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Kapitel 4: High Noon

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Der besagte McDonalds war nicht weit entfernt. So entschied sich Paula für das Laufen und gegen das Auto. Trotzdem war sie pünktlich. Sie hasste nichts mehr als zu spät kommen – am liebsten war sie schon eine Viertelstunde vor der vereinbarten Zeit an Ort und Stelle. Lage checken, sondieren, entscheiden, handeln…. Nur nicht auf den letzten Drücker kommen und dadurch erwartet werden und deswegen im Mittelpunkt stehen. Sollte dies der Fall sein – würde sie direkt wieder verschwinden! Ohne Rücksicht auf Verluste! Egal wer ihre Verabredung war!

Der McDonalds war bis auf einige wenige Nachtschwärmer leer. Es herrschte fast andächtige Stille. Sie entschied sich für einen Platz direkt rechts neben dem Eingang mit Blick auf die Bedienungstheke – die Wand im Rücken.

Keep cool! Alles unter Kontrolle, Paula! Ich hoffe er merkt nicht, wie nervös ich bin!

Warum zum Henker war sie nur so nervös? Wegen eines Kerls, den sie weder kannte, noch wirklich wollte.

Tief durchatmen! Kopf freimachen!

Fast hätte Helge seine spontane nächtliche Verabredung übersehen. Beim Betreten des McDonalds sah er sie nicht. Der Laden war fast leer, also konnte er sie eigentlich nicht übersehen haben. Zudem war sie groß. Sehr groß für eine Frau. Aber ihm gefiel ihre Größe. Endlich mal eine Frau, zu der er sich nicht hinunter bücken musste und Gefahr lief, nach fünf Minuten Knutschen einen Bandscheibenvorfall der Halswirbelsäule zu bekommen. Paula war nicht sein Typ Frau – absolut nicht. Sie war ihm eigentlich zu rund, zu üppig. Dennoch, etwas an ihr zog ihn magisch an. Vielleicht die Tatsache, dass ihm sein Vater die Pistole auf die Brust gesetzt hatte, oder aber – das kam Helge ganz entfernt in den Sinn– sollte er sich tatsächlich in diese Frau verliebt haben? Entweder verabschiedete er sich von seiner Vielweiberei und konnte ihm eine anständige Schwiegertochter präsentieren, die auch in der Lage war, an der Seite von Helge das Unternehmen zu repräsentieren. Oder aber Helge würde hochkant aus der Firma fliegen. Sein Vater war ein Mann des Wortes zu dem dieser auch Stand! Immer! Helges Vater irrte sich nie, machte nie Fehler und würde nie einen Entschluss rückgängig machen. Es war schon eine harte Bürde Sohn ein solch Perfektionisten zu sein, ganz zu schweigen davon, das Erbe als zukünftiger Geschäftsführer zu werden.

Vielleicht war es aber auch ihr Blick. Neugierig, offen und gleichzeitig so distanziert. Er wusste gar nicht, dass diese Kombination überhaupt möglich war – bis er Paula begegnete. Auf der Suche nach Paula ging Helge sogar in Richtung Waschräume und als er schon enttäuscht den Laden verlassen wollte sah er sie. Links vom Ausgang saß sie. Versteckter ging es nicht. Nervös hob sie die Hand und begrüßte ihn mit einem unsicheren ‚Hi’. Wäre es nach ihm gegangen, hätte er sie zur Begrüßung gerne in den Arm genommen. Doch da sie sich nicht rührte und fast wie erstarrt wirkte, setzte er sich lediglich ihr gegenüber und schaute sie abwartend an. Wie gerne hätte er an ihrem fantastischen Haar gerochen. Wie sie wohl duftete? Er konnte kein Parfum erschnuppern. Auch trug sie heute keine Schminke – dennoch war ihr Gesicht schön. Anders konnte er es nicht beschreiben. Ein Schmollmund, den er allzu gern einmal kosten wollte. Wahrscheinlich nicht heute Nacht. Diese Frau benötigte Zeit – so viel stand fest.

„Zu was darf ich dich einladen?“ Er versuchte das dicke Eis zu brechen, welches zwischen Ihnen lag.

