Читать книгу Die Zukunft der Kirche - Wolfgang Lück - Страница 11

Leitideen des evangelischen Kirchentums

Оглавление

Anders als der römische Katholizismus hat der Protestantismus keine Gestalt einer Weltkirche hervorgebracht. Die Kirchengestalt des Protestantismus könnte man eine Regional- oder Territorialkirche nennen. Die Kirchenleitung einer evangelischen Kirche ist in ihren Überlegungen nicht auf die ganze Welt, sondern auf eine Region, oftmals ein Territorium innerhalb eines Staates bezogen. Während Rom sich mit den Auffassungen von Mitgliedern und Amtsträgern aus den verschiedensten Kulturkreisen und politischen Systemen, d.h. den verschiedensten Kontexten, auseinander setzen muss, kann beispielsweise Bielefeld (Evangelische Kirche von Westfalen) sich auf den Kontext des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen beschränken. Diese Unterscheidung ist schon von der Reformationszeit an kennzeichnend gewesen. Der Begriff der Landeskirche zeigt an, dass sich diese Art der Kirchengestaltung an einem Territorium, einem Land, orientiert. Solche Kirche ist eine Kirche in einem oder für einen bestimmt umgrenzten Raum. Die räumliche Gliederung der Kirche hat in Deutschland ihre Anfänge in der karolingischen Zeit. „Sämtliche Christen, die innerhalb eines fest umrissenen Bezirks lebten, sollten durch einen für sie zuständigen Priester betreut werden“ (Roosen 1997, S. 22). Zweifellos war damit auch ein Programm verbunden. Die Christianisierung Deutschlands sollte administrativ gefestigt und gesichert werden. Das Christentum wurde flächendeckend eingeführt. Mit dieser Maßnahme ist noch nicht der Begriff der Landeskirche verbunden. Hier wird lediglich erst einmal ein System entwickelt, das ganze Territorien lückenlos erfasst (Landau TRE 19, S.137). Die Landeskirche ist eine Weiterentwicklung dieses Systems in der Reformationszeit.

