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1.3.2 Die Intelligenz Gottes durch die Analogie erkennen

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Im Folgenden wird veranschaulicht, wie der analogische Ansatz verwendet wird, um Gott zu verstehen. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass Kants Ansatz darin besteht, aus der Erfahrung ein Prädikat zu wählen, das zu Gott passt. So behauptet Kant in den Prolegomena: „denken wir es uns durch Eigenschaften, die von der Sinnenwelt entlehnt sind, so ist es nicht mehr Verstandeswesen, es wird als eines von den Phänomenen gedacht und gehört zur Sinnenwelt.“1 Diese Methode unterscheidet sich grundsätzlich von der transzendentalen Vorgehensweise. An dieser Stelle komme ich auf den Anhang zur transscendentalen Dialektik zurück:

„Ich werde mir also nach der Analogie der Realitäten in der Welt, der Substanzen, der Causalität und der Nothwendigkeit, ein Wesen denken, das alles dieses in der höchsten Vollkommenheit besitzt, und, indem diese Idee bloß auf meiner Vernunft beruht, dieses Wesen als selbstständige Vernunft, was durch Ideen der größten Harmonie und Einheit Ursache vom Weltganzen ist, denken können, so daß ich alle die Idee einschränkende Bedingungen weglasse, lediglich um unter dem Schutze eines solchen Urgrundes systematische Einheit des Mannigfaltigen im Weltganzen und vermittelst derselben den größtmöglichen empirischen Vernunftgebrauch möglich zu machen, indem ich alle Verbindungen so ansehe, als ob sie Anordnungen einer höchsten Vernunft wären, von der die unsrige ein schwaches Nachbild ist.“2

Diese Passage umfasst den gesamten Prozess der Analogie. Dadurch wird die Intelligenz Gottes erkannt: (1) Um die systematische Einheit der Welt als möglich zu denken, muss ich diese so betrachten, als ob sie aus der Anordnung einer höchsten Vernunft stamme. (2) Dies liegt daran, dass ich mir durch meine Vernunft vorstellen kann, dass Gott eine selbstständige Vernunft hat. (3) Aber die Vernunft Gottes ist meiner Vernunft nicht direkt gleichwertig, weil ich alle Bedingungen beseitigen muss, die diese Vorstellung einschränken, so dass unsere Vernunft nur das Abbild der höchsten Vernunft ist. Diese drei Punkte müssen aber im Folgenden noch geklärt werden.

(1) Der Begriff der systematischen Einheit der Welt findet sich überall in den kantischen Schriften. Kant nennt sie auch die Ordnung und Zweckmäßigkeit der Welteinrichtung, eine zweckmäßige Einheit, die eine enge Beziehung mit dem regulativen Gebrauch hat. Das ist eine umfangreiche und sehr schwierige Frage, die hier nicht ausführlich interpretiert werden kann.

Doch möchte ich hinzufügen, dass Kant schon in seiner vorkritischen Periode versucht hat, von der systematischen Einheit der Welt aus die Existenz Gott zu beweisen, vorwiegend in der Naturgeschichte und im Beweisgrund. In Abschnitt 1.1 haben wir eine Passage aus der Naturgeschichte zitiert, die eine kantische Physikotheologie darstellt. Kant denkt zu dieser Zeit die systematische Einheit der Welt als das Ergebnis der Mechanik. Im Gegensatz dazu stellt Kant außerdem im Beweisgrund auch das organische Gesetz vor Augen, weil er meint, dass bloße Mechanik für die Interpretation der Entstehung des Organismus nicht ausreichend ist. Außerdem teilt Kant die Abhängigkeit aller Dinge von Gott in „moralische“ und „unmoralische“ Abhängigkeit auf: „Ich nenne diejenige Abhängigkeit eines Dinges von Gott, da er ein Grund desselben durch seinen Willen ist, moralisch, alle übrige aber ist unmoralisch.“3 Diese bezieht sich auf anorganische Materie, die sich einer notwendigen Naturordnung unterwirft, jene auf einen Organismus, der sich einer künstlichen Naturordnung unterwirft. Doch im Beweisgrund fungieren notwendige und künstliche Naturordnung nicht, wie es in der Naturgeschichte geschieht, als Grund für das Dasein Gottes, sondern nur als Bezeichnung der systematischen Welt.

Obwohl Kant den physikotheologischen Beweis aufgibt, bleibt die Betrachtung der Welt als systematischer Einheit, bleibt auch die physikotheologische Methode, um Gott zu erkennen. Im Anhang zur transscendentalen Dialektik der KrV formuliert Kant die Beziehung zwischen der systematischen Einheit der Welt und der Anordnung Gottes: „Die höchste formale Einheit, welche allein auf Vernunftbegriffen beruht, ist die zweckmäßige Einheit der Dinge, und das speculative Interesse der Vernunft macht es nothwendig, alle Anordnung in der Welt so anzusehen, als ob sie aus der Absicht einer allerhöchsten Vernunft entsprossen wäre.“4 Daraus können wir nicht schließen, dass Kant die Physikotheologie wieder aufgegriffen hat. Ich möchte nur betonen, dass die analogische Methode eng mit dem regulativen Gebrauch und der Physikotheologie verbunden ist.