Sie überlegte einen kurzen Augenblick und entschied sich dann: „Einen White Chocolate - groß bitte!“

„Oh, du bist eine Süße?! Das hätte ich mir vorher denken können.“

War das tatsächlich ein Lächeln, was da so unscheinbar über ihr Gesicht huschte. Er schaute genauer hin – sah aber nichts außer einem intensiv musternden Blick, dem scheinbar Nichts und niemanden entging. Gentlemanlike orderte Helge ihre beiden Getränke und war in kurzer Zeit zurück. Sie saß immer noch auf ihrem Platz – nicht, dass er sie aus den Augen gelassen hätte, doch er war sehr froh, dass sie nicht die Flucht ergriffen hatte. Beide nippten still an ihren Heißgetränken.

Schließlich durchbrach Paula die Stille: „Mit was verdienst du dein Geld?“

Frisch und frei von der Leber weg – damit hatte Helge so auch nicht gerechnet. Er schluckte und räusperte sich, ehe er zu sprechen begann: „Ich arbeite in der Export-Firma meines Vaters. Da mein Vater gesundheitlich nicht mehr reisen kann, bin ich für unsere Geschäftspartner im Ausland verantwortlich. Ich bin viel unterwegs und war schon auf jedem Kontinent. Fünfundfünfzig Prozent meines Jobs verbringe ich reisend.“

Anerkennend hob Paula eine Augenbraue.

Nun war Helge daran, mehr aus seinem stummen Gegenüber heraus zu bekommen.

„Ich, tja, also… .“

Was erzähle ich ihm bloß? Dass ich ein Abitur mit Bestnoten in der Tasche habe, aber damit nur jobbe, um irgendwie über die Runden zu kommen? Das ich immer noch nicht weiß, was ich wirklich machen will, wer ich bin oder wer und was ich mal sein möchte? Dass ich absolut planlos bin und treibe wie ein Stück Holz auf der Elbe... .

Ach, weißt du“, antwortete Paula im Plauderton, „Nennen wir es mal experimentell.“

Helge bekam große Augen mit riesigen Fragezeichen darin. Was um Himmels Willen meinte Sie mit experimentell? Das hätte er nicht gedacht. Paula wirkte gefestigt, zielstrebig, selbstbewusst… Oder war einfach nur eine absolut hervorragende Schauspielerin und Meisterin der Blendung.

Nach einer kurzen Überlegung meinte er schließlich: „Weißt du was - Ich brauche eine neue Assistentin. Was hältst du von der Idee diesen Job zu übernehmen? Wenn du möchtest und willst, kann es Montag direkt losgehen… .“ Er grinste triumphierend in dem Wissen, sie festgenagelt zu haben.

Wie bitte? Was will der? Das träume ich doch gerade, oder? Halluzinationen nach übermäßigem Alkoholkonsum!

Jetzt war Paula an der Reihe aus der Bahn zu geraten. Sie hatte mit allem gerechnet, vor allem mit doppeldeutigen Angeboten, mit Flirtattacken inklusive der Aussicht auf einen körperlichen Zweikampf. Nur nicht mit einem Jobangebot. Vielleicht sollte sie einfach ins kalte Wasser springen und ja sagen. Nell wäre stolz auf sie, wenn sie Mann und Job in fast einem Atemzug präsentieren könnte… . Für Nell würde sie es einfach tun. Nur für Nell… !

Sie unterhielten sich noch eine weitere Stunde über Dies und Das ohne wirklich Persönliches Preis zugeben. Gegen 5 Uhr verabschiedeten sie sich voneinander. Es war Sonntagmorgen. Die Sonne schob sich bereits am Horizont der Welt entgegen. Ihrer Welt, die gerade begann, unrund zu Laufen. Paula hasste es, wenn sie die Dinge nicht unter Kontrolle hatte. Und dieses Date lief so gar nicht nach ihrem Rhythmus. Zum Abschied schüttelte Helge ihr kurz die Hand. Kein Heranpirschen in der Hoffnung auf einen Gute-Nacht-Kuss oder ein flüchtiges Berühren sehr intimer Körperteile. Er schüttelte ihr die Hand wie einem Geschäftspartner. Nicht mehr nicht weniger. Paula war verwirrt. Dieser Mann brachte sie so was von aus der Bahn. Er machte ihr Angst. Doch beim Blick in seine Augen – sie waren so geheimnisvoll - konnte sie sich darin verlieren. Sie wusste, es war gefährlich, sich zu verlieren. Gefährlich für Paula, die auf Kontrolle und Beherrschung schwor.

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