Читать книгу Ich und Dieter nach Afrika - Wolfgang Manfred Epple - Страница 6
Abgehauen
ОглавлениеWir die Maschinen aus‘m Ständer gerissen, uns aufn Sattel geschwungen und erst mal runter an den Main, in ‘nen Park rein und abgewartet, bis die Bank aufmachte. Dann sind wir los, unsere Sparbücher plündern. Viel war ja nicht drauf, besonders bei Dieter, aber der hat gesagt, ich soll cool bleiben - Heinz Helfgen wär damals mit schlappen 3 Mark 80 zu seiner Weltumradlung aufgebrochen, und wenn wir uns nur ‘n bisschen einschränkten, würd‘s locker bis zum Endziel reichen. Und falls nicht, würd er sich schon rechtzeitig was einfallen lassen.
Na, nach all der Aufregung haben wir beschlossen, mit dem Einschränken noch ‘n Tag abzuwarten und sind erst mal bei Karstadt groß frühstücken, wegen der Nerven und so.
Der Kellner, der uns die Rühreier brachte, war ‘n baumlanger Schlacks, ‘n Afrogermane aus Ghana, wie er behauptete. Toll, was der sich für Schmucknarben in die Backen geritzt hatte - wie ‘n waschechter Häuptling aus ‘nem Tarzanfilm.
Dieter hat den mit ‘nem ganzen Sack voll Fragen gelöchert: wie‘s denn in Afrika da unten so wär, ob die da Löwen hätten und Elefanten und Skorpione? Doch viel hat‘s nicht gebracht, der Mann war schon zu lange weg von da und wollt sich an nichts mehr erinnern.
Nach‘m Spachteln sind wir runter zur Campingabteilung und haben uns mit ‘nem grünen Igluzelt eingedeckt und mit zwei Isomatten und mit Schlafsäcken und mit Bändern zum Festzurren; und - klar doch: Kochgeschirr schmissen wir natürlich auch in die Karre und zwei Blechtassen dazu und Angelzeug und ‘ne Petroleumfunzel und ‘ne Taschenlampe und Klappstühle und Nähzeugs und Autan und ‘nen Verbandkasten und ‘n zünftiges Messer pro Mann.
‘n Stockwerk drüber sind wir in die Kosmetikecke reingestürmt, da hab ich für mich ‘n kräftiges Deo aufgepickt. Dieter hat abgewinkt: Für so ‘n Spielkram würd er kein Geld verschwenden, die Weiber würden erst richtig scharf, wenn man duften tät wie ‘n Ziegenbock - ich sollt nur mal Heinrich Golsch fragen.
Sagt er: »Was ‘n Globetrotter unbedingt braucht, ist was zum Musikmachen. Das ist gut gegen den Moralischen, und wenn nicht fürn Moralischen, isses Gold wert, um die Weiber flachzulegen!«
Also sind wir zur Musikabteilung runter, und er hat sich ‘ne Mundharmonika eingesteckt. Anschließend die Rolltreppe rauf ins Klamottenparadies. Zwei Ersatzjeans pro Nase und ‘nen Satz billiger T-Shirts und für Dieter ‘n Idiotenkäppi wegen seiner sensiblen Haartracht. Gegen »schweres Wetter« - Dieter hatte den Ausdruck aus einem seiner Seefahrtsschmöker - besaßen wir schon unsere altbewährten Bundeswehrparkas, die würden‘s locker mit Ölzeug und Südwester aufnehmen. Von Rüdiger Nehberg hatte Dieter gelesen, ‘n Abenteuer sollt auf keinen Fall losziehen ohne Cayennepfeffer. Also griffen wir uns ‘ne extra große Dose aus‘m Gewürzregal, und nun sollten sie ruhig kommen, die rebellischen Straßenköter und was sonst noch alles für ‘n Kroppzeugs.
Im letzten Moment ist uns eingefallen, dass wir noch keine Landkarte hatten. Hat Dieter in der Buchabteilung eine von Westeuropa geklemmt und aus ‘nem Atlas ‘ne Seite rausgerissen. Und er konnt sich‘s nicht verkneifen, seinen wertvollen Zaster für ‘ne Pocket und Filme rauszuschleudern - der meinte, das wär wichtig von wegen Dokumentation und so.
War‘n schon ganz hübsch beladen, als wir zum krönenden Abschluss dem guten, alten Aldi ‘nen Besuch abstatteten. Wir holten Nudeln da raus und getrocknete Tomatensoße, außerdem Beutelreis und Brühwürfel, paar Tüten Spargelsuppe und schließlich ‘ne Batterie Karlsquell und Vollkornbrot und Kräuterkäse - eben alles was ‘n Kerl so braucht, will er unterwegs nicht schon in den ersten paar Tagen den fremden Fraß runterwürgen.
