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Feuer am Meer

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Zuerst ging‘s aber noch ans Meer. Ich selber kannte bisher nur die Nordsee bei Cuxhaven, Dieter noch nicht mal die Edertalsperre. War schon ‘ne Mordssache hier am Atlantik.

Mann, diese Wellen! Gewaltig kommen sie herangebraust. Wie ‘ne Herde Mustangs. Und Watt gibt‘s auch nicht; ständig ist Wasser und Baden angesagt. Nur höllisch aufpassen musste, sonst zieht‘s dich raus, und da ist keiner wie in Dunen, der aufm Turm sitzt und durchs Fernglas kiekt, ob du nicht absäufst. Das schönste aber war: Wir konnten wieder richtig zelten, ganz legal, ohne die Angst, von irgend so ‘nem Bauern eins draufzukriegen.

Lebten einige Tage lang wie im Paradies. Unter schwarz-grünen knorrigen Strandkiefern flatterte unser Zelt im salzigen Wind. Der Boden war Sand, nichts als weißer Sand. Und Dünen gab‘s himmelhoch, bis zum Meer runter. Wir haben gebadet und uns die Sonne aufn Pelz brennen lassen; dabei in den Himmel geguckt, den segelnden Wolken hinterher.

Unser Nachbar aufm Campingplatz war so ‘n komischer Kauz. Hockte immer nur in seinem VW-Bus mit offener Schiebetür und war am Schmökern. Sein Köter lag vor der Tür und hechelte sich einen ab, und manchmal, wenn wir abkochten, ist er herbeigekrochen und hat rumgebettelt. Abends, wenn wir so unter den rauschenden Wipfeln der Kiefern saßen - Dieter auf seinem Bordeauxfass, ich auf meinem Klappstuhl - und wir von Afrika phantasierten und in die Dunkelheit pafften, ist der Nachbar in seinem Bus neben der Gaslampe gehockt und hat sich Wildwest-Heftchen reingezogen.

Einmal, ich glaub‘s war Sonntag, unser letzter am Strand, ist dem sein Bulli abgefackelt. Und nicht nur sein Bulli!

Will eben ein Bierchen pflücken gehen von der Astgabel runter, wo wir‘s in feuchten Tüchern reingehängt hatten, da seh ich ‘nen gelben Blitz aus‘m Augenwinkel, und da fliegt der Stubenhocker auch schon aus seinem Behälter, rollt neben seinen Köter und ist überall am Brennen. Die Gaslampe hat er noch in der Hand gehalten. Das Feuer am Leib kriegte er ausgeklopft, aber sein Bus stand lichterloh in Flammen! Keine Ahnung, was der gebunkert hatte; jedenfalls platzte da irgendwas wie ‘ne Ladung Molotowcocktails los - vielleicht war‘n das dem seine Schnapsvorräte gewesen. Die Flammen schlugen zum Dach heraus, das er hochgeklappt hatte - so ‘n Campingding aus Leinwand -, erwischten ‘nen Kiefernzweig, und dann ging‘s richtig los.

Eine Feuerlohe schoss rauf bis zur Baumspitze. Wie ‘ne Fackel hat das ausgesehen und war am Krachen und Knallen, als ob ‘ne Treibjagd loslegen wollt.

»Scheiße!«, ruf ich noch, »das wird ‘ne größere Sache!«

Und noch nie haben wir so schnell zusammengepackt wie in jener Nacht.

Der Typ stand wie bedonnert vor seiner Blechruine, die glühte wie ‘n Backofen, und versuchte mit Bier zu löschen.

Wir die Böcke geschnappt und nix wie weg zum Tor.

Das Feuer sprang derweil über auf die anderen Bäume.

Habt ihr schon mal so ‘nen Kiefernwald brennen sehen? Guckt‘s euch ruhig mal an - aber aus gebührendem Abstand! Von Dieter weiß ich, dass die Sorte Kiefern da unten am Atlantik durchtränkt sind mit reinem Terpentin. Und das hat ‘nen Heizwert - könnt ihr euch gar nicht vorstellen!

