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Nacht im Ziegenstall

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»Wenn das man kein Unterschlupf für Terroristen ist, Alter?«

Zwischen Belizondo und Maya standen wir in der Dämmerung, die laufenden Mofas zwischen den Stelzen, und okulierten zu der kleinen Feldscheune rüber, die auf ‘ner steinigen Anhöhe sich schwarz gegen den tintigen Himmel abzeichnete. Doch Dieter wollt nicht aufgeben.

»Nee, Junge, ich hab heut wirklich keinen Bock, in das zerlederte Scheißzelt zu krabbeln. Guck nur hoch, das fängt schon wieder an zu pissen!«

Fing wirklich wieder an, und unser Zelt war tatsächlich nichts weiter als ‘n Wrack - die Kuhbauern gestern hatten gründliche Arbeit geleistet. Mit einem von denen wär‘n wir noch fertig geworden, aber mit dreien? Konnten wir dafür, dass uns hinter Irun nicht gleich der passende Campingplatz in die Quere gekommen war? Und konnten wir‘s uns nachträglich ankreiden, dass wir den teuren Herbergen aus‘m Weg gegangen war‘n, mit unsern paar lächerlichen Pimperlingen im Geldbeutel?

Dieter hatte ja wieder behauptet: »In Frankreich und Spanien, hat Heinrich Golsch gesagt, da kannste überall wildzelten, da hat keiner was gegen - wenn du nur am nächsten Morgen abhaust.«

»Na«, hatt ich gesagt, »Heinrich Golsch hat schon manchen Blödsinn verzapft, zum Beispiel hat er gesagt, dass wir in Frankreich ‘nen Aldi finden würden …«

Dann war‘n wir trotzdem wildzelten gegangen. Auf ‘ne Weide rauf, wo niemand graste und grunzte.

Übern Zaun weg (was nicht einfach war) und die Hütte aufgeschlagen und ‘n bisschen was abgekocht. Bloß ‘ne Spargelsuppe. Und kein Lagerfeuer. Und keinen Ton auf der Mundorgel.

Dann sind sie doch angerückt. Mit Sensen und Mistgabeln oben reingeratscht und reingesäbelt. Hatten uns da rausgeschält aus unserem Kokon - wie ‘ne abgespulte Seidenraupe hab ich mich gefühlt. Stellt euch vor, ihr liegt selig und besoffen aufm Rücken und da schneiden euch welche das Dach weg und ihr schreckt hoch und kapiert nicht, was Sache ist, mit euerm Spritkopp. Und da blenden die dir in die Augen rein und glotzen dich an, mit drei Mann hoch, und fangen das Fluchen und Brüllen an und fuchteln mit ihren Sensen herum! Dann hatten die uns rausgeschüttelt aus den Schlafsäcken - wie ‘ne Ladung Eierkohlen - und vermöbelt mit dem Hackenstiel und uns wieder reingesteckt und den Reißverschluss bis übern Kopf, dass wir nix mehr sehen konnten; und dann so hin und her geschubst und hochgeworfen und schwupp übern Zaun: erst mich, dann Dieter und zuletzt die Karren. Zum Schluss das Zelt mitsamt den Häringen entwurzelt und etliche Schlaufen abgerissen. Und als ob‘s nicht gereicht hätt, haben sie uns noch den Schnaps halb weggesoffen und uns da sitzen lassen im Finstern!

Geregnet hatte es nicht schlecht, die Nacht, und es hat ‘ne Ewigkeit gedauert, bis es soweit hell wurde, dass wir den Plunder einigermaßen zusammengerafft kriegten.

War ‘ne ziemliche Schweinerei, was das erste Büchsenlicht uns offenbarte. Nadel und Faden hatten wir zwar mit, doch begnadete Schneider sind wir beide nicht. Die Zeltnähte rissen entweder gleich ein, oder es gab Knoten und Wülste und Falten. Die Außenhülle versuchten wir mit dem Feuerzeug zu schweißen, weil die aus Plastik war, aber da schmolz uns im Husch gleich so ‘n Riesenfleck weg und wollt losbrennen. Mit dem Mosquitonetz sind wir besser klargekommen, da fiel unsere Pfuscharbeit nicht so auf. Wenn wir erst in der Wüste wären, würden wir sowieso auf die Außenhaut verzichten können. Und klasse müsste es sein, haben wir uns vorgestellt, wenn man unter so ‘ner Insektenschutzglocke liegt wie ‘ne Sahnetorte und in die Sternennacht raufblinzeln kann.

Doch im Moment war das noch ‘n Mist, dass uns die Außenhülle futschgegangen war, denn Spaniens Nordostecke hat‘s in sich. Da regnet‘s nicht viel weniger als wie in Ostfriesland, hat der Dieter aus der Glotze gewusst. Total grün alles, und die gefleckten Rindviecher stehen bis zum Bauch im Gras, und die Euter sind bald am Platzen. Spanien - haben wir immer geglaubt - Spanien, das wär Flamenco und gebrannter Lehm unter ‘nem weißglühendem Himmel - ausgeflippte Dons in engen Hosen schrammeln auf ihren Gitarren herum, und heißblütige Señoritas klappern mit den Kastagnetten und bringen ihre brünstigen Lover zum Kreiseln - Pustekuchen!