Endlich, zur Feier des Tages, rutschten wir noch kurz bei Manne sein Kiosk vorbei und genehmigten uns ‘nen Flachmann Mariahilf.
Manne machte pralle Augen auf unsere hochbepackten Maschinen und wollt uns aushorchen, doch haben wir eisern dicht gehalten, auch nach der vierten Pulle kein Sterbenswörtchen ausgeplaudert. »Tschüs, Manne«, haben wir gerufen und »sauf nich so viel!«
Die Motoren röhrten los, und ab ging die Post, zum Städtele hinaus! Im Rückspiegel schrumpften die qualmenden Fabrikschlote in Nullkommanix zu ‘ner harmlosen Postkarte zusammen, und wir haben uns eins gefeixt, wie blöd jetzt Heinrich Golsch wohl aus der Wäsche gucken mocht, das Schwarzbuch in der Hand, stillgestanden vor seinem Betriebsführer.
Zuerst ging‘s stracks nach Westen, rechts am Main entlang.
Alles voller Apfelbäume, und der Radweg gespickt mit Fallobst. Mussten höllisch aufpassen, trotzdem hat Dieter sich ‘nen Zahn abgebrochen, als er sich auf die Klappe legte.
»Herzlichen Glückwunsch«, hab ich gelacht. »Das gibt dir ‘ne gewisse Note in deinem Sackgesicht!«
Dieter wollt eigentlich in einem Rutsch bis vor zur Grenze und noch am selben Tag raus aus Deutschland, aber ich hab gesagt, »Mach mal halblang, das packen wir nicht, wir müssen uns erst mal an das schwere Gepäck gewöhnen. Außerdem hab ich kein Bock im Dustern.«
Haben wir uns unter ‘ne Weide am Ufer gehauen und paar Stündchen Kriegsrat gehalten und rumgedöst.
Nach der dritten Dose Gerstenkaltschale sag ich: »Nu rück mal langsam mit raus, was du eigentlich vorhast. Und was willste denn ausgerechnet in Ghana, da kennt uns doch keine Sau.«
»Ghana«, sagt er, »wie kommste auf Ghana?«
»Na, wie du den Typen vorhin gelöchert hast …«
»Weil wir da durchkommen natürlich. Kann nie schaden, wenn man sich rechtzeitig mit Infos vollsaugt.«
»Und wo genau soll‘s überhaupt hingehn?«, frag ich. »Du hast doch nicht etwa vor, dass wir uns in den Urwald verkrümeln und einen auf Tarzan und Jane machen?«
Ich hab das gefragt, weil der ganz verrückt ist nach Tarzanfilmen und schon immer in so ‘nem Baumhaus leben wollt, aber das hatte der nicht mehr auf der Pfanne.
»Keine Bange«, meint er, »für so was bin ich schon paar Jährchen zu alt. Außerdem haste im Kongo von heute nichts als Stress, weil die da ständig rumballern und sich gegenseitig die Köppe abhacken - da müssten wir ja bekloppt sein. Und mal ganz davon ab: In so ‘nem Wald sinkste ruck-zuck auf die Stufe von ‘nem Affen zurück, und das kann‘s ja wohl nicht gewesen sein, oder? Ich will auf ‘ne höhere Daseinsstufe rauf, weißte, will endlich ‘n Mensch werden nach all den versauten Jahren. Das hab ich mir verdient, und ich schätz mal, du auch. Deshalb pass auf, alter Schwede, und vertrau dem guten alten Dieter, wenn er dir sagt, dass für uns beide nur ein Land infrage kommt und nix anderes - hast ja von Heinrich Golsch genug drüber gehört, wie toll‘s da unten ist.«
»Heinrich Golsch, Heinrich Golsch … haste mal auf ‘n Globus geguckt, wie weit das ist bis »Deutsch-Südwest«? Das packen wir doch im Leben nicht mit diesen Mühlen! Allein die Wüste - wie willste da durchkommen … und die räuberischen Beduinen und …«
Hat er mir mit ‘nem gewaltigen Rülpser das Wort abgeschnitten und ‘ne neue Kippe aus der Packung geschüttelt und sich einen abgegrinst und nichts mehr gesagt.
Gegen Abend sahen wir OPEL in Rüsselsheim leuchten, wo Dieters Olle ihren Astra her hat. Die Jungs da drinnen war‘n eifrig dabei, ihre Spätschicht abzubrummen. Hat uns überhaupt nicht leid getan, und uns hat ‘n Lachkrampf geschüttelt, dass wir Bauchschmerzen bekamen.
