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Gebundene Angst

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Während das Opfer einer Panikattacke nur an seiner Angst leidet, aber nicht weiß, wovor es sich fürchtet, sind die an einer Phobie Erkrankten in der Lage, eine Angstquelle anzugeben. Was sie dann plagt, ist die Tatsache, dass ihre Angst stärker ist als ihre Vernunft. Sie wissen, dass es nicht gefährlich ist, in einem Aufzug zu fahren, die U-Bahn zu besteigen, einen Platz zu überqueren oder eine Spinne vom Küchenboden zu kehren. Dennoch reagieren sie auf die Forderung, sich diesen Situationen zu stellen, mit Angst und suchen diese zu vermeiden.

Man unterscheidet Phobien, die sich auf Objekte richten, die allgemein als ungefährlich gelten, von abnorm starken Ängsten vor Situationen, die auch bei normalen Personen einen schwächeren Grad von Furcht auslösen, z.B. der Behandlung beim Zahnarzt oder einer Operation unter Narkose.

Häufig entstehen Phobien, wenn ein Kind von den Eltern daran gehindert wird, sich selbständig mit der Umwelt auseinander zu setzen. Sie hindern es daran, mit jenen Situationen, die es allein bewältigen kann, auch alleine fertig zu werden, nehmen ihm entweder zuviel ab oder treiben es durch Überforderung in die Resignation. Die betreffenden Personen suchen dann später in der Außenwelt Dinge und Personen, die sie steuern. Die gefürchtete Situation lenkt sie ebenso wie die Person, an die sie sich klammern, um der Angst zu entgehen.

Freud hat bei Phobien ein „aktives Vorgehen“ in der Behandlung empfohlen. Ein Patient, der zunächst nur mit einer Begleitperson den Weg in die Analyse wagt, wird dazu angehalten, alleine zu kommen, ein Student, der Prüfungen aus dem Weg geht, soll in das Examen gehen, auch wenn er überzeugt ist, keine Zeile zu Papier zu bringen und elend durchzufallen. Jede Vermeidung verstärkt die Angst. Die Kunst des Therapeuten liegt darin, mit dem Patienten realistische Wege zu finden, mit denen die Angst gerade noch erträglich ist. So lernt der Kranke allmählich, sie zu ertragen und sich so gestärkt daran zu wagen, die nächsten angstbesetzten Aufgaben anzugehen.

Die Betrachtung der Phobie lehrt, dass nicht die Angst krankhaft ist, sondern die Vermeidung, welche das handelnde Ich lähmt und die Entwicklung blockiert. Wer gelernt hat, trotz seiner Ängste handlungsfähig zu bleiben, hat einen normalen Zustand erreicht; wer auf ein Leben jenseits der Angst, auf eine Existenz ohne Schmerz und Verlust wartet, bleibt Gefangener seiner Ängste. Das Paradox des heilenden Umgangs mit der Angst liegt also darin, sich zunächst die eigenen Ängste ohne Beschönigung, Verleugnung oder Projektion einzugestehen, sie dann von ihren Bindungen an Vermeidung und Rückzug zu lösen – und sie schließlich zu ignorieren, das heißt ohne Rücksicht auf sie zu entscheiden und zu handeln, wie es Einsicht und Ethik gebieten.

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