Читать книгу Ich und Dieter nach Afrika - Wolfgang Manfred Epple - Страница 7

Bei den Franzmännern

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Bin ich also voraus und hab mich ganz schön gewundert, dass da keiner rumgestanden ist, um meinen Pass zu checken; noch nicht mal ‘n Schlagbaum war da an der Grenze -, nur so ‘n Blechschild verkündete, jetzt wär man in Frankreich. War ‘n ziemlicher Unterschied zu den Heimatgefilden, wie die Umgebung sich so präsentiert hat. Vom Fußboden zu essen, hätt ich keinem geraten, und überall die Balkone verrostet und nirgendwo Blumen am Geländer. Die meisten Fenster verrammelt, mit so rissigen Lamellenläden, von denen die Farbe abblättert. Und kaum ‘ne Menschenseele unterwegs, die ich nach ‘nem Aldi hätt fragen können. Und gab‘s da überhaupt wirklich Aldiläden in Grenznähe, oder hatte Heinrich Golsch uns nur was vorgeflunkert? Egal, denk ich. Erst mal nach Metz rein, dann wird sich schon was ergeben. Alles zugequalmt und stinkig von Braunkohleabgasen und halb zusammengekracht - wie in der alten Ostzone. Graue Halbruinen, graue Straßen, jede Menge streunende Köter und Müll im Rinnstein. Kein Aldi. Ich fragte so ‘nen Fürsten der Finsternis, aber der zog nur ‘n Gesicht, schlug sich auf die Brust und rief: »Ali!« Und dafür wollt er dann noch ‘ne Schachtel Marlboro abkassieren.

Fuhr vor bis zum ersten Kreisverkehr, machte die Karre aus und fing an zu warten. Und wartete. Und wartete.

Wer nicht kam, war Dieter!

Da wurd ich ganz schön kribbelig. Hatten die den vielleicht eingebuchtet und schon zuhause angerufen? Hatte der sich verplappert, und die warn auch mir schon auf den Fersen? Verstohlen guck ich mich um. Aha, denk ich, so sehen also die Franzmänner aus. Da war nix mit Baskenmützen, wie von dem Kerl auf der Landweinpulle. Und ‘ne Quetschkommode hat auch niemand traktiert. Und keinem kam‘s in den Sinn, seiner Lebensfreude mit ‘nem zünftigen Chanson Ausdruck zu verleihen. Ersatzweise kam Bauchtanzmusik hinter zerschlissenen Gardinen hervorgeblubbert, und auf dem Trottoir war‘n gedrungene Frauenzimmer wie Kirchenglocken am Herumwandeln, allesamt in dicke Mäntel gehüllt und durch Kopftücher abgeschottet, als wär‘n die auf ‘ner Polarexpedition. Nach ‘nem herzhaften Schluck aus der Hausapotheke, begann ich die Sache etwas entspannter zu sehn.

Und dann kam er endlich!

Zuerst konnt ich nur seinen Motor hören, der viel zu laut am Röhren war, weil er ihn neulich nachfrisiert hatte. Dieter hatte ‘ne knallrote Birne und sah mich nicht. Der guckte starr auf sein Vorderrad runter, und mir kam‘s fast so vor, als wär der am Heulen.

»Dieter!«, ruf ich, »he, Dieter, alter Zickenarsch!«

Da erkennt er mich endlich, wie er schon fast im Kreisel ist, und - zack! - gegen den Bordstein von der Verkehrsinsel - und in hohem Bogen mit seinem ganzen Laden in ‘ne rot-blühende Hecke rein. Mindestens drei Buddeln Robby gingen zu Bruch, und der Lenker kriegte ‘nen Knick an der Kante; und was den Dieter betraf, der ist aufm Rücken gelegen wie ‘n Maikäfer und hat gestöhnt wie nur was.

»Was‘n los?«, frag ich, »haste dir die Gräten gebrochen?«

Und all die Franzmänner stehn um uns herum, und Dieter war weiter am Rumjammern und fummelt hinten an sich rum.