Luther ging es nicht nur um eine lückenlose religiöse Versorgung der Bevölkerung, sondern um eine Vertiefung und Verinnerlichung des christlichen Glaubens. Seine „deutsche Messe“ sollte der „öffentlichen Reizung zum Glauben und zum Christentum“ dienen. Es sollte nicht mehr genügen, dass man die Messe besuchte. Es sollte nicht mehr darum gehen, nur dabei gewesen zu sein. Vielmehr sollten die Menschen auch verstehen, was sie sahen und hörten, sollten sich die Angebote, die Lehren und Gebote der Kirche auch selbst zu eigen machen (Roosen 1997, S. 23). Luther schrieb die Katechismen, mit deren Hilfe die Hausväter ihre Hausgemeinde fortbilden und in Sachen Glauben zu einem angemessenen Verständnis bringen konnten. Er wollte das Volk erreichen. Er setzte auf die Menge der Menschen. Jede einzelne und jeder einzelne sollte Trägerin und Träger des Glaubens sein. So wendet er die Glaubenssätze der Kirche auf jede und jeden einzelnen an. Jetzt heißt es nicht mehr nur „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, Schöpfer Himmels und der Erde...“. Jetzt heißt das vor allem auch: „Ich glaube, dass mich Gott geschaffen hat samt allen Kreaturen, mir Leib und Seele, Augen, Ohren und alle Glieder, Vernunft und alle Sinne gegeben hat und noch erhält; ...“ Die Menschen sollten begreifen: Der Glaube ist nicht nur eine Sache der Kirche oder des Staates, sondern er ist eine Sache, die mit jedem einzelnen zu tun hat. Das war ein gewaltiges Erziehungs- oder Bildungsprogramm. Zu dessen Unterstützung und Umsetzung wandte sich Luther an die Verantwortlichen in den Kommunen genauso wie an die Obrigkeiten in den deutschen Landen. Luther forderte den Schulbau wie die Wiederherstellung oder Aufrichtung einer christlich verantwortbaren moralisch-sittlichen Ordnung. „Wer aber das ganze Volk erreichen wollte, und Luther wollte das ohne Zweifel, der brauchte die Loyalität der Fürsten, und diese Loyalität hatte ihren Preis. Der Preis, der zu entrichten war, war das landesherrliche Kirchenregiment“ (Roosen 1997, S. 26). Luther und Melanchthon definierten den Gedanken der Verantwortung der weltlichen Obrigkeit für das Bekenntnis und das Kirchenwesen (cura religionis) neu. Danach war zu unterscheiden: „In ihrem weltlichen Amt soll die Obrigkeit kraft göttlicher Einsetzung die Welt als Gottes Schöpfungsordnung bis zum jüngsten Tage erhalten ... So obliegt ihr auch der äußere Schutz der kirchlichen Funktionen, Kirchendiener, Kirchengüter der Kirche Jesu Christi vor der Unterdrückung der reinen Evangeliumspredigt ... Aber die Obrigkeit ist dabei auf diese äußere weltliche Schutzaufgabe beschränkt“ (Heckel RGG, Bd 2, Sp. 505). Die Reformatoren lehnten ein landesherrliches Kirchenregiment ab. „Aber den Christen im obrigkeitlichen Amt trifft kraft seiner Gliedschaft in der Kirche (als membrum praecipuum ecclesiae, nicht kraft seiner weltlichen Gewalt!) beim Versagen der Bischöfe als der an sich zuständigen kirchlichen Instanzen die Pflicht zum brüderlichen Hilfs- und Notdienst bei der Kirchenreform im Sinn evangelischer Wahrheit, Freiheit und Bruderliebe“. Dieser Notdienst soll im Konsens, ohne Zwang und Anspruch auf Gehorsam für die reine Evangeliumsverkündigung, die Beilegung von Lehrstreitigkeiten, die Ordnung des Gottesdienstes, die Berufung der Prediger und die Durchführung der Visitationen sorgen. Dieser „Notepiskopat“ steuerte die Kirche noch nicht nach den Vorgaben des Staates. Staat wie Kirche blieben beide auf das Land bezogen, dem ihre Bemühungen galten. Doch bereits seit dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 und der Formulierung neuer kirchenrechtlicher Theorien für das Episkopal- und Territorialsystem wurden diese Unterscheidungen weitgehend zurückgedrängt zugunsten eines protestantischen Staatskirchentums, das dem Staat nach dem Prinzip des cuius regio – eius religio auch die Macht über den Bekenntnisstand seiner Bürgerinnen und Bürger einräumte. „Die cura religionis galt danach als staatsrechtlich begründeter Annex bzw. als Bestandteil der landesherrlichen Territorialgewalt“ (Heckel RGG Bd 2, Sp. 506). Die Fürsten wurden in Kirchendingen nicht mehr als Kirchenmitglieder tätig, sondern das Kirchenregiment gehörte zu ihren staatlichen Aufgaben und Rechten. Die Kirche wird vom Staat gesteuert. Die Symbiose von Kirche und Staat wird erst in der Aufklärungszeit wieder aufgelöst. Das Kirchenregiment ist nicht mehr eine Sache des Staates. Vielmehr gewinnt der Gedanke des contract social (Gesellschaftsvertrag) an Bedeutung, nach dem die Bürgerinnen und Bürger sich in persönlicher Autonomie zur Verfolgung ihrer Interessen zu besonderen Vereinigungen zusammenschließen können. Von diesem Gedanken ist das preußische Allgemeine Landrecht von 1794 bestimmt. Danach verbinden sich die Bewohner eines Staates zum Zwecke der Religionsausübung zu „Religionsgesellschaften“. Diejenigen Religionsgesellschaften, die öffentliche Gottesdienste halten wollen, werden „Kirchengesellschaften“ genannt (Lück 1978, S. 18). Von hierher datiert der Status der Kirchen als Körperschaften öffentlichen Rechts. Der § 17 des Allgemeinen Landrechts bestimmt: „Die vom Staat ausdrücklich aufgenommenen Kirchengesellschaften haben die Rechte privilegierter Corporationen“.

