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Alles was mir an Leid widerfahren ist, hat mich nur immer wieder darin bekräftigt, meinen eigenen Weg zu gehen und mich für meinen eigenen Willen zu entscheiden.

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(Delil Duman)

Mein Sohn betrachtete mich teils mitleidig, teils verwundert: »Das muss ein wirklich schlimmer Schock für dich gewesen sein, so plötzlich von deiner Familie getrennt zu werden. Echt jetzt? Du solltest zum Priester erzogen werden?«

»Ja, noch immer vertrete ich die Meinung, ein Kind sollte in seiner intakten Familie bleiben. Deshalb kannst du dir ausmalen, wie entsetzt ich war, als Fergus deine Schwester Sascha in ein Internat geben wollte. Der Beschluss meines Vaters, brachte mein gesamtes Weltbild ins Wanken. Den einzigen Wunsch, den ich bis dahin verspürte, war, genauso zu sein wie mein Vater, oder mein großer Bruder; nämlich ein stolzer Krieger zu werden. Stattdessen wurde ich ein Opfer der undurchsichtigen Politik meines Vaters.«

»Das verstehe ich jetzt nicht. Was hat das Priestertum denn überhaupt mit Politik zu tun?«, fragte Agnir ein wenig irritiert.

»Inzwischen war Gødrik, der Sohn des Sigurd, König von Dänemark geworden. Und statt die Tochter des Clanführers der Haraldinger als seine Gemahlin zu wählen, hatte er sich stattdessen für ein Sachsenmädchen entschieden. Er nahm Alfhild, vom Stamme der Nordalbingier zur Gemahlin. Das traf nicht gerade auf das Wohlwollen der Haraldinger, die sich übergangen fühlten. So überlegten sie, ob sie im Norden, nicht ein eigenes Königreich gründen sollten; mit meinem Vater als König. Der Dänenkönig wiederum sah Skryrmir als Eidbrüchigen an, weil ihm dieser sein Treuegelöbnis nicht gab und seinerseits Gødrik des Vertragsbruchs bezichtigte. Und wie das so ist, wenn jemand nach der Königswürde strebt, müssen die Götter, oder zumindest die Priester, auf seiner Seite sein. Wenn jedoch jemand aus dem aufstrebenden Königshaus in die Priesterschaft eintritt, ist den Priestern quasi garantiert, dass dieses Mitglied sich ausreichend um ihre klerikalen Interessen bemüht. Das war nicht nur bei den Katholiken so. Das System ist überall das Gleiche, nur die Namen der Parteien sind beliebig austauschbar. So wäscht eine Hand die andere«, erklärte ich ihm. »Dabei war ich in etwa so spirituell, wie eine verdammte Stehlampe, nur nicht so erleuchtet.«

»Okay, deshalb bist du letztendlich auch kein Priester geworden, oder? Und das, obwohl es deines Vaters Willen war. Trotzdem hast du dich dagegen entschieden. Warum genau?«, fragte er neugierig.

»Weil ich mich lieber an die Worte meiner Mutter hielt, die sie mir beim Abschied ins Ohr raunte.«

»Und die waren?«

»›Höre auf dein Herz. Denke daran, wo deine Wurzeln liegen. In deinen Adern fließt nicht nur das Blut des Drachentöters, sondern genauso das der Skoloti. Niemand sperrt einen Nomaden ein. Geh deinen eigenen Weg, mein Sohn.‹ Genau das waren ihre Worte. Also suchte ich einen passenden Zeitpunkt und die Gelegenheit, um zu türmen. Und überhaupt, mein Name ist Ragnor, was so viel bedeutet wie: Krieger der Götter. Er bedeutet jedoch nicht: Diener der Götter!«

»Nun ja, Cornelius erzählte mir bereits, du hättest den Rang eines Ausbrecherkönigs inne. Du bist aus dem unterirdischen Bunker von Salomons Ring, und sogar aus dem Kerker der Ewigkeit geflohen, der sich nirgendwo anders befindet, als in der Dämonendimension.«

»So, so! Was Connie nicht alles nebenbei ausplaudert, diese alte Schwatzbacke… Erzähl ihm bloß nicht, dass ich ein verdammter Priester werden sollte. Wenn er das erfährt, wird er mich damit bis ans Ende der Zeit aufziehen. Kann ich jetzt weitererzählen, oder hast du noch irgendwelche Fragen, die ich dir beantworten soll?«

»Nein, bitte. Erzähle weiter!«, bat Agnir.