(2) Ausgehend von der systematischen Einheit der Welt betrachtet Kant Gott jetzt als die höchste Vernunft oder Intelligenz. Unzweifelhaft wird hier die Analogie benutzt. Gottes Intelligenz ist ein Analogon unserer Intelligenz. In den Prolegomena schreibt Kant das Folgende:

Wenn ich sage: wir sind genöthigt, die Welt so anzusehen, als ob sie das Werk eines höchsten Verstandes und Willens sei, so sage ich wirklich nichts mehr als: wie sich verhält eine Uhr, ein Schiff, ein Regiment zum Künstler, Baumeister, Befehlshaber, so die Sinnenwelt (oder alles das, was die Grundlage dieses Inbegriffs von Erscheinungen ausmacht) zu dem Unbekannten, das ich also hiedurch zwar nicht nach dem, was es an sich selbst ist, aber doch nach dem, was es für mich ist, nämlich in Ansehung der Welt, davon ich ein Theil bin, erkenne.5

Diese Passage ist eine typische Erklärung für die Anwendung der Analogie. Nach der oben genannten Formel G1 : F1 = G2 : F2 repräsentiert G1 hier die Intelligenz des Künstlers, Baumeisters, Befehlshabers, F1 deren Werke, etwa eine Uhr, ein Schiff, ein Regiment. G1 verhält sich zu F1 genau wie G2 (die Intelligenz Gottes: Verstand und Willen) zu F2 (dem Werk Gottes bzw. der systematischen Einheit der Welt). Daraus folgt, dass Gott die höchste Intelligenz ist. Genau wie in der KU weist Kant darauf hin, dass wir den Biber als ein vernünftiges Tier durch die Analogie mit dem Menschen denken können und er fügt noch hinzu: „Eben so kann ich die Causalität der obersten Weltursache in der Vergleichung der zweckmäßigen Producte derselben in der Welt mit den Kunstwerken des Menschen nach der Analogie eines Verstandes denken.“6

Interessanterweise verwendet Kant in den Prolegomena die gleichen Beispiele wie im sechsten Abschnitt des Theologie-​Hauptstückes, wo er eine Rekonstruktion des physikotheologischen Beweises durchführt.7 Dies ist auch eine weitere Quelle, die als Beweis dafür gilt, dass Kant die analogische und physikotheologische Methode zur Erkenntnis Gottes nicht aufgibt.

(3) Durch die Analogie können wir jetzt feststellen, dass die Intelligenz eine Eigenschaft von Gott ist, oder dass es eine höchste Vernunft und Intelligenz gibt. Allerdings wollen wir die höchste Intelligenz ausführlicher diskutieren. Ähnlich wie die Intelligenz der Biber, die nur ein Analogon der Intelligenz der Menschen ist, so ist die menschliche Intelligenz niemals identisch mit der Intelligenz Gottes. In kantischer Terminologie wird die höchste Intelligenz Gottes als intellectus archetypus betrachtet: „Eben dieselbe Idee ist also für uns gesetzgebend, und so ist es sehr natürlich, eine ihr correspondirende gesetzgebende Vernunft (intellectus archetypus) anzunehmen, von der alle systematische Einheit der Natur als dem Gegenstande unserer Vernunft abzuleiten sei.“8 Die Differenz des intellecti archetypi zu unserer Intelligenz wird in der Vorlesung über Rationaltheologie deutlich veranschaulicht:

„Nun giebt es aber in der ganzen Welt kein Ding, was reine Realität hätte, sondern alle Dinge, die uns durch die Erfahrung können gegeben werden, sind partim realia, partim negativa […] Gott aber können solche Negationen nicht beigeleget werden, daher muß ich zuerst via negationis verfahren, d.h. ich muß alles Sinnliche, was meinen Vorstellungen von dieser oder jener Realität inhäriert, sorgfältig absondern, alles Unvollkommene, alles Negative weglassen, und das reine Reale, was übrig bleibt, Gott beilegen […] Auf solche Art werde ich zwar via negationis die Qualität der göttlichen Prädikate bestimmen können, d.h. welche Prädikate ich aus der Erfahrung, nach Absonderung aller Negation, auf meinen Begriff von Gott anwenden kann, aber dadurch würde ich noch gar nicht die Quantität dieser Realität in Gott erkennen lernen […] Daher muß ich nun, wenn ich in einer von den Eigenschaften der Dinge, die mir durch die Erfahrung gegeben sind, irgend eine Realität angetroffen habe, dieses Reale Gott im höchsten Grade, in unendlicher Bedeutung, beilegen. Das nennet man per viam eminentiae verfahren.“9

Da diese Eigenschaft, nämlich die Intelligenz, aus der Erfahrung und der Sinnenwelt stammt, ist sie nicht völlige Realität, weil die sinnlichen Dinge partim realia, partim negativa sind. Deswegen ist es nötig, alles Unvollkommene und alles Negative wegzulassen. Hier geht Kant zwei verschiedene Wege: die via negationis und die via eminentiae. Die via eminentiae bezeichnet den quantitativ höchsten Grad von den Eigenschaften Gottes, die via negationis sondert die negativen Elemente der aus der Erfahrung erhaltenen Prädikate ab. Danach kann bestimmt werden, dass Gott als intellectus archetypus sich qualitativ und quantitativ von unserer endlichen und abgeleiteten Intelligenz unterscheidet. Dazu ist zu bemerken, dass dies eine entscheidende Maßnahme ist, die Kant ergriffen hat, um zu vermeiden, in einen groben Anthropomorphismus zu geraten.

Zu Abschnitt 1.3 kann zusammenfassend gesagt werden: Obwohl Kant seinen physikotheologischen Beweis aufgegeben hat, bedeutet dies nur, dass Physikotheologie nicht imstande ist, die Existenz Gottes zu beweisen, doch wird die Gottesidee dennoch regulativ gebraucht. Durch eine aposteriorische Methode bzw. die Analogie wird Gott als die höchste Intelligenz bestimmt, d.h. die Eigenschaft der Intelligenz kommt Gott zu.

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