Mit der Aufklärung lockert sich das staatliche Kirchenregiment. Gleichwohl bleibt es bei der Staatskirche. Der Staat hat ein Interesse an einer funktionierenden Kirche. Er braucht sie zur Integration der Gesellschaft. Religion ist für ihn ein Instrument zur Verhaltenssteuerung der Bürger. Der Teil der Religion, der die allgemeinen Bürgerpflichten einübt, bleibt Staatsaufgabe. „Alle Staatsdiener sollten selbstverständlich ‚Religion haben und damit ihre Treue zum Staat unter Beweis stellen. Der Landesherr sollte selbst für die gleichmäßige und flächendeckende Versorgung des Landes mit Pfarrstellen sorgen“ (Roosen 1997, S. 47). Von daher gesehen war es notwendig, dass die Pfarrer Staatsbeamte waren. Eine feste staatliche Besoldung wurde dementsprechend eingeführt Da man von der Pfarrerschaft ohnehin pädagogische Leistungen erwartete, war es im Sinne dieser Erwartungen auch logisch, dass die Pfarrer fest in das staatliche Schulsystem einbezogen und mit dessen Aufsicht betraut wurden. Diese Konstellation wurde erst 1918 beendet.

Ob nun Landeskirche oder Staatskirche – beide Konstrukte gehen von der Zugehörigkeit aller Einwohnerinnen und Einwohner des entsprechenden Territoriums zu dieser Kirche und davon aus, dass sie sich eigentlich auch nach deren Regeln verhalten müssten. In Deutschland gilt hier zwar seit dem dreißigjährigen Krieg das Prinzip der Bikonfessionalität. Doch ändert das im wesentlichen nichts. Die Erwartung, dass alle Bürgerinnen und Bürger „Religion“ haben müssten, wird dadurch nicht tangiert. Konfessionslose sind in diesem Denkzusammenhang nicht vorgesehen. Kirchenaustritte sind ein Systembruch. Aus der Kirche in diesem Verständnis kann man im Prinzip nicht austreten, genauso wenig wie man aus dem Staat austreten kann. Es gibt demzufolge für die einzelnen auch keine Wahlmöglichkeit. Die Wanderungsmöglichkeit zwischen den Konfessionen ist unbedeutend, weil man sich ja immer noch im Bereich der staatlich anerkannten Religionsgemeinschaften bewegt. Weil die beiden großen Konfessionen Landes- oder Staatskirchen sind, haben sie gewissermaßen auch das Religionsmonopol. Genau wie es für einen Ort nur einen Bürgermeister gibt und geben kann, gibt es in einem Ort nur einen Pfarrer, gegebenenfalls zwei, wenn es die jeweilige Konfessionsstärke zulässt. Vielfach wird die Kirchengemeinde in kirchlichen Kreisen durchaus noch als die unterste Organisationsebene im Gemeinwesen begriffen. Individualität und Pluralität in Sachen Religion ist nicht vorgesehen. Wer eine Amtshandlung an einem anderen Ort vornehmen lassen will als seinem Wohnort oder durch einen anderen Geistlichen als den für ihn oder sie zuständigen, braucht ein Dimissoriale, eine amtliche Erlaubnis für dieses Abweichen von der Regel. Wenn die kirchliche Organisation sich noch immer weithin an der Parochie, diesem untersten territorialen Zuordnungsprinzip, orientiert, dann ist sie nach wie vor von Vorstellungen staatskirchlicher Natur gelenkt. Auch die Parallelisierung von kirchlicher und öffentlicher Verwaltung bis hin zu der kameralistischen Haushaltsführung kann man dem Motiv nach kaum anders verstehen als in seiner Herkunft aus dem Staatskirchenmodell. Entsprechendes lässt sich hinsichtlich der Verrechtlichung des Kirchenwesens mit Gesetzen, Rechts- und Verwaltungsverordnungen usw. beobachten. Es ist zwar nicht mehr der staatliche Souverän, der die Kirche steuert, wohl aber das Modell des Staates in den kirchlichen Organisationsformen. Damit soll nicht gesagt werden, dass die evangelischen Landeskirchen im Deutschland des 21. Jahrhunderts de facto Staatskirchen seien. Aber sie haben Momente des Staatsgedankens, an dem sie sich nach wie vor orientieren. Selbstverständlich gibt es auch andere Orientierungsmarken.