Der Aufenthalt im Heiligtum bedeutete für mich auch nichts anderes, als eben jenes, was ich von zuhause gewohnt war. Wieder einmal war ich das kleinste Licht in der Befehlskette. Die Bedeutung dürfte jedem klar sein: Ich musste die unangenehmsten und gleichzeitig anstrengendsten Aufgaben erledigen, die sonst niemand ausüben wollte. Zum Glück konnte ich mein Schicksal mit einem gleichaltrigen Leidensgenossen teilen. Der Novize Gunnar war genauso rothaarig wie ich, und durch seines Vaters Willen ebenfalls zu den Priestern gebracht worden. In einem Punkt unterschieden wir uns jedoch gewaltig. Während er seine Aufgaben mit einer ihm eigenen, ungebremsten Götter verehrenden Hingabe ausführte, betrachtete ich mein Dasein hingegen eher als schweres Los. Ganz gegen meine Gewohnheiten musste ich sogar in der Küche arbeiten; Gänse rupfen, Rüben schälen und schneiden, und nach den Mahlzeiten den Abwasch erledigen. Zudem legte ich Kräuterbeete an und sorgte dafür, sie von Unkraut frei zu halten. Nahezu demütigend fand ich es, mich um die Wäsche der Priester kümmern zu müssen. Wer schon mal im eiskalten Wasser schmutzige Wäsche wusch, wird mir zustimmen, wie schnell Hände gefühllos werden können. Und wenn ich nicht gerade Kohlen zum Auffüllen der ständig glühenden Kohlebecken an den verschiedenen Götterschreinen schleppen musste, wurden mir fremde Kräuter und Pilze unter die Nase gehalten, von denen ich weder Aussehen, noch Namen verinnerlichen konnte. Trotzdem gab ich mir wenigstens in dieser Beziehung ein wenig Mühe, denn es konnte nie schaden, zu wissen, in welcher Form die Ingredienzen ihre Wirkung taten. So gingen die Tage dahin. Und in mir reifte der Plan, sobald es wärmer werden sollte, zu flüchten. Ich verhielt mich so unauffällig wie möglich und tat klaglos meine mir auferlegten Pflichten. Niemand sollte mir anmerken, dass es mir im Heiligtum nicht gefiel. Denn sollte jemand auch nur ansatzweise bemerken, ich wolle fliehen, würden sie mich nur umso genauer beobachten und meine Flucht zu vereiteln versuchen. Hinzu käme, dass sie mir willkürlich den Ausgang verweigern würden, der mir als einzige Freude meines vorherigen Lebens geblieben war. Für mich stand hundertprozentig fest, dass ich mich hier im Heiligtum, lediglich auf der Durchreise befand. Obwohl die Priester weitestgehend freundlich waren und uns körperlich nicht züchtigten, konnte mich trotzdem nichts erwärmen, weiterhin an diesem Ort zu verweilen.

Im Nachhinein muss ich zugeben, viele mir später noch nützliche Dinge bei der Priesterschaft gelernt zu haben. Zuerst war ich nicht sonderlich erbaut darüber, wie ein Weib das Nähen zu erlernen. Darum gab ich mir dabei keine besondere Mühe.

»Ragnor!«, rügte mich der Priester namens Halvar, der dem Hospital vorstand. »Diese Stiche sind viel zu grob! Junge, trenne sie gefälligst wieder auf und beginne von vorn!«

Wie frustrierend das war! Und da ich nicht immer wieder von vorn beginnen wollte, tat ich die nächsten Stiche sorgfältiger.

Unseren Dienst an den Göttern mussten wir mehrmals am Tag nachgehen. Meine stillen Gebete an die Götter hatten lediglich einen einzigen Zweck: Ich versuchte sie davon zu überzeugen, auch als Krieger ihren Willen ausführen zu können, um ihnen gefällig zu sein. All mein Denken kreiste nur um einen Punkt: Wieder nach Hause zu meiner Familie zurückzukehren.