Scheiße, denk ich, und »Beweg mal die Flossen!«, ruf ich - da ziehen ihn auch schon zwei Kerle in Sitzposition. Wie er aufhört mit der Stöhnerei und so schlapp vornübergebeugt da rumhängt wie ‘n Teddy, dem‘s halbe Sägemehl rausgerieselt ist, da seh ich den Grund für den Schlamassel: ‘ne pralle Dose Texaseintopf ist hinter ihm gelegen, die war komplett eingedellt. Haben wir uns halbtot gelacht, und ich war tierisch erleichtert, dass er nicht auf ‘n Rollstuhl umsteigen musste. Na, mit vereinten Kräften haben wir dem Verkehrsbrüchigen wieder zur Senkrechten verholfen, ihm den Buckel saubergeklopft und den ganzen Krams wieder in die Packtaschen reingestopft. Bei dem helfenden Handgemenge hat leider mein Offiziersmesser Beine bekommen, und Dieters Taschenlampe fand auch ‘nen neuen Besitzer. Aber Hauptsache - er war mir nicht zum Pflegefall geworden.

Wie wir runter von der Insel war‘n, haben wir erst mal ‘ne Bank zum Verschnaufen gesucht, und Dieter hat erzählt, warum er so lang gebraucht hatte. Der ist doch tatsächlich in ‘ne mobile Zollkontrolle gerasselt, und die haben den gefilzt bis auf die Knochen, und - klar doch - musste der seinen kompletten Rumvorrat verzollen, und der Zusammenschiss war auch nicht von schlechten Eltern gewesen.

»Na«, sag ich, »sei froh, dass sie dich wenigstens nicht einkassiert haben.«

Nach ‘ner Herzstärkung mit Robby 54 ging‘s ruck-zuck bergauf mit Dieter. Trotzdem war‘n wir noch zu fertig zum Selber-was-kochen und sind erst mal Futterfassen.

Das Kebab konnten die hier besser als in Höchst, und der Krautsalat schmeckte furzüglich, so dass wir auf der Landstraße nach Verdun reichlich mit Munition versorgt war‘n.

Dann Mordsdusel! Zwar kein Aldi aber echt billig. Krallten uns jeder ‘ne Monsterbaguette, bestimmt zwei Meter lang, dazu Vin Rouge und Frommage für ‘nen zünftigen französischen Imbiss. Und am Abend mussten wir uns dann das eine noch verbliebene Weißbrot teilen - das vom Dieter war nämlich futsch gegangen, als dieser Köter von dem Bauernhof herangeprescht ist und mein Hinterrad mit ‘nem Beißring verwechselte. Die Töle war schneller als unsere 40 Sachen, und ich bekam Angst um meine Stelzen. Der Cayennepfeffer steckte natürlich irgendwo tief in der Satteltasche. Da opferte der gute Dieter seinen Weizenknüppel, drosch so lang auf das Vieh ein, bis es die Schnauze voll hatte (im wahrsten Sinn des Wortes) und sich schleunigst aus dem Staub machte. Dieter blieb nur noch so ‘n Kanten wie ‘n Brötchen übrig, der war aber so vollgesabbert, dass er ihn wegschmeißen musste.

Als die Sonne schon tief im Westen hing, bogen wir in ‘nen Hohlweg ein, stellten die Motoren ab und zogen die Maschinen die Böschung hoch. Da standen wir in ‘ner ansehnlichen Hügellandschaft, die war total mit Brombeeren überrankt und anderem Stachelkrams, da würde sich bestimmt ‘n geschütztes Plätzchen für die Nacht finden lassen.

Wir das Zelt aufgeschlagen - klappte auf Anhieb - und, von den letzten Sonnenstrahlen vergoldet, schlürften wir unsere Sundowner aus Blechtassen. Nach der ersten Dröhnung sagt Dieter plötzlich: »Haste das wirklich geglaubt?«

»Was denn?«, frag ich.

