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Sechs

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Die meisten meiner Mitarbeiter in Halle hatten einen hohen Bildungsstandard und oft sogar studiert. Da gab es unter anderem Lehrer und Ingenieure, sogar eine promovierte Dozentin von der halleschen Uni war darunter, Frau Doktor Sarah Klug, die immer gemeinsam mit ihrem Partner, dem besagten Jan Abendroth, zu den Schulungen kam. Sie sah nicht nur ziemlich gut aus, sondern machte auch einen ähnlich gewieften Eindruck wie er. So schlossen sie erst mal jeder gegenseitig eine Lebensversicherung ab, um damit den ersten eigenen Umsatz zu tätigen und damit die erste Provision zu erwirtschaften. Herr Abendroth brachte dann zum nächsten Infoabend auch gleich einen Bekannten mit, den er als neuen Mitarbeiter angeworben hatte, Herrn Theo Zack.

Dieser Bekannte erkundigte sich bei mir in einem Vieraugengespräch gleich zu Beginn nach den Einstellungsvoraussetzungen und etwaigen Ausschlusskriterien. Das hatte mich noch niemand gefragt. Er würde ein Führungszeugnis brauchen, teilte ich ihm erstaunt mit, aber erst, wenn er hauptberuflich tätig würde, meinte ich mich zu erinnern. Was er denn von Beruf sei, fragte ich ihn, nun neugierig geworden. In zackigem Ton, der Name war hier anscheinend Programm, teilte er mir mit, dass er Oberstleutnant der NVA sei und damit rechne, sich in Kürze ein neues Betätigungsfeld suchen zu dürfen. Ein Oberstleutnant, hoho, ein hoher Militär, also daher wehte der Wind.

Ich fragte ihn, ob er denn von der Firma sei, wie die Staatssicherheit oft genannt wurde, was er aber verneinte. Man traf ja ohnehin niemanden, der bei der Firma gewesen war. Doch die Tatsache, dass er als Offizier ziemlich schnell nach der Wiedervereinigung arbeitslos werden sollte, legte den Verdacht nahe. Immerhin, der Mann wusste sich zu helfen. Als ich eines Tages einen Termin bei ihm zu Hause hatte, staunte ich nicht schlecht. Der lange Wohnungsflur war hüfthoch mit Schachteln und kleinen Paketen vollgestellt. Bei näherem Hinsehen entpuppte sich das Ganze als regelrechtes Warenlager von Pornoheften und -videos, Dildos und Ähnlichem. Hatte er doch in seiner Wohnung tatsächlich eben mal einen schwungvollen Handel mit Erotikartikeln aufgezogen. Nicht schlecht. Was wohl seine vierzehnjährige Tochter dazu sagte?

Wenig später stieg der Herr Oberstleutnant a.. dann auch noch in den Handel mit Militaria ein. Sicher, zu DDR-Orden und Ehrenabzeichen hatte er bestimmt einen guten Draht und zu den Orden aus dem sozialistischen Bruderland der Sowjetunion mit der immer viel beschworenen deutsch-sowjetischen Freundschaft sicherlich auch. Ob er vielleicht auch noch mit Orden des Vorgängersystems handelte, wollte ich lieber erst gar nicht wissen. Ließ der geschasste Führungsoffizier der Nationalen Volksarmee auf der einen Seite keinen Zweifel daran, was er von dem neuen politischen System hielt, nämlich nichts, so verstand er auf der anderen Seite die Marktwirtschaft doch sehr schnell und wusste sie für seinen eigenen Vorteil gut zu nutzen.


