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Höhenangst (Akrophobie)
ОглавлениеDie meisten Menschen haben keine Schwierigkeit, auf einer Eisenbahnschiene zu balancieren, würden aber mit heftiger Angst die Aufgabe verweigern, auf einer derart schmalen Unterlage einen Abgrund zu überqueren. Solche Ängste zu wecken, ohne einen Gesundheitsschaden zu riskieren, macht den Reiz von modernen Risikosportarten wie Fallschirmspringen, Gleitschirmfliegen oder Bungee-Springen aus.
Krankhafte Höhenangst kann dazu führen, dass die Bewegungsfähigkeit stark eingeschränkt ist, weil keine Brücke überquert werden kann, offene Treppenhäuser gemieden werden und Flugreisen unmöglich sind. Narzissmusforscher vermuten, dass diese Phobie mit einer urtümlichen Flugphantasie zusammenhängt, die mit Hilfe der Angst abgewehrt wird. Das würde erklären, weshalb sich Höhenängstliche von dem Abgrund auch angezogen fühlen. Der Dichter Goethe berichtet, dass er seine eigene Angst überwand, indem er auf einen Turm stieg und dort in schwindelnder Höhe so lange ausharrte, bis er sich beruhigt und gewissermaßen gegen die Angst immunisiert hatte. In der modernen Verhaltenstherapie wird diese Szene als Vorwegnahme der Technik einer „Angstüberflutung“ zitiert, durch die sich der Kranke gegen seine eigene Angstbereitschaft wappnet.
Freud hat die Entstehung einer Phobie, sich aus dem Fenster zu stürzen (weshalb die Betroffene sich dem Fenster nicht mehr nähern kann), auf die unbewusste Phantasie zurückgeführt, zum Fenster zu gehen, um sich einen Mann heranzuwinken, wie es die Prostituierten tun. Diese unbewusste Idee wird im Vorbewussten zurückgewiesen und durch eine zur Angst passende Vorstellung „aus dem Fenster stürzen“ ersetzt.9