Vor allem um meine Schwester Svenja machte ich mir große Sorgen. Ich träumte immer wieder, mit meiner Familie endlich vereint zu sein – nur war ihr Platz jedes Mal leer. Das beunruhigte mich zutiefst. Obwohl sie älter als ich war, kam es mir beinahe so vor, als sei Svenja meine jüngere Schwester. Denn bei der stets kränkelnden Svenja, ließ ich genauso viel Rücksicht walten, wie bei der kleinen Gundfreya, die ich immerzu in Schutz nehmen musste, wenn die älteren Geschwister sie zu drangsalieren versuchten.

Mit meinem Wissen über Kräuter und dem Können im Nähen erzielte ich sichtbare Fortschritte. Darum war mir endlich etwas Abwechslung gegönnt. Im Heiligtum gab es ein Hospital, oder eher eine Krankenabteilung, wohin Menschen kamen, die hofften bei den Priestern Heilung zu finden. Manchmal wurden aber auch schwere Fälle von weit außerhalb zu den Priestern ins Heiligtum gebracht, da es unter ihnen versierte Heilkundige gab. Und wenn sie medizinisch nichts mehr für den Kranken zu vollbringen imstande waren, blieb immerhin die Option offen, für sie Gebete an die Götter zu senden.

Und weil an diesem Tag die Priester alle Hände voll zu tun hatten, durfte ich einem Verletzten die Wunde vernähen, die aussah, als wäre sie ihm durch einen Schwertstreich verpasst worden. Der Kerl wirkte kernig und war in Topform, besaß mehr Narben als Finger und machte den Eindruck, als würde er solche halben Portionen wie mich, kurzerhand zum Frühstück verspeisen. Ihm fehlte, genauso wie meinem Vater, ein Auge. Also versuchte ich ihn, während ich seine Wunde mit Kräutertinktur reinigte und anschließend mit kleinen Stichen vernähte, nach Leibeskräften auszuquetschen, um so viel wie möglich von seinem Wissen als Krieger zu profitieren. Ich musste zugeben, dass ich unseren verrückten Ausbilder Arnulf schrecklich vermisste. Und sobald ich zum Reisig sammeln ausgeschickt wurde, holte ich, mit einem gewöhnlichem Stock, mein mir so vertrautes Schwerttraining nach.

»Hast du im Süden für König Gødrik gekämpft?«, versuchte ich meine Stimme so belanglos wie möglich klingen zu lassen.

»Ja, ich kämpfte an der Grenze gegen die Truppen vom alten Karl. Habe dabei keinen einzigen Kratzer abbekommen!«, prahlte der Krieger, der nicht einmal das Gesicht verzog, als ich in sein Fleisch stach. »Wie alt bist du? Zehn?«, fragte er.

»Acht«, antwortete ich.

»Du bist sehr groß für den Alter«, bemerkte er.

»Mag schon sein. Und wie bist du zu dieser Wunde gekommen?«, fragte ich höchst interessiert. »Entschuldige meine Neugier, ich will nämlich ebenfalls mal ein großer Krieger werden«, sagte ich aus meiner kindlichen Naivität heraus.

»Diesen Hieb hat mir ein Kerl beim Würfeln verpasst. Ha, ha, ha! Behauptete, ich hätte ihn betrogen!«, lachte er. »Junge, kannst du ein Geheimnis für dich behalten?«

Ich hielt mit meinen Näharbeiten inne. »Natürlich, wir sind hier im Heiligtum Uppsala, nichts dringt nach draußen.«

»In Ordnung. Er hatte recht gehabt - ich habe ihn beim Würfeln beschissen, weshalb ich das hier auch redlich verdient habe«, deutete er auf seine Wunde. »Beim nächsten Mal bin ich vorsichtiger...« Er stutzte, dachte kurz nach und redete daraufhin leiser. »… Moment mal, wenn du ein Krieger werden willst, befindest du dich dann nicht eindeutig am falschen Ort?«

Vorsichtig blickte ich mich um, ob auch niemand unserem Gespräch seine übermäßige Aufmerksamkeit schenkte. Die Luft war rein. »Das war allein meines Vaters Wille, nicht der meine«, flüsterte ich. Um uns herum kümmerten sich die Priester aufopfernd um ihre Patienten. Sie beachteten uns kaum. So konnte ich sicher sein, dass uns niemand belauschte.

