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2.2.1 Die Unterscheidung zwischen „an sich“ und „für uns“

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In dieser Untersuchung wird argumentiert, dass eine der wichtigsten Ursachen für den Mangel an Gewissheit der Existenz Gottes darin besteht, dass Gott als die höchste Intelligenz nicht so genau festgelegt wird, wie man ein konkretes Objekt bestimmt, sondern nur gemäß der Beziehung zwischen Gott und der Welt. Wie in Abschnitt 1.3 dargestellt wurde, können wir durch die Methode der Analogie das vierte Glied an sich nicht bestimmen, sondern nur das Verhältnis zwischen dem vierten und dritten Glied erhalten. Im Anhang zur transzendentalen Dialektik betont Kant unermüdlich, dass wir nicht aussprechen können, was Gott an sich ist. Zur Verdeutlichung dienen folgende Beispiele:

„Denn daß wir ein der Idee correspondirendes Ding, ein Etwas oder wirkliches Wesen, setzen, dadurch ist nicht gesagt, wir wollten unsere Erkenntniß der Dinge mit transscendenten Begriffen erweitern; denn dieses Wesen wird nur in der Idee und nicht an sich selbst zum Grunde gelegt, mithin nur um die systematische Einheit auszudrücken, die uns zur Richtschnur des empirischen Gebrauchs der Vernunft dienen soll.“1

Über Gott als die höchste Intelligenz sagt Kant das Folgende:

„Auf solche Weise aber können wir doch (wird man fortfahren zufragen) einen einigen, weisen und allgewaltigen Welturheber annehmen? Ohne allen Zweifel; und nicht allein dies, sondern wir müssen einen solchen voraussetzen. Aber alsdann erweitern wir doch unsere Erkenntniß über das Feld möglicher Erfahrung? Keinesweges. Denn wir haben nur ein Etwas vorausgesetzt, wovon wir gar keinen Begriff haben, was es an sich selbst sei (einen bloß transscendentalen Gegenstand); aber in Beziehung auf die systematische und zweckmäßige Ordnung des Weltbaues, welche wir, wenn wir die Natur studiren, voraussetzen müssen, haben wir jenes uns unbekannte Wesen nur nach der Analogie mit einer Intelligenz (ein empirischer Begriff) gedacht, d.i. es in Ansehung der Zwecke und der Vollkommenheit, die sich auf demselben gründen, gerade mit den Eigenschaften begabt, die nach den Bedingungen unserer Vernunft den Grund einer solchen systematischen Einheit enthalten können. Diese Idee ist also respectiv auf den Weltgebrauch unserer Vernunft ganz gegründet.“2

In Von der Endabsicht der natürlichen Dialektik der menschlichen Vernunft findet man noch ähnliche Sätze, die ich hier nicht mehr zu zitieren brauche.3 Wie oben erwähnt, wurzelt die Unterscheidung zwischen an sich und für uns im Erkennen Gottes durch die Analogie. In der Formel G1 : F1 = G2 : F2 wird das Glied G2 nicht unmittelbar definiert, sondern durch die Beziehung zwischen G2 und F2, die ein Analogon der Beziehung zwischen G1 und F1 ist. In Bezug auf das Erkennen Gottes ist die höchste Intelligenz keine direkte Bestimmung Gottes, denn über das, was Gott an sich ist, haben wir kein Wissen. Der Grund, warum wir Gott die höchste Intelligenz nennen, liegt darin, dass die systematische Einheit der Welt es uns ermöglicht, ihn als die höchste Intelligenz zu bestimmen, so wie unsere menschliche Intelligenz den Grund der künstlichen Werke bildet. Daher ist Gott nicht an sich selbst die höchste Intelligenz, sondern für uns oder für die systematische Einheit der Welt, wie in den Prolegomena ausgeführt wird: „Vermittelst dieser Analogie bleibt doch ein für uns hinlänglich bestimmter Begriff von dem höchsten Wesen übrig, ob wir gleich alles weggelassen haben, was ihn schlechthin und an sich selbst bestimmen könnte; denn wir bestimmen ihn doch respectiv auf die Welt und mithin auf uns, und mehr ist uns auch nicht nöthig.“4 Diese Passage macht deutlich, dass die höchste Intelligenz nicht die Bestimmung von Gott an sich selbst ist. Außerdem hat Kant die obige Auffassung in der KU auf eine neue Weise zum Ausdruck gebracht:

„Ein Beweis aber, der auf Überzeugung angelegt ist, kann wiederum zwiefacher Art sein, entweder ein solcher, der, was der Gegenstand an sich sei, oder was er für uns (Menschen überhaupt) nach den uns nothwendigen Vernunftprincipien seiner Beurtheilung sei (ein Beweis κατ' αληθειαν oder κατ' ανθρωπον, das letztere Wort in allgemeiner Bedeutung für Menschen überhaupt genommen), ausmachen soll. Im ersteren Falle ist er auf hinreichende Principien für die bestimmende, im zweiten bloß für die reflectirende Urtheilskraft gegründet.“5

In dieser Passage ist die Analogie eng mit der reflektierenden Urteilskraft verbunden. Daher ist es Kant zufolge ein Beweis κατ' ανθρωπον bzw. in Bezug auf die Menschen, dass Gott die höchste Intelligenz hat. Das unterscheidet sich von der bestimmenden Urteilskraft, die das hinreichende Prinzip ist, um die Mannigfaltigkeit unter einen einheitlichen Begriff oder unter die Kategorien zu bringen. Die Analogie oder der Beweis κατ' ανθρωπον bezieht sich aber auf die reflektierende Urteilskraft, die die intellektuellen Eigenschaften Gott zuschreiben, um die systematische Einheit der Welt zu interpretieren. Wie Kant in Von dem regulativen Gebrauch der Ideen der reinen Vernunft der KrV sagt: „Die Einheit aller möglichen empirischen Verstandeshandlungen systematisch zu machen, ist ein Geschäfte der Vernunft, so wie der Verstand das Mannigfaltige der Erscheinungen durch Begriffe verknüpft und unter empirische Gesetze bringt.“6 D.h. Gott ist nicht ein sinnlicher Gegenstand, der von den Kategorien bestimmt wird, er bezieht sich immer auf die systematische Einheit der Welt. Damit wird die höchste Intelligenz immer respektiv auf die Welt Gott zugeschrieben.

Zusammenfassend kann durch die Unterscheidung zwischen an sich und für uns festgelegt werden, dass die höchste Intelligenz keine direkte Bestimmung von Gott als Ding an sich ist, so wie der Verstand seinen Gegenstand direkt bestimmt. Nur in Bezug auf Gottes Verhältnis zur Welt und zum Menschen kann Gott als die höchste Intelligenz betrachtet werden. Anders gesagt, die systematische Einheit der Welt als Folge erfordert die höchste Intelligenz als Grund. Was Gott an sich angeht, ist die Gewissheit seiner Existenz jedoch noch unbekannt.

Religionsbegründung ohne Erkenntnis Gottes

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