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Heulen mit den Wölfen

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In der darauffolgenden Woche war es so weit und Willi Bergmann musste sich entscheiden. Genauer gesagt zwischen zwei Übeln wählen: Weiterhin arbeitslos zu bleiben oder gegen die eigenen Werte, seine innere Überzeugung und seine persönliche Einstellung verstoßen.

Schließlich sah er für sich und seine Familie keine bessere Lösung und nahm das Angebot des Ortsgruppenführers Tischler an.

Er bekam daraufhin einen Termin für ein Vorstellungsgespräch bei der Verwaltung in Brandenburg-Görden. Ihn erwartete dort der für die Einstellungen zuständige Hauptwachtmeister Fux. Doktor Fux, wie er angesprochen werden wollte. Er war ein als Menschenhasser bekannter Soziopath, dem jegliche soziale Kompetenz abhandengekommen war. Solche Menschen waren prädestiniert für eine Karriere unter den Nationalsozialisten. Die liebste Beschäftigung dieses Unmenschen war es, die Insassen der Strafanstalt zu schikanieren. Dieser Tätigkeit kam er, sooft sich eine Möglichkeit ergab, nach. Das allerdings wurde Willi erst zu einem späteren Zeitpunkt bewusst.

Fux war bekannt, nein berüchtigt, als „der schreckliche Doktor“. Dieser Name war das Markenzeichen für sein durchtriebenes Programm. Man munkelte, dass Fux aus der »Klapse«, der Geschlossenen Landesanstalt für Psychiatrie in Brandenburg-Görden entwischt wäre und nun hier sein Unwesen treiben würde.

»Mein Name ist Doktor Fux. Doktor Rainer Fux. So, so. Theobald Tischler hat sie empfohlen«, er strich sich genüsslich über seine ausgeprägte, glänzende Glatze, schnalzte zweimal mit der Zunge, bevor er weitersprach. »Wenn Sie von TT kommen, wird das schon passen. Sind Sie Parteigenosse? Sicher doch? Wenn nicht, empfehle ich ihnen, dies schnellstens nachzuholen.«

Mit diesen Worten drehte er sich zu einem Schild an der Wand um, zeigte mit seiner linken Hand auf jede einzelne Zeile und las im Stil eines Oberlehrers voller Arroganz laut und deutlich betonend vor:

»Arbeit, Disziplin und Güte,

Lockern selbst ein hart‹ Gemüte,

Löschen das Vergangene aus,

Führen heim ins Vaterhaus.«

Ein kurzes Kichern, wie über einen gelungenen Witz, unterbrach seinen Vortrag.

»Das sind unsere Leitsätze im Zuchthaus Görden. Das mit der Güte sollten Sie allerdings nicht übertreiben. Ich übersetzte diesen Vers einfacher in »Arbeit macht frei«, wenn Sie verstehen, was ich meine?« Er lachte bei dieser abfällig gemeinten Bemerkung in einer widerlichen Art und Weise, die bei Willi eine Gänsehaut hervorrief. Ein fast teuflisches Lachen, wie es Willi nie zuvor in seinem Leben gehört hatte, deshalb war er sehr froh, den schrecklichen Doktor schnell verlassen zu dürfen.

Am nächsten Tag trat er zähneknirschend in die NSDAP ein, wurde dadurch zum Freiwilligen der SS-Reserve, bekam eine neue graue Uniform und trat Anfang März 41 seine neue Beschäftigung in der Strafanstalt Brandenburg-Görden, dem sogenannten Zuchthaus, an.

Ein gutes Gefühl hatte er dabei nicht.

War es richtig, sich den verhassten Nazis anzuschließen? Aber, was soll’s, dachte Willi, es ging schließlich um meine Familie. Augen zu und durch! Manchmal musste man mit den Wölfen heulen.

»Erst kommt das Fressen, dann die Moral«, hatte Willi einmal auf einem Plakat gelesen.

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