Hier im Norden kühlt ‘n erfrischender Dauerregen die Gemüter auf Vernunftstemperatur und treibt dachlose Ausreißer zur Verzweiflung.

Wir standen also unterhalb dieser Anhöhe, und da oben war die Scheune.

»Ist da wer?«, rufen wir. »Hallo, hallo, wir sind‘s nur - zwei ehrliche Hombres aus Alemania!«

Keine Antwort.

Also rauf da auf den Hügel gestürmt und mal die Lage sondiert. War wohl ‘n Ziegenstall oder so was in der Art. Stank noch ganz würzig nach Landluft, da drinnen, schien aber länger nicht benutzt von Viehzeug. Denn Ziegen lesen bekanntlich keine Zeitung, brauchen keine Matte zum Pennen, und leere Weinpullen hinterlassen die erst recht nicht.

Wir die Petroleumfunzel angeschmissen und weitergeforscht. An den Dachbalken hing ‘ne Masse Fledermäuse und klappte mit den Flügeln. Weiter hinten war noch ‘ne Kammer reingebaut - oder eher so ‘n Verschlag.

Wie wir so hintappen und leuchten, da liegt da was in der Ecke, in ‘ner flachen Kiste! Ich krieg ‘nen Mordsschreck. Und Dieter aufm Absatz kehrt und mit der Lampe nach draußen getürmt. Zum Glück hatt ich noch ‘n Feuerzeug in der Tasche und taste mich näher ran. Und wie ich ran bin, fangen mir doch wahrhaftig die Knie an zu schlottern! Da lag, mit den Händen rückwärts an ‘nen Pfosten gebunden, jemand mit ‘nem blauen Kleid. Augen weit aufgerissen und den Mund wie zu ‘nem Schrei, ganz rund. Drüberweg sprangen mehrere fette Ratten. Die war hin - das konnt ‘n Blinder mit ‘nem Krückstock erkennen.

»Dieter!«, ruf ich. »Altes Kameradenschwein! Kannst wieder reinkommen - die tut nichts mehr, die hat‘s hinter sich!« Hab mir den Daumen verbrannt an dem verdammten Feuerzeug wegen dem Blödmann. »Bring endlich die Funzel her, sonst kannste was erleben!«

Der klapperte mit den Zähnen wie ‘ne Nähmaschine. Nu, denk ich, wir lassen uns doch von keiner toten Frau nicht bange machen. Aber komisch - das blaue Kleid kam mir irgendwie bekannt vor. Und die spitzen Schuhe und die Haare. Ich zieh ihr das Messer aus der Brust, und da macht es: »Pfffft«, und die fällt in sich zusammen wie ‘n Gummikrokodil nach Badeschluss. Hab zuerst ‘nen Satz nach hinten gemacht und Dieter umgerissen, aber dann haben wir uns wieder gefangen und so gelacht, dass uns die Tränen nur so aus den Augen geschossen sind. Was da ermordet in der Kiste lag, war nicht aus Fleisch und Blut. Und dass ihr Galan zurückkommen würd, brauchten wir auch nicht zu befürchten. Denn der war ja wohl fertig mit der Dame, wenn wir das richtig gedeutet hatten.

Versuchten, das Mädel für uns einigermaßen hinzukriegen, doch fanden wir anderswo noch weitere Löcher, und so viel Flickzeug wollten wir nicht opfern. Immerhin schnitten wir die entlüftete Hülle vom Pfosten ab und nahmen sie zur Gesellschaft mit nach vorne, wo wir Klappstuhl, Fässchen und Trinkgeschirr aufgebaut hatten. Haben Brüderschaft mit der Lady getrunken, und Dieter hat dazu seine Bildchen aus‘m Botanischen Garten rausgekramt.

So ist es noch ‘n rundum gelungener Herrenabend geworden.

Zu fortgeschrittener Stunde hat Dieter ihr ‘nen Namen verpasst - Aline -, und danach haben wir sie in die Mitte genommen und uns aufs Ohr gehaun.

Nach dem Frühstück, beim Zusammenpacken, wollt Dieter sich die hinten draufschnallen, hat‘s dann aber aufgegeben. So haben wir ihr hinter der Scheune ‘n kühles Grab bereitet. Dieter spendierte ‘nen ganzen Sturzbach von Krokodilstränen, indem er seine Baskenmütze zerknautschte und zähneknirschend den Kopf hängen ließ. Doch vorher hat er ihr noch ‘n Goldlöckchen abgesäbelt und neben die Schleife gesteckt.

Wir sind dann bald los.

Dieter ist noch ‘ne Zeitlang ziemlich einsilbig gewesen, hat meistens mit sich selbst gequasselt. Gut, dass ich kein Wörtchen davon verstanden hab.

Ich und Dieter nach Afrika

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