Ungeachtet dessen, je mehr ich mit meinen Mitarbeitern besser bekannt wurde und diese sich auch untereinander kennenlernten, umso mehr wuchsen wir gemeinsam zu einer lustigen Truppe zusammen. Da gab es meine beiden Leipziger, beide von Anbeginn dabei. Sie fielen immer durch ihre »Was ist denn wenn«-Fragen auf und sahen potenzielle Probleme bereits auf fünf Kilometer Entfernung. Als ich anfing, in Leipzig Schulungen zu veranstalten, kamen sie bald dorthin und sparten sich den Weg nach Halle. Die beiden amüsierten immer wieder durch ihre Optik. Wirkten die geleckten OVB-Durchstarter mit ihren Bossanzügen und ihren dicken Uhren in Hannover schon etwas überkandidelt, so stellten die beiden das krasse Gegenteil in ihrer Aufmachung dar. Aber so waren sie halt. Frau Gehrke konnte sich bei einem gemeinsamen Meeting nicht verkneifen, die beiden darauf anzusprechen, was diese aber gar nicht so recht nachvollziehen konnten. Horst und ich trugen zwar keine teuren Bossanzüge, aber Anzug war in der Branche eigentlich schon Pflicht.

Dann gab es da noch Frau Wonne aus Merseburg. Mitte dreißig, verheiratet, zwei Kinder, gelernte und nun arbeitslose Anlagenbauerin. Die hatte das Fachliche ganz schnell drauf und auch überhaupt kein Problem, Kontakte zu machen. Bei jedem Meeting hatte sie wieder ein paar Kundenanalysen dabei, die wir gemeinsam durchgingen. Die anschließenden Beratungen machte sie schon sehr bald selber und brachte stets ausgefüllte und unterschriebene Anträge zurück. Sie transpirierte allerdings sehr stark, was in kleinerer Runde manchmal das Atmen erschwerte. Das lag sicher an den guten DDR-Blusen aus Dederon, wie der Synthetikstoff hieß. Sie hatte bald ihren Spitznamen weg: Elvira Büffel.

Bereits von Beginn an dabei war auch Frau Bark, eine kleine, dunkelhaarige, verschmitzte Lehrerin. Die fand ich auf Anhieb total sympathisch und auch sie hatte ebenfalls schnell begriffen, wie das mit dem Verkaufen ging. Nur bei den sogenannten Abschlusstechniken war ihr die Frau Wonne noch etwas überlegen. Aber auch die Lehrerin verkaufte sehr schnell selber. Frau Bark brachte gleich noch ihre Kollegin mit. Beim Infoabend kamen beide noch mit Mann, aber zu den Schulungen dann nur noch allein. War die Frau Bark eine selbstbewusste Optimistin, so gehörte ihre Kollegin eher zu den schüchternen Skeptikern.

Weniger sympathisch war mir das Trio um die Frau Doktor. Die drei blieben meist eher etwas unter sich. Der Herr Oberstleutnant legte immer ein ziemlich zackiges Auftreten an den Tag, wenn er sich zu Wort meldete und ich merkte, dass er es nicht gewohnt war, jemand anderem zuzuhören und Dinge einfach so hinzunehmen. Außerdem ärgerte ich mich immer noch über die Dreistigkeit meines »Vermieters«, mir für die kleine Wohnung so viel Geld abzunehmen.

Bald gesellte sich noch ein junges, sympathisches Ehepaar zu uns. Beide total nett und sie eine richtige Schönheit. Doch recht schnell sollte ich merken, dass die beiden ein Problem hatten, was er mir gegenüber eines Tages auch ganz offen ansprach: Er hatte tatsächlich hauptamtlich für die Stasi gearbeitet. Und nun fürchtete er mögliche Repressalien. Er sollte der erste und einzige Mensch bleiben, der tatsächlich zugegeben hatte, bei der Stasi gewesen zu sein.

Daneben gab es noch eine Reihe weiterer Mitarbeiter. Da kamen Neue hinzu, andere gingen. Eine gewisse Fluktuation ist in der Branche ganz normal. In Summe hatte sich bald ein harter Kern herauskristallisiert, der Woche für Woche regelmäßig zu den Schulungen kam und schon bald eigenes Geld verdiente. Eine bunt gemischte Truppe und mit den meisten von ihnen machte die Zusammenarbeit richtig Spaß.

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