»Na das mit der Ruine.«

»Mit welcher Ruine? … Ach so, der abgefackelte Schuppen in Trier. Was soll ich denn da geglaubt haben?«

»Na, dass die Nazis dran schuld war‘n.«

»War‘n die‘s nicht? Wer soll‘s denn sonst gewesen sein?«

Und dann hat Dieter mir ‘n Vortrag gehalten wie ‘n Oberlehrer. Dass der Schuppen uralt wär und ‘n bedeutendes Wahrzeichen, und dass die Römer den vor paar tausend Jahren zusammengebastelt hätten, damit die Touris von heute sich drüber freuen könnten. Und dann hat er sich über meinen bescheidenen Bildungsgrad ausgelassen, und ich ganz schön blöd aus der Wäsche geguckt. Hab ich noch öfter auf unserm Trip - ihr werdet‘s schon noch erfahren. Denn dem Dieter seine Birne war so vollgestopft mit ‘nem Haufen Schrott, da konntste manchmal vom Glauben abfallen.

»Na, dann herzlichen Glückwunsch, alter Klugscheißer«, sag ich. »Kauf dir ‘nen Lolli und lass mal die Buddel rüberwachsen.«

‘nen leeren Büchsenwurf entfernt lag ‘ne Kuhweide. Als der Mond hochstieg, bin ich rüber, um für jeden ‘ne Tasse abzumelken für den Magen zum Beruhigen. Wie ich so das warme Euter in der Hand wiege, musst ich kurz an Berta denken - doch das verging, als das Biest den Schwanz hob und anfing zu kleckern.

Der Vollmond war schuld für ‘ne unruhige Nacht. Zusätzlich war‘n die Rindviecher wie abgestochen am Rumbrüllen, und zwischenrein schrie sowas wie ‘n Waldkauz oder ‘n Uhu, und ums Zelt huschten irgendwelche Mäuse und Ratten oder was weiß ich. Da haben wir nochmal kräftig nachtanken müssen, bis wir endlich weggesackt sind.

Kurz nach‘m Aufbruch am nächsten Morgen konnt man am zunehmenden Verkehr deutlich merken, dass wir uns im Sauseschritt Paris näherten. Mehr als einmal gerieten wir in den gefährlichen Sog von Schweinetransportern und war‘n ganz schön am Herumfluchen, dass die Franzmänner so wenig von Radwegen halten. Dieter wollt unbedingt ‘ne Abbiege nach Euro Disney zwischenschieben, aber ich konnt‘s ihm aus‘m Kopf schlagen nach ‘nem deutlichen Hinweis auf unsere sensible Reisekasse.

Wurd immer krimineller mit der Blechlawine. Hätt nicht viel gefehlt, und mit mir und Dieter wär‘s aus gewesen.

Ein Ford Transit, vollgepackt mit Orientalen und Möbeln, mit Bauholz, Farbeimern und ‘ner Waschmaschine aufm Dach, schneidet uns beim Überholen, fängt an zu schleudern, und die Waschmaschine reißt sich los und knallt direkt vor uns auf die Straße! Der Apparat kracht auseinander, das Bullauge fliegt auf - und was seh ich? Die ist vollgestopft mit Dreckwäsche, und die Brühe schießt auf den Asphalt. In dem seifigen Schmadder kamen die Böcke ins Schlingern; und wär‘n wir nicht so ausgepichte Fahrer gewesen, hätt das schwer in die Hose gehen können. Die Kutsche lag übrigens ziemlich ramponiert verkehrtrum im Graben. Schnatternd und keifend krochen nacheinander mindestens zehn Figuren aus ‘m Wrack. Der Letzte, der sich zum Fenster rauswand, ein dürres Gespenst mit Nachthemd und Zipfelmütze, zog sogar ‘nen halbtoten Ziegenbock an der Leine hinter sich her. Dann kam ‘n ganzer Hühnerhof herausgeflattert und nutzte die Gelegenheit, aufm Bankett nach Futter zu scharren.

Sowie die Reisegesellschaft sich ‘n bisschen berappelt hatte, sind uns drei Burschen auf die Pelle, als wär‘n wir schuld an der Havarie gewesen.

Also nix wie ab durch die Mitte und volle Kraft voraus!

Ich und Dieter nach Afrika

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