richtigen Spruch, damit die Pflanzen auch ihre volle Wirkung entfalten.

Jede Siedlung, jeder Clan hatte eine weißhaarige Alte, der die Ahnen- und Waldgeister oder auch die Göttin manch Geheimnis zugeraunt hatten. Salben kochte sie – sorgfältig rührend, Zauberworte murmelnd – im Schmalz des Bären, des Dachses, der Wildgans oder des Schweines aus den Kräutern, die sie, wenn der Mond richtig stand, gesammelt hatte. Heilende und berauschende Kräuterbiere wußte sie zu brauen, Kräuterwecken zu backen, Zauberpflanzenamulette zu binden und was sonst noch den Kranken Linderung und Gesundheit bringen würde. Manchmal genügte auch schon die Berührung ihrer runzeligen Hand und ein gutes Wort.

Auch um das Feuer, diese Gottheit, die da im Herzen des Hauses wohnt, kümmerte sich die Alte. Vor Sonnenaufgang noch fachte sie die Glut an, und – bei den Indianern ist es noch immer so – bat den Feuergott um Freundschaft und Schutz, erzählte ihm die Träume, die die Nacht schenkte.

Im Winter saß die Alte meist beim Herd, lauschte dem Knistern, Zischen, Knacken und Prasseln und hörte gelegentlich die Stimmen der Ahnen und der Geister darin. Und während sie allmählich in Trance geriet – das Wort kommt aus dem Lateinischen transire, »Hinübergehen« –, zog ihre Seele mit dem kringelnden Rauch den Rauchfang empor, um durch die Öffnung hindurch in andere Dimensionen hinein zu schlüpfen.

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