Bereits im 19. Jahrhundert kam der Begriff der Volkskirche auf. Man wollte sich am Volk orientieren, auf das Volk hin Kirche sein. Das Volk sollte die Kirche steuern als Grundsatz aber durchaus auch im Sinne von Herrschaft. Friedrich Schleiermacher hat den Begriff nach 1820 geprägt. Er wollte damit nicht eine kirchliche Realität beschreiben. Für ihn war Volkskirche ein Programmbegriff. In einer Zeit, in der die Kirche infolge von Aufklärung und Industrialisierung zumindest den inneren Abschied großer Teile der Bevölkerung erfahren musste, sollte eine Hinwendung zum Volk Besserung bringen (Huber 1979, S. 169). Das war eine Absage an die Staatskirche. Die Kirche sollte sich nicht mehr von Staatsinteressen leiten lassen, sondern sich aus der Sicht des Volkes sehen lernen. Die Kirche sollte sich als Kirche aller verstehen. Bei Johann Hinrich Wichern bekommt der Begriff später eine andere Wendung, wie es etwa im Wort Volksmission erkennbar ist. Die Kirche will das Volk für sich gewinnen, sie wollte „Kirche für das Volk“ sein. Zeitweilig konnte Volkskirche auch gleichbedeutend mit Nationalkirche sein. Bei Richard Rothe zeigt sich eine Tendenz hin zu einer Kirche, die ganz im Volk, oder besser: in der Gesellschaft aufgeht (Mette 1982, S. 16f.). Wolfgang Huber hat die verschiedenen Varianten des Begriffs zusammengestellt: „Volkskirche ist Kirche durch das Volk.“ Sie ermöglicht allen die Partizipation. „Volkskirche ist Kirche hin zum Volk“. Sie will das Volk christlich durchdringen. „Volkskirche ist die Kirche eines Volkes“. Sie ist Nationalkirche. „Volkskirche ist Kirche für das Volk.“ Sie gewährleistet die flächendeckende religiöse Versorgung. „Volkskirche ist Kirche für das Volksganze.“ Sie umfasst die ganze Gesellschaft in allen ihren Gliederungen und Schichten (1979, S. 170f). Neu virulent wurde die Diskussion um die „Volkskirche“ 1918 nach dem Wegfall des landesherrlichen Kirchenregiments. Jetzt musste geklärt werden, wer die Kirche leiten sollte. Das Wort Volkskirche signalisierte damals, dass man weiterhin an dem Prinzip der Flächendeckung festhalten wollte und daran, dass man in die Kirche gewissermaßen genauso hinein geboren wird wie in das Volk. Diese beiden Elemente gewährleisteten die Kontinuität mit der vorauf gehenden Phase der Staatskirche. Die Kirche wollte und sollte weiter die Kirche des ganzen Volkes und der ganzen Gesellschaft sein. Sie sollte der Öffentlichkeit verpflichtet sein und erhob ihrerseits Anspruch auf die Öffentlichkeit. Praktisch führte das dazu, dass man möglichst viel Garantien vom Staat für das Einwirken auf die Gesellschaft zu bekommen versuchte. Der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, der Religionsunterricht in den Schulen, das Subsidiaritätsprinzip usw. verdanken sich diesem Bemühen um eine Volkskirche im Sinne einer Kirche für die ganze Gesellschaft (Raab 1966, S. 125f). Eine weitere Diskussion um die Kirchenstrukturen, die mit dem Begriff der Volkskirche geführt wurde, entspann sich in den 70er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts. Die Diskussion entstand an der Erfahrung, dass die eine Gesellschaft, auf die man sich als Kirche bezog, sich ausdifferenzierte und plural wurde. In der Kirche entstanden eine ganze Anzahl von Diensten, die dieser Ausdifferenzierung zu entsprechen suchten. Wie sollte die so entstehende Vielfalt kirchlicher Praxis verstanden werden? Wie konnte sich Pluralität mit der Einheit der Kirche vertragen? Der Theologische Ausschuss der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands argumentierte: „Wenn nun einer behauptet, das Evangelium sei nur je und je in punktuellen Akten bruderschaftlichen Zeugendienstes zur Sprache zu bringen und das kirchliche Amt sei in eine Vielzahl einzelner Funktionen aufzuteilen, die verschiedenen Fachleuten zu übertragen sind, so muss dem widersprochen werden, weil damit die Einheit stiftende Kraft der Evangeliumsverkündigung verdunkelt wird“ (Volkskirche 1977, S. 26). Das Amt bleibt das eine Amt. Die Kirche bleibt die eine Kirche. Aber sie ist gegliedert, weil sie Verantwortung trägt für alle Bürger des Gemeinwesens und für alle Berufe und alle Mandatsträger usw. Niemand darf draußen bleiben. „Gerade die Volkskirche ist deswegen ein gegliedertes und differenziertes Miteinander von verschiedenen Verantwortungsbereichen“ (S. 28). Die Volkskirche ist die Orientierung der Kirche an der Gesellschaft, genannt Volk, nachdem die Orientierung am Staat nicht mehr möglich war. Auch für die EKD ist klar, dass sich die so orientierte Kirche wandeln muss, wenn sich die Gesellschaft, also ihr Bezugspunkt, wandelt. „Die pluralistische Struktur der Öffentlichkeit, allgemeiner noch: die gesellschaftliche Differenzierung, spiegelt sich natürlich gerade in der Volkskirche wider, weil dieser mit geringen Einschränkungen die Bevölkerung in ganzer Breite angehört“ (Thema Volkskirche 1978, S. 133). Mit dem Begriff der Volkskirche verband man in dieser Diskussion die flächendeckende kirchliche Versorgung. Dazu gehörte eine neue Wertschätzung der Amtshandlungen, die Rechtfertigung der besonderen Beziehungen zum Staat, der Religionsunterricht, die Kirchensteuer usw. Und dazu gehörte auch die Legitimierung von Pluralität in den eigenen Reihen. In der Diskussion der siebziger Jahre beginnt man Pluralität als Reichtum zu begreifen. Man sieht in der entstandenen Offenheit eine Möglichkeit für Fortschritt. In Ostdeutschland wird die Kirche als Lerngemeinschaft begriffen. Aus der ökumenischen Bewegung wird der Gedanke der Konziliarität übernommen. Die Einheit der Kirche besteht gerade darin, dass man als Verschiedene miteinander im Gespräch bleibt.

