Читать книгу Religionsbegründung ohne Erkenntnis Gottes - Xiaolong Zhou - Страница 7

0.2 Forschungsstand und Methoden

Оглавление

„Die Literatur zu Schleiermachers Religionsphilosophie füllt eine halbe Bibliothek.“ Das behauptet Gunter Scholtz.1 Deshalb füllt die Forschungsliteratur zu den jeweiligen Religionsphilosophien von Kant und Schleiermacher eine ganze Bibliothek.2 Viele Autoren äußern sich zum Verhältnis der Religionsphilosophien beider. Trotzdem gibt es leider nur wenige Monografien, die sich als ganze dem Vergleich zwischen der kantischen und schleiermacherschen Religionsphilosophie widmen. Bereits im Jahr 1841 hat Salomon Leviseur das Werk Der Religionsbegriff bei Kant und Schleiermacher geschrieben. Er analysiert die Begriffe beider mit der sogenannten dialektischen Methode und betrachtet sie als unterschiedliche Entwicklungsstufen, das heißt, Schleiermachers Religionsbegriff enthält die Theorie Kants, stellt aber nicht die Vollendung des Religionsbegriffs dar, sondern muss sich selbst weiterentwickeln. Leviseur ist der Auffassung, dass Kants Standpunkt, vereint mit einem Pantheismus, Schleiermachers Religionsphilosophie bilde, nämlich „der Schleiermacher’sche Standpunct als Wahrheit des Kant’schen“.3 Daraus ergibt sich, dass die Untersuchung von Salomon Leviseur auf einem Vorurteil über Schleiermacher, nämlich dem Vorwurf des Pantheismus, beruht und damit den heutigen akademischen Anforderungen nicht mehr genügen kann. Danach gibt es, soviel ich weiß, keine andere Monografie über den Vergleich zwischen Kant und Schleiermacher. Selbst in den letzten drei Jahrzehnten thematisieren nur wenige Aufsätze diesen Vergleich.4 Es besteht die Notwendigkeit, einen umfangreichen und tiefgehenden Vergleich in der Gotteslehre vorzunehmen. Mit dieser Untersuchung hoffe ich, diese Lücke zu schließen.

Obwohl nur wenige Monografien existieren, die die Religionsphilosophien Kants und Schleiermachers unmittelbar vergleichen, gibt es die folgenden Arten von Literatur, die für die Abfassung dieser Untersuchung hilfreich waren: (1) Die Untersuchungen zum Einfluss Kants auf die Entwicklungsgeschichte von Schleiermachers frühen Gedanken – diese Art von Untersuchungen behandelt Schleiermachers Kritik an Kant –, was indirekt dazu beiträgt, die Unterschiede zwischen den Religionsphilosophien beider zu verstehen. In dieser Hinsicht können die Arbeiten von Eilert Herms5 und Günter Meckenstock6 als vorbildlich bezeichnet werden. (2) Die Untersuchungen zur Religionsphilosophie Kants aus der Perspektive des gesamten Konzepts der kantischen Philosophie, etwa die Forschungen von Allen W. Wood,7 Georg Picht,8 Karl-​Heinz Michel9 und Burkhard Nonnenmacher,10 helfen zu verstehen, dass Kants Religionsphilosophie eine wichtige Richtung seiner Epistemologie ist. (3) Die Untersuchungen zur Religionstheorie Schleiermachers aus einer philosophischen und dialektischen Perspektive machen die philosophischen Fragen hinter Schleiermachers Religionsphilosophie deutlich und bieten damit eine grundlegende Plattform für den Vergleich zwischen Kant und Schleiermacher. Dazu gehören die Schriften von Emil Schürer,11Andreas Arndt, John E. Thiel,12 Hans-​Joachim Birkner13, Christian Albrecht14 u.a.

Es ist notwendig, kurz die hier angewandte Methode der Interpretation zu erklären. Für die Auslegung der Religionsphilosophie Kants gibt es zwei unterschiedliche Richtungen: Entweder man betrachtet Kants Religionsphilosophie als Anhängsel seiner Moralphilosophie und hält sie für unnötig oder man sieht sie als eine Bemühung, die spekulative und praktische Vernunft, die Natur- und Freiheitsordnung miteinander zu verbinden.15 Dann kann man sie sogar als seinen Kerngedanken betrachten.16 Diese Untersuchung betrachtet Kants Religionsphilosophie als sein Bestreben, Tugend und Glück, Freiheit und Natur, praktische und theoretische Vernunft miteinander zu verbinden, was geradewegs zu Schleiermachers Erbschaftsverhältnis zu Kant in verwandten Fragen führt.

