Читать книгу Handbuch Bibeldidaktik - Группа авторов - Страница 69

Der Tempel und jüdische Traditionen

Оглавление

In Kapitel 24 des zweiten Buches Samuel wird berichtet, dass der Jerusalemer Tempel an der Stelle erbaut wurde, an der David den Engel Gottes gesehen hatte, welcher seine Hand über Jerusalem ausstreckte, um die Stadt mit der Pest zu schlagen. Außerdem verbindet sich im Judentum mit dem Tempelberg die Erzählung von der beabsichtigten Opferung Isaaks durch Abraham auf einem Berg im Land Morija (Gen 22Gen 22). Eine dritte, jüngere Mitteilung im AT (2 Chr 3,1 f.)2 Chr 3,1f. verschmolz den Bericht über den Bau des Tempels in Jerusalem auf der ehemaligen Tenne Arawnas im Nachhinein mit der davon ehemals unabhängigen Erzählung vom Opfer Abrahams, da der Schauplatz dieser Sage, der Berg im Land Morija, offenbar nicht (mehr) bekannt war.

Die Tenne Arawnas hat aber nicht allein der Tradition des Berges Morija eine neue Heimat gegeben, sondern im Judentum wird auch behauptet, der Fels habe schon bei der Schöpfung der Welt eine Rolle gespielt. Von diesem „Fels der Gründung“ soll Gott die Erde genommen haben, aus der er Adam bildete. In diesem Zusammenhang legt es sich nahe, vergleichend die additionale Zusammenstellung von Heiligtumslegenden moderner Wallfahrtsorte (christlicher wie dem „Jakobsweg“ oder säkularer wie „Woodstock“) zu reflektieren.

Der Jerusalemer Tempel wird in 1 Kön 6–81 Kön 6–8 beschrieben. Nach den Angaben des AT wurde der Bau von König Salomo Mitte des 10. Jh.s v. Chr. begonnen und dauerte sieben Jahre. Er soll etwa 30 m lang, 10 m breit und 15 m hoch gewesen sein. Die Vorhalle war noch einmal 5 m lang. Seit der Kultreform Josias im Jahr 622/621 v. Chr. war der Jerusalemer Tempel der einzige legitime Ort, um Gott zu opfern (2 Kön 22–232 Kön 22–23). Was bedeutet es, nur an einer Stelle opfern zu können? Warum, wie oft und wie weit pilgern Menschen? Hierbei lassen sich auch die jüdischen Pilgerfeste (Pascha, Schawuot, Sukkot) und deren Zusammenhang mit dem orientalischen Jahreszyklus besprechen. Außerdem erscheint hier die Verbindung zum christlichen Ostern, Pfingst- und Erntedankfest relevant.

Im August 587 v. Chr. wurde der Tempel vom babylonischen König Nebukadnezar II. zerstört; wenige Jahrzehnte später, zwischen 520 und 516 v. Chr., wieder aufgebaut (Esra). Die Bundeslade und der Cheruben-Thron waren verbrannt. Seither blieb das Allerheiligste leer.

Die „Glanzzeit“ des Tempels begann mit dessen Umbau durch Herodes d. Gr. im Jahr 21 v. Chr. Damals erhielt das Jerusalemer Heiligtum unter Wahrung seiner biblischen Vorgaben ein zeitgemäßes griechisch-römisches Gepräge und befand sich nun innerhalber einer gewaltigen Tempelanlage, deren Größe man heute noch an der Umfassungsmauer des Haram asch-Scharif nachvollziehen kann.

|66|Während der Regierung des römischen Kaisers Titus wurde im Jahre 70 n. Chr., am Ende des Jüdischen Kriegs, trotz heftiger Gegenwehr der Juden auch der Tempel von den Römern erobert. Danach legten diese ganz Jerusalem, einschließlich seines Heiligtums, in Schutt und Asche. Einige Kultgegenstände transportierten sie als Siegestrophäen nach Rom, wo sie dem römischen Volk in einem gewaltigen Triumphzug gezeigt wurden. Noch heute sieht man diese Szene in Stein gemeißelt auf dem im Jahre 81 n. Chr. von Kaiser Domitian, dem Bruder des Titus, errichteten „Titusbogen“ nahe dem Kolosseum in Rom.

Der Jerusalemer Tempel wurde auch von Jesus aus Nazareth besucht. Im NT wird beschrieben, dass er dessen baldige Zerstörung voraussagte: Mt 24,1 f.Mt 24,1f.; Mk 13,14Mk 13,14; Lk 21,5 f.Lk 21,5f. Viele Juden hatten bis zuletzt geglaubt, Gott selbst würde vor der Entweihung des Tempels durch die Römer zu ihren Gunsten in den Kampf eingreifen, was aber nicht geschah.

Wieso können solche Hoffnungen enttäuscht werden? Falsche Hoffnungen? Gottes Wille oder Unfähigkeit? Was geschieht im persönlichen Glauben mit enttäuschten Hoffnungen? Zum Aussehen des Jerusalemer Tempels sei auf den Möckmühler Arbeitsbogen „Tempel in Jerusalem zur Zeit Jesu“ verwiesen.

Das Jahr 70 n. Chr. bedeutete für das Judentum einen tiefen Einschnitt. Mit der Tempelzerstörung endeten alle kultischen Opferhandlungen. An deren Stelle traten u.a. die täglichen Gebete, die zu den Zeiten verrichtet werden, zu denen einst im Tempel die Opfer dargebracht wurden, das Studium der Tora sowie der Auftrag zu „Taten der Barmherzigkeit“.

Im Bar Kochba-Aufstand 132 bis 135 n. Chr. lehnten sich die Juden gegen die Entscheidung Hadrians auf, das in Trümmern liegende Jerusalem als römische Colonia Aelia Capitolina neu zu erbauen. Nach der Niederschlagung des Aufstandes mussten sie Jerusalem und dessen unmittelbares Umland verlassen. Auf dem ehemaligen jüdischen Tempelareal wurde ein Heiligtum zu Ehren Jupiters gegründet.

Seit dem 3., spätestens aber dem 4. Jh. n. Chr. gedenken fromme Juden in Jerusalem am 9. Tag des jüdischen Monats Av mit einem Fast- und Gedenktag der Zerstörung des Tempels durch Nebukadnezar II. und durch die Römer. Was bedeutet ein zentraler Ort der Erinnerung? Welche Funktion haben Mahnmale, Gräber, Gedenkorte und -tage? Welche vergleichbaren Orte des geschichtlichen Gedenkens besuchen Schüler noch heute?

Die Juden beten heute außerhalb des ehemaligen herodianischen Tempelbereichs an der Westmauer, der sogenannten Klagemauer. Als einziger für sie verbliebener Teil des ehemaligen Tempelareals wurde die westliche Umfassungsmauer des früheren Tempelberges angesichts ihrer Nähe zum zerstörten Allerheiligsten zum wichtigsten heiligen Ort des Judentums. Der Legende nach hat die Gegenwart Gottes (hebr. šekῑnā) diesen Ort auch nach der Tempelzerstörung nicht verlassen. Hier könne man deshalb Gott räumlich so nahe sein wie nirgends sonst auf der Welt. Daher stecken Gläubige bis heute ihre auf Zettel geschriebenen Anliegen in die Mauerritzen der Westmauer, um sie Gott nahe zu bringen. Es würde sich ein Vergleich verschiedener Orte und Formen des |67|Gottesdienstes anbieten. Tempel, Synagoge, Kirche, Moschee – was ist ähnlich, was ganz anders?

Handbuch Bibeldidaktik

Подняться наверх