»Tja, der Wille der Väter. Und wer ist dein Vater? Ist ja nicht so, als würden sie hier jeden Krethi und Plethi aufnehmen.«

»Skryrmir Einauge, Stammesfürst der Haraldinger«, antwortete ich leise.

Mein Gegenüber zog hörbar die Luft ein und seine Stimme verwandelte sich sogleich in ein Flüstern: »Wenn du wirklich Krieger werden willst, Junge, schlage ich vor, du setzt deinen Entschluss so bald wie möglich in die Tat um. Sollte Gødrik erfahren, dass Skryrmir seinen Sohn hier bei den Priestern gelassen hat, könnte er auf die dumme Idee verfallen, dich als Geisel in seine Gewalt zu bringen. Oder noch schlimmer - ein Exempel an dir zu statuieren. Übrigens kenne ich Skryrmir gut, wir fuhren ein paar Jahre gemeinsam zu den britischen Inseln rüber. Ist ein feiner Kerl. Ich bin Wulfric Knutson und lebe auf Jütland, in Bramminge, ganz in der Nähe deines Onkels Úlfur«, stellte er sich mir vor.

»Ragnor Skryrmirson«, gab ich mich wortkarg. Was Wulfric erzählte, beunruhigte mich zutiefst.

Der Recke sah sich ebenfalls nach allen Seiten um: »Falls du die Absicht hegst, in Richtung Dänemark zu fliehen, kann ich dir nur davon abraten. Als Gødrik die Familie deines Onkels Úlfur in Sippenhaft nehmen wollte, kippte dieser um und schwor König Gødrik seinen Treueeid. Dort kannst du nicht mehr hin. Hast du jemanden, der dir bei der Flucht hilft? Vertraust du hier irgendjemanden?«, fragte er verschwörerisch.

Schweigend schüttelte ich den Kopf.

»Vertraust du mir?«, wollte er wissen.

Wieder schüttelte ich den Kopf.

Dafür klopfte er mir anerkennend auf die Schulter. »Du bist ein kluger Junge. Traue niemandem, nicht mal mir. Das mache ich nämlich genauso. Trotzdem, sei auf der Hut!«, warnte er mich eindringlich.

Zum Zeichen, dass ich meine Arbeit erledigt hatte, winkte ich Halvar zu, damit er sich von meinem Werk eine Meinung bilden konnte. Er gesellte sich zu uns und betrachtete die Stiche.

»Gut gemacht, Ragnor«, kommentierte er. »Du kannst den Verband anlegen. Aber nicht zu stramm«, nickte er und widmete sich sofort wieder seinen eigenen Aufgaben.

Nachdem ich Wulfrics Wunde mit frischen Verbänden versehen hatte, räumte ich meinen Arzneikorb ein.

Wulfric sah zu mir auf. »Hat mich gefreut, Ragnor. Sehen wir uns morgen wieder?«

»Nein«, sagte ich kurz angebunden und ging, um meine weiteren Pflichten im Tempel zu versehen.

*

In der darauffolgenden Nacht musste ich sichergehen, nicht einzuschlafen. Wer will schon seine eigene Flucht verschlafen? Damit es nicht allzu gemütlich in meinem Bett wurde, hatte ich zuvor aus der Apotheke des Tempels stachlige Fruchtbecher der Buchecker besorgt, auf die ich mich legte. So war nicht mal im Entferntesten an Schlaf zu denken, obwohl ich vom frühen Aufstehen und der anstrengenden Arbeit hundemüde war. Jedoch erachtete ich den Zeitpunkt, meine Flucht nachts zu versuchen, für richtig, da ich einen größeren Vorsprung herausarbeiten konnte, anstatt tagsüber beim Reisigsammeln zu verschwinden. Immer wieder tastete ich nach meinem Schnitzmesser, das mir die Priester gelassen hatten. Sie waren der Meinung, damit könnte ich ebenso gut Möhren und Pastinaken schälen. Glücklicherweise strahlte am Nachthimmel ein heller Vollmond, der für gute Sicht sorgte. Somit schien mein Vorhaben nicht scheitern zu können. Zu groß war meine Sehnsucht, wieder nach Hause zu kommen. Vor allem meine Mutter fehlte mir schrecklich. Ich freute mich schon darauf, von ihr herzlich umarmt zu werden.

