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Angst und Verlassenheitsgefühle

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Kleine Kinder reagieren auf ein verletzendes Erlebnis – etwa einen Unfall, der einen Krankenhausaufenthalt notwendig machte – mit ängstlichem und anklammerndem Verhalten. Während sie bisher schon zu Hause allein spielten, wenn die Mutter einkaufen ging, weinen sie jetzt heftig, wenn sie die Mutter nicht mitnimmt; sie „hängen am Rockzipfel“. Die Erklärung dafür ist, dass sie ihre Phantasie von einem verlässlichen, stabilen Bezug zur Mutter (ihr „inneres Objekt“) verloren haben und jetzt die reale Mutter zu verlieren fürchten, wenn sie diese nicht ständig unter Kontrolle haben. Nach diesem Modell werden die sogenannten „frei flottierenden Ängste“ verständlicher: Attacken von Panik, die scheinbar durch keinen Anlass gerechtfertigt sind. Die Angst entfaltet sich als Reaktion auf den drohenden Verlust des inneren Objekts, der ebenso „gefährlich“ ist wie die Angst eines kleinen Kindes, das die Mutter sucht und nicht findet. Die Analyse solcher Panikanfälle zeigt häufig unbewusste Trennungswünsche oder unbewusste Aggressionen gegen eine Person, von der sich ein Betroffener abhängig fühlt. Wenn es gelingt, diese Ambivalenz zu bearbeiten, verschwinden auch die Panikanfälle.

Die folgende Fallskizze zeigt die Dynamik der Verlassenheitsangst, verbunden mit der Angstabwehr durch Verwandlung von Angst in körperlichen Schmerz: Eine 19-jährige bedrängt ihren früheren Freund, bei ihr zu bleiben. Er darf nicht gehen, er darf sie nicht verlassen! Er kann die Art nicht leiden, in der sie sich an ihn klammert, bleibt deshalb hart und trennt sich von ihr.

Als er gegangen ist, gerät sie in Panik. Die Angst, dass alles vorbei ist, was je in ihrem Leben Wert hatte und schön war, mischt sich mit der Wut auf den Freund und der Wut gegen das eigene Ich, das nicht in der Lage war, ihn zu halten. Sie holt eine Rasierklinge und zerschneidet sich die Unterarme. Sie beteuert nachher, sie hätte darauf geachtet, nicht zu tief zu schneiden. Sobald das Blut fließt und die Wunden schmerzen, fühlt sie sich entspannter.

Diese Patientin war in ihrer frühen Kindheit von einer perfektionistischen Mutter sehr verwöhnt worden. Als diese vier Jahre später ein zweites Kind bekam, entgleiste die bisher sehr enge Beziehung: Die Tochter fühlte sich von der Mutter verstoßen, die Mutter von der Tochter, für die sie so viel getan hatte, missachtet. Einmal wollte die Vierjährige unbedingt auf dem Schoß der Mutter sitzen; diese verbot es, weil sie gerade den Säugling stillte. Darauf biss sich das Kind so tief in die Hand, dass die Wunde blutete. Die Mutter hatte die Angst des Kindes nicht beachtet, die Wunde hingegen alarmierte sie und führte dazu, dass sie sich um ihre Älteste kümmerte.

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