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2.1.3 Verschiedene Bedeutungen von Notwendigkeit

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Aus dem ebenen Gesagtem kann man ersehen, dass im Mittelpunkt der Debatte die Frage steht, ob das ens realissimum das Prädikat der Notwendigkeit besitzt. Die meisten Forscher stimmen zu, dass das ens realissimum nur eine subjektive Notwendigkeit hat. Da Kants Kritik am traditionellen ontologischen Beweis darin liegt, dass dieser ausgehend von der Idee des entis realissimi auf ein Wesen schließt, das notwendig existiert, lehnt Dieter Henrich die Notwendigkeit als das Prädikat des entis realissimi ab. Allerdings müssen wir die Bedeutungen von Notwendigkeit in der kantischen Philosophie sorgfältig unterscheiden. Ich vertrete die Auffassung, dass der Begriff der Notwendigkeit in Kants Philosophie wenigstens drei Bedeutungen hat: als subjektive, logische und existenzielle Notwendigkeit.

Zuerst diskutieren wir die logische Notwendigkeit. Sie bedeutet, dass das Prädikat logisch zum Subjekt gehören muss. Sie wird auch die Notwendigkeit des Urteils genannt. Im 4. Abschnitt des Theologie-​Hauptstückes, d.h. in der Kritik am ontologischen Beweis, nimmt Kant die drei Ecken des Dreiecks als Beispiel und betont: „Die unbedingte Nothwendigkeit der Urtheile aber ist nicht eine absolute Nothwendigkeit der Sachen. Denn die absolute Nothwendigkeit des Urtheils ist nur eine bedingte Nothwendigkeit der Sache, oder des Prädicats im Urtheile. Der vorige Satz sagte nicht, daß drei Winkel schlechterdings nothwendig sind, sondern, unter der Bedingung, daß ein Triangel da ist (gegeben ist), sind auch drei Winkel (in ihm) nothwendiger Weise da.“1 Das heißt, diese logische Notwendigkeit beruht auf der Existenz des Subjekts. In diesem Fall verursacht die bloße Aufhebung des Prädikats einen Widerspruch. Wenn das Subjekt (Dreieck) und das Prädikat (drei Ecken) gemeinsam aufgehoben werden, entsteht jedoch kein Widerspruch.2 Das notwendige Dasein Gottes, das Kant erforschen möchte, ist offensichtlich keine logische Notwendigkeit. Im Beweisgrund weist Kant darauf hin: „Man kann indessen die Nothwendigkeit in den Prädicaten blos möglicher Begriffe die logische Nothwendigkeit nennen. Allein diejenige, deren Hauptgrund ich aufsuche, nämlich die des Daseins, ist die absolute Realnothwendigkeit.“3 Das bedeutet, dass die traditionelle rationale Theologie, die den ontologischen Beweis unterstützt (einschließlich Kant in seiner vorkritischen Zeit), die Notwendigkeit der Existenz Gottes beweisen wollen. Mit anderen Worten, der traditionelle ontologische Beweis möchte Gott die existenzielle Notwendigkeit zuschreiben. Aufgrund dessen leugnet Dieter Henrich die Notwendigkeit als das Prädikat des entis realissimi. Genau dies entspricht der kantischen Meinung jedoch nicht. Die Notwendigkeit gehört offensichtlich zu den Prädikaten des entis realissimi. Diese Notwendigkeit ist aber weder eine logische noch eine existenzielle, sondern eine subjektive Notwendigkeit. Kant möchte aussagen, dass das Ideal des entis realissimi nur die subjektive Notwendigkeit enthält. So behauptet Knudsen: „Zu dem Zweck muß er zeigen, daß die vom Rationalismus behauptete Bestimmtheit des göttlichen Wesens als ein notwendiges und metaphysisch objektives Sein nur den Seinssinn einer auf die Vernunft bezogenen Idealität haben kann.“4