Zum Kochen warn wir zu fertig, also ran an die Würstchenbude, und jeder ‘n kühles Blondes. Leckere Pommes können die da bei OPEL vorm Tor, muss ich ganz ehrlich sagen. Wenn ihr mal in die Gegend kommen solltet, schneit unbedingt mal in Schullus Wursthöhle rein und grüßt schön von Kurti.
Pappsatt runter zum Fluss. Warteten ab, bis es völlig duster war, dann versuchten wir, das Zelt klar zu machen. Ging nicht, weil Dieter die Stangen nicht in die Löcher kriegte und ich die Taschenlampe verkramt hatte. Dieter wollt trotzdem nicht aufgeben, weil er Schiss hatte unter freiem Himmel, hab ich ihn also weiterwurschteln lassen. »Mir egal«, sag ich, »wühl du nur weiter, ich bin hundekaputt.« Und hab mich in ‘n Schlafsack gepackt, und nichts mehr.
Nächsten Morgen war alles klitschenass vom Tau.
Zuerst hab ich gedacht, Dieter wär stiften gegangen, weil ich ihn nicht gleich sehen konnt, aber dann sah ich seine Karre am Apfelbaum lehnen und hab »Hallo!« gebölkt und »Hierher!«
Und was glaubt ihr, wo der Dieter sich versteckte? Im Zelt, das dalag wie ‘ne runtergelassene Unterhose - da steckte der drinne, hatte den Reißverschluss zugemacht und war am Schnarchen. Hab ich aus Jux seine Karre angeschmissen, und ihr hättet mal sehn sollen, wie schnell der draußen war! Beim Einpacken gab‘s noch Affentheater wegen der Nacktschnecken und Weberknechte, vor denen Dieter sich geziert hat wie ‘n Weibsbild.
»Das fängt ja gut an«, sag ich, »wenn du dir schon wegen ‘n paar harmlosen deutschen Schnecken in die Hosen kackst, wie soll‘s denn da im Süden erst werden mit dir. Da unten gibt‘s Kakerlaken so groß wie Schäferhunde und giftige Spinnen und Skorpione und Schlangen und ‘ne Masse anderer Viecher, von denen du dir keine Vorstellung machen kannst. Nacktschnecken … Weberknechte … nimm‘s mir nicht übel, aber ich seh schwarz für dich. Überleg‘s dir, noch kannste umkehrn und heim, unter Muttis Rock. Dann verkrümel ich mich in die Eifel zu Elli auf ihren Bauernhof und spar mir die Strapaze. Also - willste noch oder hauste in Sack?«
Wollte der nicht, hat gesagt, das wär bloß Spaß gewesen, Schnecken und Spinnen wär‘n ihm seit dem Säuglingsalter seine liebsten Spielkameraden und so weiter. Und so kachelten wir wieder zur Wursthöhle rauf, um Frühstück zu fassen; aber die war leider noch dicht.
Mit knurrenden Mägen ging‘s noch ‘n Endchen westwärts bis Mainz, wo der Main in den Rhein mündet. Und der ist wirklich ‘n wahrhaftiger Strom. Peilste rüber ans andere Ufer, siehste die Häuser nur noch so winzig, als hätt der Dieter mit seiner Modelleisenbahn herumgebastelt. Und davor all das Wasser. Silbergrau und breit und fürchterlich tief.
Wir schwenkten nach rechts und damit nach Norden. Hätten in Bingen eigentlich gradeaus fahren können, direkt bis zur Grenze, aber Dieter hat plötzlich drauf bestanden, das Rheintal noch mitzunehmen - das wär ‘n Weltkulturerbe und würd Millionen Touristen aus der ganzen Welt anlocken, da wär‘s ‘ne Schande, sich sowas durch die Lappen gehen zu lassen.
Die Straße, die war kein Honigschlecken. Denn außer uns beiden ist da noch so allerhand an Pferdestärken unterwegs gewesen, und vom Paragraf eins der Straßenverkehrsordnung haben die alle wenig gehalten. Die Knilche haben sich ‘nen Sport draus gemacht, dass wir die Schwächeren war‘n und sind extra dicht an uns vorbeigedonnert. Mit Eisenfäusten mussten wir die Lenker umkrallen, damit wir nicht umgerissen wurden. Nur selten haben wir mal ‘nen Blick auf den Fluss riskiert, und meistens kam dann ‘n Zug herangebraust - direkt neben der Straße und elend lang -, der fing wie wild an, draufloszututen, weil er den Gegenzug auf der andren Seite grüßen wollte, der genauso lang war und auch ‘nen Tuter losließ.