Wir stolperten durch den weichen Sand dem Ausgang zu. Schon spürten wir die gewaltige Hitze, und wie wir ans Tor kommen, war das natürlich verschlossen. Klopften an der Tür vom Platzwart seiner Bude, linsten durchs Fenster rein, - und da fläzte der vorm Fernseher, das heißt: er lag mehr so in seinem verschlissenen Sessel. Überall Bierflaschen. Und Erdnussschalen verstreut wie im Affenkäfig. Und der hörte uns nicht, so streifig war der Bruder.

Der Wald glühte wie ‘n Krematoriumsofen in Hochbetrieb. Hab so was mal gesehen, wie da die Klappe aufgegangen und der Sarg aufm Fließband ins Höllentor gerauscht ist, und die Flammen ihn von allen Seiten auffraßen. Schrecklich war das gewesen - ich möchte mal nicht verbrannt werden wie Dieter, dem‘s wurscht ist, wie er entsorgt wird.

Sind im letzten Moment durchs Tor entwischt, das endlich einer mit Schneid mit seinem Wohnmobil plattgewalzt hat. War verflucht knapp gewesen. Von oben segelten schon Aststückchen herab; wie vorgezogenes Silvester sah das aus: Funkenkaskaden, Feuerkatarakte, dazu Klumpen von glühendem Nadelgezweig. Fauchte wütend wie ‘n böses Tier. Aber duften tat‘s wie Advent und Weihnachten zugleich.

Kriegten paar ganz anständige Löcher in den Pelz gebrannt. Mir flog ‘n zigarrengroßes Stück glühend in den Kragen oben rein und rutschte mir den nackten Buckel runter - die Narbe hab ich heute noch.

Und ein Tohuwabohu bei den Campern, die im Schlaf überrascht, im Suff überwältigt, nicht mehr wegkamen! Und dazu die Begleitmusik der explodierenden Gasflaschen, Butankartuschen und Benzintanks - und das Weibergekreisch und Kindergeplärr und Männergefluch!

Als die ersten Wehren herangerauscht kamen mit Blaulicht und Tatü, war‘n wir schon so weit entfernt vom Schauplatz, dass wir nur noch so ‘nen lauwarmen Windzug spürten und niemanden mehr schreien hörten und es nach Westen hin nur noch aussah wie ‘n extra prächtiger Sonnenuntergang.

Wir haben unsere Maschinen vom tiefsandigen Hohlweg ins Gestrüpp raufgewuchtet und in Ruhe abgewartet, bis die alle durchgebraust war‘n. Zählten mehr als zwanzig Löschfahrzeuge. Dann sind wir vorgekrochen, zur Straße, und mit Vollgas weg. Alles stank nach Qualm. Ich und Dieter mit schwarzen Gesichtern und abgesengten Augenbrauen - und die Parkas voller Brandlöcher.

»Nie wieder im Wald!«, keuchte Dieter, »lieber penn ich im Chausseegraben oder aufm Bahnhof!« Dabei zog er ‘n Gesicht, das sagte: »Ich war‘s, ich hab den Laden abgefackelt …«

Der Dieter mit seinem ewig schlechten Gewissen! So war der immer. Immer hat der sich schuldig gefühlt, wenn irgendwo jemand was ausgefressen hatte. Und als Bub schon haben sie den am Kragen erwischt, wenn die anderen längst getürmt warn. Der wird heut noch rot, wenn man ihn was fragt, was der gar nicht gemacht haben kann!

Jedenfalls ist er mir die nächsten Stunden ganz schön auf den Wecker gefallen mit seiner Faselei, ob die hinter uns her wär‘n? Da bin ich ganz froh gewesen, dass die Grenze nicht mehr weit weg war.

Und je näher wir hinkamen, desto mehr seltsames Volk trieb sich auf der Straße herum.

Ich und Dieter nach Afrika

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