Die subjektive Notwendigkeit ist eigentlich eine Notwendigkeit des Denkens, das heißt, es ist notwendig, dieses Ideal als Voraussetzung anzusehen, um die wirkliche Welt besser zu verstehen. Mit anderen Worten, das ens realissimum ist notwendig, insofern es ein regulatives Prinzip der Vernunft ist. Obwohl wir die Existenz des entis realissimi nicht voraussetzen oder nicht garantieren, ist dieses Ideal für uns unabdingbar, um die Welt zu klären, wie Kant im 2. Abschnitt des Theologie-​Hauptstückes gesagt hat: „um ein Ding vollständig zu erkennen, muß man alles Mögliche erkennen und es dadurch, es sei bejahend oder verneinend, bestimmen.“5 Dies ist die Rolle, die das Ideal des entis realissimi spielt. Wie bereits erwähnt, haben Joseph Schmucker und Giovanni B. Sala behauptet, dass diese Schlussfolgerung von Kant bereits in der vorkritischen Periode gezogen worden ist. So sagt Kant beispielsweise in der Reflexion: „Alle Große Eigenschaften, die ich von Gott aus der willkührlichen Idee desselben sage, sind nur expositionen der hypothesis, die ich annehme.“6

So erschließt sich, dass das ens realissimum nur eine subjektive Notwendigkeit hat. Auch wenn hier behauptet wird, dass die Notwendigkeit zu den Prädikaten des entis realissimi gehört, sind wir nicht der Ansicht, dass das ens realissimum notwendigerweise existiert. Es ist nur eine Notwendigkeit in Bezug auf das Denken, wie Kant sagt: „Nehme ich nun das Subjekt (Gott) mit allen seinen Prädikaten (worunter auch die Allmacht gehört) zusammen, und sage: Gott ist, oder es ist ein Gott; so setzte ich kein neues Prädikat zum Begriffe von Gott, sondern nur das Subjekt an sich, mit allen seinen Prädikaten, und zwar den Gegenstand in Beziehung auf meinen Begriff.“7

Zusammenfassung. Diese Untersuchung behauptet, dass es im Abschnitt 2 des Theologie-​Hauptstückes zwei unterschiedliche Kritiken gibt, die gegen die Realisierung, Hypostasierung und Personifizierung des entis realissimi gerichtet sind: die Kritik in den Paragraphen 1–15 und in den Paragraphen 16–18. Die erste Kritik ist von der Selbstreflexion Kants in der vorkritischen Periode abgeleitet. Deshalb wird das ens realissimum als subjektive Gültigkeit oder Notwendigkeit betrachtet. Die letztere aber rekonstruiert dieses Ideal aus der Perspektive der kritischen Philosophie und deckt eine Illusion auf, die durch das Weglassen der sinnlichen und empirischen Einschränkung entsteht und damit zu einer transzendentalen Subreption führt. Allgemein gesagt, ist die Existenz Gottes als entis realissimi nicht gesichert. Eine kleine Anmerkung dazu: Wir können die Existenz des entis realissimi weder festlegen noch verneinen, wie Kant behauptet: „Auf der andern Seite ist es aber auch aller menschlichen Vernunft unmöglich, je zu beweisen, daß eine solche Zusammensetzung aller Vollkommenheiten in Einem Dinge unmöglich sey; denn dazu gehörte wieder eine Einsicht in den Umfang aller Wirkungen des Alles der Realität, indem dieselben Gründe, durch welche das Unvermögen der Menschlichen Vernunft in Ansehung der Behauptung des Daseyns eines der gleichen Wesens vor Augen gelegt wird, nothwendig auch zureichen, um die Untauglichkeit einer jeden Gegenbehauptung zu beweisen. Kurz, es ist unmöglich zu beweisen, daß Gott unmöglich sey. Vielmehr legt mir die Vernunft auch nicht das mindeste Hinderniß in den Weg, die Möglichkeit eines Gottes, wenn ich auf andere Art mich dazu verbunden fühle, anzunehmen.“8

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