Das Problem der Individualisierung taucht noch kaum auf. Man denkt noch in den Kategorien der Versorgung und des Betreuens der Mitglieder. Norbert Mette urteilt: „Dass die Betreuten von heute auf morgen ihre Sache selbst in die Hand nehmen, ist nicht zu erwarten. Im Gegenteil, viel deutet darauf hin, dass gerade solche, die Eigeninitiative zu entwickeln in der Lage wären, sich mittlerweile – wie sie sagen – relevanteren Aufgabenfeldern zugewandt haben, als dass sie sich weiterhin im innerkirchlichen Kleinkrieg verschleißen lassen. Zurückgeblieben sind weitgehend jene, die in der Kirche den Raum der Geborgenheit suchen, den ihnen ihre gesellschaftliche Umwelt nicht mehr bietet“ (1982, S. 102). Die EKD scheint die Lage ähnlich einzuschätzen. Sie verweist darauf, dass die Kirche sich in der Vergangenheit dominant und direktiv verhalten habe und deshalb von den Mitgliedern jetzt nicht viel Interesse an einer aktiven Beteiligung zu erwarten hätte. Dennoch könne die Volkskirche etwas tun. „Die Veränderungen, in die sie gestellt ist, erfordern, dass sie neben der bewussten Pflege ihrer überkommenen ‚Versorgungsstruktur ihre ‚missionarische Struktur ausbaut und festigt. Mission bedeutet immer Auseinandersetzung mit Fremdem, Neuem, Unvertrautem“ (Thema Volkskirche 1978, S. 77). Die Mitglieder als einzelne sind der kirchlichen Organisation noch fremd und unvertraut. Darf man den Satz über das Wesen der Mission so verstehen? Jedenfalls kann man nicht behaupten, dass es die Mitglieder sind, die mit ihren Interessen, Einstellungen und Erwartungen die Kirche steuern.

Die Zukunft der Kirche

Подняться наверх