Da ich nicht mehr damit rechnen konnte, Unterstützung vonseiten meines Onkels Úlfur zu erfahren, sogar eher Gefahr zu laufen drohte, von ihm verraten zu werden, musste ich mir eine andere Fluchtroute zurechtlegen. Zu Onkel Hackbart konnte ich ebenfalls nicht gehen, da er mich sicherlich postwendend wieder ins Heiligtum zurückgeschickt hätte. Demgemäß beschloss ich, anstatt des Seeweges, mich in Richtung Nordwesten über Land zu bewegen, bis ich Onkel Ásgrímur in Niðaróss erreichte. Ob dieser allerdings begeistert darüber wäre, seinem geflohenen Neffen Unterschlupf zu gewähren, stand in den Sternen.

Angestrengt lauschte ich den regelmäßigen Atemzügen meiner acht Mitbewohner. Einer der älteren Jungen schnarchte fürchterlich, gleich so, als hätte er Nasenpolypen. Wir Novizen schliefen nicht im gleichen Gebäude wie die Priester. Unser Blockhaus lag gleich in der Nähe des Backhauses und der Wirtschaftsgebäude, einschließlich der Ställe.

So lautlos wie möglich erhob ich mich von meiner Liege. Vorsichtig tastete ich nach den Buchecker-Hülsen. Ich konnte nicht riskieren, dass eine von ihnen an meinem groben Wollgewand hängenblieb und beim Hinausschleichen zu Boden fiel. Schnell schlüpfte ich in meine Schuhe und schlich auf Zehenspitzen zur Tür. Falls mich jemand von der Priestern beim Verlassen des Hauses beobachten sollte, würde ich einfach behaupten, ich müsste mal dringend die Latrine aufsuchen. Leise ging ich ins Backhaus und nahm einen Stein aus dem Fundament des gemauerten Ofen. Da es stockdüster war, tastete ich nach meinem Proviantbeutel. Während der Küchenarbeit hatte ich mir am Abend zuvor ein paar Lebensmittel abgezweigt. Einen großen Kanten Brot, einen Anschnitt Käse und einen Apfel. Ganz wichtig: Das großzügig geschnittene Ende einer Wurst. Nachdem ich meinen Schatz gehoben hatte, verließ ich das Backhaus unverzüglich. Dabei konnte ich gerade noch bremsen. Beinahe wäre ich direkt in den alten Priester Tjorre gelaufen, der entweder die nächtliche Aufsicht führte, oder wegen des hellen Vollmondes unter Schlafstörungen litt.

Wie sich herausstellte, weder noch.

»Verdammt! Wieso sind die Latrinen so weit entfernt von unserem Schlaftrakt? Oh weh! Das wird verdammt knapp!«, jammerte er vor sich hin, und legte einen Zahn zu, um noch rechtzeitig die Latrine zu erreichen. Was danach abging, ist mir lediglich als akustisches Feuerwerk in Erinnerung geblieben. Und sein erleichterte Stöhnen gemahnte an einen inneren Vorbeimarsch. Zumindest war er vorerst eine Weile beschäftigt.

Nun kam der schwierigste Teil. Beim Stall gab es einen angeketteten Hund, der grundsätzlich anschlug, sobald ihn jemand passierte. Jeden Tag, wenn ich die Tiere versorgte, brachte ich ihm ein Stück Wurst mit. Inzwischen liebte mich dieser Köter abgöttisch und statt zu bellen, wedelte er lediglich mit seinem gesamten, struppigen Hinterteil. Keine Ahnung, ob er überhaupt einen Namen besaß. Wir nannten ihn einfach nur Köter, was ihn offenbar nicht sonderlich störte. Leise flüsterte ich seinen Namen, als ich mich nun an den Ställen vorbei schummelte. Zwar knurrte er zuerst, doch als er das verlockende Wurst—Fluidum wahrnahm, verschlug es ihm die Lust, auch nur einen einzigen Ton von sich zu geben. Freundlich wedelte er mit seinem Hintern und holte sich von mir sein Schmiergeld ab - dieser korrupte Hund. Noch einmal tätschelte ich Köter, dann lief ich weiter und verließ den Tempelbezirk, um mit dem dunklen Wald zu verschmelzen.

*

Das Schicksal lacht mit spitzen Zähnen

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