‘ne Masse Burgen und Schlösser sind da überall auf die Hügel gepflanzt, aber die meisten sind löchrig und zerdeppert und besitzen nur noch Schrottwert. Doch kamen wir durch ‘n Kaff, da thronte ‘ne Burg aufm Weinberg, die sah aus, wie eben erst fertiggestellt; sogar die Bundesfahne war vom Turm am Runterflattern. Aber der Name von der Anlage klang ganz und gar nicht nach schwarz-rot-gold, als Dieter ihn vor sich hin plapperte: »Ba-cha-rach … ich glaub, mich laust der Affe! Bacharach, das is doch ‘n Vorort von Kairo!«
»Schon möglich«, sag ich, »heutzutage musste mit allem rechnen. Bald werden die noch den Kölner Dom in ‘ne Moschee umwandeln, wenn‘s so weitergeht. Aber uns kann‘s ja wurscht sein - bis dahin sind wir längst am Ziel -, und wenn dein Vorarbeiter uns kein Scheiß erzählt hat, geht‘s da unten wesentlich deutscher zu als wie in der BRD.«
»Worauf du einen lassen kannst!«
Aufm Wasser war ‘n Betrieb wie auf der A3. Besonders flussabwärts legen die Kieskähne, Kohlenschlepper, Ausflugschiffe ‘n Tempo vor, dass einer Landratte ordentlich schwindlig werden kann. ‘n Weilchen später geriet der Verkehr aus dem Takt, staute sich sogar auf an einer Stelle. Das heißt, die Frachtpötte nicht, die sausten weiter meerwärts, andere kämpften gegen die Strömung an.
Sind kurz rechts ran, uns die Sache mal angucken. Was da anhielt und sich drehte und umeinanderdümpelte, war‘n ausschließlich Spaßdampfer. Die hatten‘s auf ‘ne ziemlich lächerliche Felsklippe abgesehn, die da aus‘m Wasser ragte.
Die Leute auf Deck war‘n jedenfalls wie bekloppt mit den Händen am Fuchteln. Musik brach los, und die Kapitäne blecherten vielsprachig was durch die Lautsprecher, und als sie‘s endlich auf Deutsch taten, kam‘s heraus: Das war die LORELEY! Die Touris fingen sofort an, ihre Kameras scharf zu machen, kramten Ferngläser aus den Rucksäcken und war‘n überhaupt so ziemlich aus dem Häuschen.
»Ich weiß nicht, was soll es bedeuten …« scholl‘s über die Wellen.
Wussten wir auch nicht, und so schlugen wir uns den Anblick schnell aus dem Sinn und machten, dass wir weiterkamen.
So nach und nach sind die Hügel nicht mehr so steil gewesen, und kaum noch Burgen drauf; dafür war‘n am andern Ufer Fabriken am Qualmen und damit die Rheinromantik erledigt.
Wir standen am Deutschen Eck und rissen ‘ne Dose Karlsquell auf. Der Olle Willem blickte feierlich und grün vom hohen Ross herunter.
»Das war also unser Vater Rhein«, sag ich. »Guck ihn dir nochmal ganz genau an, Sportsfreund, wirst ihn lange nicht wiedersehn - vielleicht überhaupt nie mehr.«
Da kriegte Dieter so ‘nen leichten Vaterländischen und musste ins Sacktuch tröten. Mir war auch etwas schwummerig zumut, hab ich doch jetzt erst richtig geschnallt, worauf wir uns da eingelassen hatten.
Haben wir fix ausgetrunken und sind links ins nächste Flusstal reingeschlittert. Ziemlich steile Berge da drinnen, ausnahmslos zugeknallt mit Weinstöcken, und die Dörfer am Ufer sind alle grau und eng, und wenn die Sonne aus‘m Tal raus ist, liegen die total im Schatten.
So war‘s auch, als wir in Sennheim eintrudelten. Paarmal hatten wir vorher versucht, zwischen dem Rebengeschlinge ‘n Schlafplätzchen zu finden, aber erstens war‘s zu steil zum Liegen, und zweitens hatten wir keine Lust, im Sperrfeuer der Selbstschussanlagen den Heldentod zu sterben.
Sprachen ziemlich mies gelaunt in ‘nen schäbigen Gasthof um ‘n Doppelzimmer vor. Ein rotköpfiger Schmerbauch brüllte nach seiner Frau, einem Prachtweib, das den jahrzehntelangen Umgang mit vergorenem Rebensaft eindrucksvoll zur Schau stellte. Man könnt sagen, ihrem aufgeblasenen Körper war‘s buchstäblich gelungen, Wein in Wasser zu verwandeln.
