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Stoßrichtung Atlantik

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Die Stundenkilometer rollten nur so ab unter unsern Gummis, und wir sind nur abgestiegen, wenn‘s unbedingt nötig war - zum Tanken oder um ‘nen Happen zu essen. Nach all dem Drogenblödsinn wollten wir uns beweisen, dass wir auch anders konnten.

Die Straßen war‘n ausgezeichnet, der Kraftverkehr erträglich, und die folgende Übernachtung auf ‘nem gepflegten Campingplatz verlief ohne jeden Stress. Dieter hat gezeigt, dass er ‘ner Bratpfanne was Bekömmlicheres entlocken konnte als Höllendunst und Hexenqualm; der hat uns ‘n paar Klopse gedreht, als hätt er im Leben nichts anderes gemacht. Da wurd‘s uns so richtig wohl am Abend, und wir haben prächtig gepennt. Bisschen bunt sind unsre Träume noch gewesen - von Luftreisen und Eilzügen und allerlei Krauszeugs - doch dann war‘n sie endgültig verflogen, die letzten Schatten von Hyoscyamus niger.

Was anfing, uns so sachte auf den Keks zu gehen, das war das Wetter. Das kam nämlich von Westen heran, vom Atlantik, und führte den Herbst im Gepäck; und der bremste unsren Elan mit Wassersturz und Gegenwind.

Es war ‘ne knappe Stunde vor Tours, da braute sich da oben was zusammen, das versprach mehr zu werden als nur ‘ne Dusche, das sah nach ‘nem mittleren Weltuntergang aus. Kein Dach in Sicht, keine Brücke, noch nicht mal ‘n Laubschirm.

Als es losbrach, blieb uns nichts übrig, als anzuhalten und die Sache auszusitzen. Der Regen kam nicht nur wie wild vom Himmel heruntergepeitscht, der kam von vorne, von hinten, von der Seite - sogar von unten ist er raufgespritzt, so dass wir im Nu durchnässt war‘n wie die Bisamratten. Unsere Kutten versagten kläglich, die haben sich vollgesogen wie Schwämme, so dass wir bald ‘ne halbe Tonne wogen, als wir wieder aufsaßen. Muss ‘n Anblick für die Götter gewesen sein, als wir in die Stadt eingezogen sind.

Na, da sind wir, so wie wir war‘n, erst mal in die Kirche rein und haben uns ‘n bisschen verschnauft und abtropfen lassen. Wie wir uns in die Kirchenstühle zwängen und unsere klitschigen Camembertstullen rausholen und reinbeißen wollen, kommt so ‘n leichenfingeriger Kirchendiener ran, verbeugt sich diskret und sagt auf Deutsch: »Ein ganz klein wenig Geduld noch, der Meister kommt gleich.«

Wir sagten: »Schönen Dank, wir können warten«, und hatten keinen Schimmer, was der wohl meinte. Der Diener zog ab und verschwand hinter der Orgel. Hat sich da bestimmt einen mit Messwein aufgegossen. Wir hingegen mampften unsere Käsestullen und feixten uns eins und warn am Tropfen wie ‘n leckes Fass. Um unsere Füße herum blühten dunkelrote Flecken auf dem hellroten Samtteppich.

Plötzlich ruft einer: »Pst!« und ‘n anderer: »Pscht!« - und da klappt irgendwo ‘n Deckel, und auf der Empore flammen Lichter auf. Und ohne jede Vorwarnung fing ‘n Monstrum von Orgel an draufloszubrüllen. Der Kirchendiener kam wieder hervorgeschlichen und nickte siegesgewiss zu uns herüber und hob dabei seinen knotigen Finger.

Was der Meister dort oben mit seiner Orgel anstellte, war der Hammer! Keine Pfeife, kein Register war dem gewachsen. Ich und Dieter konnten nur noch schreiend miteinander reden. Bei den Basstönen hatt ich ‘n Gefühl im Wanst wie nach drei Pfund Sauerkraut und fünf Litern Äppelwoi. Und hätt Dieter ‘ne Brille aufgehabt - sie wär ihm glattweg beschlagen, wenn nicht in tausend Stücke zersprungen. Immer mehr Register zog der Meister, pedalte und manualte, dass die Buntfenster in ihren Bleirahmen klirrten und das Weihwasser zu kochen begann.

Wir war‘n so geplättet, dass wir das Kauen vergaßen und mit dicken Backen wie gelähmt dahockten. Der Schweiß der Ergriffenheit sickerte uns aus sämtlichen Öffnungen; Dieters linke Hand bekam ‘nen Zitterich, den ist er erst drei Tage später wieder losgeworden. Wir hielten das nicht länger aus; wir stopften unsere halb aufgefressenen Brote in die Taschen zurück und stürzten ins Freie, am Kirchendiener vorbei.

Der schreit uns verwundert hinterher: »Vidor - Symphonie Nummer 5 - so warten Sie doch, meine Herrschaften - es kommt noch dicker!«

Zum Glück war inzwischen die Sonne rausgekrochen und brannte uns aufn Pelz. Wir raus aus der Stadt und auf der Landstraße weiter südwestwärts. Sah ulkig aus, wie uns der Dampf aus den Klamotten gestiegen ist; hat gar nicht lang gedauert, da war‘n wir getrocknet. Hatten dann allerdings ‘n Problem, ein Plätzchen für die Nacht aufzutreiben. Alles Weiden, alles eingezäunt mit Stacheldraht und Elektro. Das brachte Dieter wieder auf so ‘nen speenigen Einfall. Beim Pissen war er zufällig an ‘nen Elekrozaun geraten, und das hat ihm so gut getan, dass er nur noch pissen wollte, wenn ein Elekrozaun verfügbar wär. War keine ganz ungefährliche Angelegenheit, so wild auf fremden Viehweiden zu campieren. Irgendwann mal würd man uns aufs Dach steigen.

In Bordeaux legten wir uns ‘ne neue Taschenlampe und Baskenmützen zu. Und Dieter besorgte sich ‘n stabiles Fässchen Wein, das er noch zusätzlich zu dem ganzen anderen Krempel auf seine Karre hinten draufschnallte. »Wenn‘s leer ist, tu ich was anderes rein. Sherry, zum Beispiel, wenn wir durch Andalusien kommen. Wir kommen doch durch Andalusien? Außerdem hab ich jetzt endlich ‘nen Hocker zum Draufsitzen - ist viel bequemer als so ‘n Klappstuhl, da kriegste Querfalten am Hintern.«

Bordeaux ist weiter nicht der Rede wert. Wieder massig viel exotisches Volk auf der Walze - die gleichen Elfenbeinhändler, Wilddiebe, Gürtelverkäufer. Selbst der Typ, der Dieter bei der Sonnenuhr in Paris an die Hose wollte, hat wieder vor ‘nem Pissoir gelauert. Hatten damit so ziemlich genug von Frankreich und fingen langsam an, von Spanien zu quatschen. Vielleicht würd‘s uns da besser gefallen.

Aber vorher kam noch das Baskenland. Und weil die da unten ganz eigenwillige Leute sind, wollten wir die mit der passenden Kopftracht beeindrucken. Dieters Mütze war mehrere Nummern zu groß, auch zog er vorne so dran herum, bis ihm das ganz lang über die Stirn wegstand wie ‘ne Markise.

Ich und Dieter nach Afrika

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