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Posttraumatisches Syndrom

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Seit 1980 ist das seelische Trauma unter der Bezeichnung PTSD (Posttraumatic Stress Disorder) in den von der American Psychiatric Association herausgegebenen Katalog psychischer Störungen aufgenommen worden; 1992 kam es auch in die zehnte Revision des von der Weltgesundheitsorganisation herausgegebenen Handbuchs mit der International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems (ICD-10).

Die Kriterien umfassen 1. ein traumatisches Ereignis, in der Regel die Konfrontation mit Todesgefahr, dem Tod Nahestehender, Vergewaltigung, Verletzungen, Folter, Gefangenschaft. Dann muss die oder der Betroffene 2. unter zwanghaft auftretenden Erinnerungen an das Trauma leiden, 3. Angst- und Vermeidungsverhalten in Bezug auf das Trauma zeigen und 4. abnorm ängstlich sein.

Der am meisten umstrittene Punkt ist das erste Kriterium. Es ist einerseits leicht, Extremereignisse anzuerkennen, anderseits schwierig, die Grenze zwischen traumatischen Ereignissen und den „normalen“ Belastungen des Alltags – Verlust naher Angehöriger, Krankheit, Unfall, Scheidung, Liebeskummer – zu ziehen. Schmerz und Trauma sind nicht objektivierbar, sondern subjektive Erfahrungen.

Zum Trauma wird, was eine Person als extreme Bedrohung für das Ich erlebt. Alle Erlebnisse gewinnen dieser Qualität erst, wenn sie kognitive und emotionale „Filter“ durchdrungen haben, die kulturell sehr stark variieren. Jahrzehnte, ja das ganze spätere Leben wird das Opfer von traumatischen Bildern heimgesucht, welche die Fähigkeit bewahren, es in Panik zu versetzen.

Man hat das psychische Trauma mit einem Computerabsturz verglichen, nach dem manchmal auch die normale Speicherung von Daten gestört ist. Normalerweise werden Erlebnisse in einer Zeitachse eingeordnet und ihrer emotionalen Bedeutungen als „lang vergangen“ beraubt. Nach einem Trauma gelingt das nicht: Folter, Vergewaltigung, Todesgefahr tauchen auf, als seien sie gestern gewesen, weil ein Bild, ein Geruch, eine Geste an sie erinnert.

Allerdings zeigt sich auch hier der Hauptunterschied zwischen Mensch und Maschine: Die Maschine verliert Daten und findet Programme nicht mehr; der Mensch produziert Phantasien und gestaltet seine Geschichte nach seinen eigenen Konstruktionen. Sie treten als Albträume, quälende Tagträume und wahnhafte Rückerinnerungen („flashbacks“) auf, in denen die Realitätskontrolle zerbricht und Betroffene wie Geisteskranke wirken können. Diese Erinnerungen können unter Laborbedingungen dadurch ausgelöst werden, dass man die Trauma-Opfer Reizen aussetzt, die sie an die verletzende Situation erinnern.

Die Zwangs-Erinnerungen führen zu einem Vermeidungsoder Betäubungsverhalten, das darauf ausgerichtet ist, die Wahrscheinlichkeit zu vermindern, dass ein Opfer Reizen ausgesetzt wird, welche seinem Trauma ähneln. Die Betroffenen verlassen ihre Wohnung nicht mehr, weil sie fürchten, „draußen“ ihren Erinnerungen an das Trauma zu begegnen.

Schlaflosigkeit und Reizbarkeit sind Symptome aller Angstkrankheiten, während übermäßige Wachheit und eine Neigung zu Schreckreaktionen spezifischer auf das posttraumatische Syndrom hinweisen. Manche Opfer wirken regelrecht paranoid: Sie fühlen sich von allem und jedem verfolgt. Diese gesteigerte Schreckreaktion und die Übererregbarkeit des Nervensystems sind auch körperlich fassbar; es gibt eine Reihe von Untersuchungen, in denen Veränderungen im vegetativen Nervensystem, in den Reflexen (beispielsweise im Lidreflex), Schlafstörungen und Hormonstörungen (vor allem im Bereich der Endorphine) nachgewiesen wurden.

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