Die Dame hat uns von oben bis unten angeglotzt, erst den Kopf geschüttelt, und uns endlich für achtzig Mark pro Nase in ‘ne Dachkammer abgeschleppt. Unterm Gebälk brütete ‘ne Affenhitze, es stank nach Holzschutzmittel, und in einer Ecke drohte ‘n fußballgroßes Hornissennest. Das Fenster konnten wir auch nicht aufkriegen und so haben wir uns auf die Eisenbetten geschmissen, ob die wenigstens was taugten. Taugten sie nicht - war‘n ‘ne zusammengestümperte Kreuzung zwischen Fußballtor und Hängematte.
Wurde ‘ne lebhafte Nacht.
Das Abendessen, das wir unten verdrückt hatten, war so gehaltvoll gewesen, wie die Wirtsleute aussahen - wir konnten kaum noch japsen. Das Fenster klemmte weiter, und die Hornissen brummten im Dustern, und das Klo lag aufm Flur.
Andern Morgen fühlten wir uns wie gerädert. Ich verzichtete aufs Frühstück, und Dieter hat sich geschworen: nie mehr Federweißen mit Sauerkraut.
Ziemlich wacklig auf den Rädern haben wir den Rest vom Moseltal abgerissen, dann kam ‘ne Stadt, die war Trier.
»Ganz nett hier«, sag ich, »wenn nur die zerdepperte schwarze Ruine da drüben nicht wär. Fünfzig Jahre Zeit gehabt und noch immer nicht aufgeräumt.«
»Quatsch«, meint Dieter, »das war‘n nicht die Amis, der Schuppen ist neulich erst abgefackelt - haste die Bild nicht gelesen? Denen ist ihr Lagerfeuer durchgegangen oder der Herd in die Luft geflogen, oder was weiß ich. Irgendwer hat rausgefunden, das wär‘n die Nazis gewesen, und seitdem steht der Laden unter Denkmalschutz. Noch nicht mal neue Scheiben dürften die da einsetzen.«
»Eigentlich auch egal«, sag ich, »Hauptsache wir finden bald ‘nen Aldi!«
War wichtig, dass wir den fanden, denn hinter der Grenze würd‘s deutlich teurer werden - da wollten wir vorher lieber unsere Vorräte nochmal aufstocken. Zudem befürchtete Dieter, dass wir in Frankreich keinen Rum kriegen würden, weil die da nur dieses Absinthzeugs kippen, und weil er Angst hatte, davon blöd zu werden, sackte er sich gleich sechs Flaschen Robby 54 ein, nachdem wir den Laden endlich gefunden hatten. Wenn ich nicht falsch liege, besitzt Rum auch nicht grad die Eigenschaft, dass dir das Wachstum deiner grauen Zellen außer Kontrolle gerät, aber ich wollt Dieter nicht die Laune versauen, hab also die Schnauze gehalten, mir ‘n Dutzend Doppelkörner in die Einkaufskarre gebettet und ‘n halbes Dutzend Export zum Löschen. Daneben gesellte sich ‘n herzhaftes Sortiment an dauerhaften Würsten vom Stamm der Landjäger und Pfefferlinge. Nach ‘ner reichlichen Anzahl Dosen mit Bohnen und Linsen und Pottkiekers Texaseintopf, ging‘s vor zur Kasse. Das reichte aber auch. Unsere Böcke war‘n so überladen, dass die Hinterräder fast in die Knie gegangen sind.
Wir raus aus der Stadt, bei ‘ner beträchtlichen Außentemperatur für Mitte September, und ‘nen kühnen Bogen geschlagen Richtung Frankreich. Falls uns die Bullen auf den Fersen sein sollten, beschloss ich, dass wir uns für ‘n Weilchen trennten, damit wir nicht so auffielen. Kurz nach der Grenze, beim ersten Aldi, würden wir uns wieder treffen. Dieter hat das überhaupt nicht gepasst, dem ist mächtig der Bangemann ans Herz gekrochen, weil er‘s Ausland nur aus der Glotze kannte und von Heinrich Golsch seinen Prahlereien.
Ich hätt damals nie geglaubt, wie prima der sich mit der Zeit entwickeln würde, je weiter wir weg war‘n von der Heimat. Aber hier - noch ‘ne richtige Memme. Okay - nach langem Hin und Her hatt ich ihn schließlich soweit und hab ihn zurückgelassen.