Außerdem gibt es noch eine Forschungsmethode in Bezug auf Kant, die hier besonders hervorzuheben ist. Diese Methode geht von den kantischen vorkritischen Schriften aus und fügt die vorkritische Gotteslehre mit der Gotteslehre der kritischen Periode zusammen.17 Der Grund liegt darin, dass sich das transzendentale Ideal, welches eines der zentralen Themen in der Dialektik der KrV ist, aus dem Gottesbeweis in zwei vorkritischen Schriften – nämlich: Principiorum primorum cognitionis metaphysicae nova dilucidatio und Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes – entwickelt. Jedoch bedeutet diese Entwicklung eine Kritik Kants an seinem eigenen sogenannten „ontotheologischen Beweis“ der vorkritischen Zeit. Ausgehend davon ist es deutlicher zu erkennen, warum Kant die Existenz Gottes nicht direkt aus der Idee vom transzendentalen Ideal ableitet. Die vorliegende Untersuchung folgt dieser Methode.

Was die Interpretation der Religionsphilosophie Schleiermachers angeht, lege ich den Schwerpunkt auf die Dialektik bzw. auf seine philosophischen Schriften. Es gibt nur wenige Bücher, die Schleiermacher zu seinen Lebzeiten veröffentlicht hat. Davon sind die Reden und die Glaubenslehre die wichtigsten. Dadurch entsteht der Eindruck, dass Schleiermachers Gedanken auf die christliche Theologie konzentriert waren und sich in seinem Werk kaum metaphysische Schriften wie die Kritik der reinen Vernunft Kants, die Wissenschaftslehre Fichtes und die Logik Hegels finden. Nach dem Tod Schleiermachers (1834) führten Hegels Schüler F. C. Baur und D. F. Strauß in der Tat eine lange Debatte über das Verhältnis zwischen Philosophie und Theologie in Schleiermachers Werk.18 Zu einem gewissen Grad führt diese Debatte auf Schleiermachers eigenes theoretisches Ziel zurück. In der Schrift Kurze Darstellung des theologischen Studiums möchte er die philosophische Theologie aufrichten und „das Wesen der Frömmigkeit und der frommen Gemeinschaften im Zusammenhang mit den übrigen Tätigkeiten des menschlichen Geistes“ (§ 21) verstehen.19 Als Anfang der modernen Schleiermacher-​Forschung versucht Diltheys Leben Schleiermachers (der erste Teil wurde im Jahr 1870 veröffentlicht), die Theologie und Philosophie Schleiermachers im Zusammenhang zu erklären. Diltheys Einfluss macht sich Anfang des 20. Jahrhunderts im Werk Troeltschs bemerkbar.20 Obwohl nach den 1920er Jahren die Dialektische Theologie und die Hermeneutik die Interpretation Schleiermachers beherrschten und scharfe Kritik an Schleiermacher formuliert haben, legten beide Denkrichtungen immer großen Wert auf das Verhältnis zwischen der Philosophie und der Theologie Schleiermachers.21 In den 1960er Jahren wurde der zweite Teils von Wilhelm Diltheys Schrift Schleiermachers System als Philosophie und Theologie veröffentlicht. Durch die gemeinsamen Bemühungen von Hans-​Joachim Birkner, Eilert Herms,22 Manfred Frank,23 Andreas Arndt,24 Michael Eckert,25 Christian Albrecht usw. wird der Versuch, Schleiermachers Religionsphilosophie und Theologie aus seinem „allgemeinen System der Wissenschaften“ zu verstehen, immer mehr zum Mainstream, und es werden die Dialektik und die Ethik als konzentrierter Ausdruck seines wissenschaftlichen Systems betrachtet.26 Da das Thema dieser Dissertation auf das Problem der Unerkennbarkeit Gottes fokussiert ist, wird hier mehr auf Schleiermachers Dialektik geachtet.

Religionsbegründung ohne Erkenntnis Gottes

Подняться наверх