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Bibelausgaben damals und heute

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Michael Landgraf

Die Bibel ist mit Abstand das meist übersetzte Buch der Welt. 2017 liegen Vollbibeln oder Teilausgaben in über 2700 Sprachen vor. Vision bibelgesellschaftlicher Arbeit ist es, dass jeder Mensch eine Bibelausgabe in seiner Muttersprache vorliegen hat, damit er die „Heilige Schrift“ verstehen kann. Dies unterscheidet das Christentum von den anderen Schriftreligionen Judentum und Islam, wo die „Heilige Schrift“ in der Sprache der Offenbarung überliefert wird und Grundlage für Lehre und Liturgie ist. Während es bei diesen in der Geschichte um die möglichst genaue Weitergabe eines Urtextes ging, wurden im Christentum Übersetzungen als „Heilige Schrift“ anerkannt. Daher umfasst die Frage nach den Bibelausgaben auch die der Bibelübersetzung.

Älteste Belege alttestamentlicher Schriften (Jesaja-Rolle Qumran, um 220 v. Chr.) im Vergleich zur hebräischen Bibel heute zeigen, welchen Wert die jüdische Tradition auf die genaue Weitergabe der hebräischen Texte legte. |82|Allerdings war die Sprache der Heiligen Schrift bereits vor dem Exil (587/586 v. Chr.) keine Alltagssprache mehr. So entstanden Targume (d.h. Übersetzungen) der hebräischen Bibel ins Aramäische, das noch zu Jesu Zeit Alltagssprache vieler Menschen in der Region Israel und Syrien war. Da der vordere Orient seit Alexander dem Großen (um 333 v. Chr.) zum hellenistischen Kulturkreis gehörte, entstand eine Übersetzung in die griechische Alltagssprache „Koine“, die Septuaginta („70“). Sie ist benannt nach 70/72 Übersetzern, die der Legende nach das Werk vollbrachten (entstanden ca. 280 v. Chr. – 100 n. Chr.). Dadurch war die Botschaft der hebräischen Bibel hellenistischen Juden und ihrem Umfeld zugänglich, auch wenn im Judentum weiterhin der hebräische Text als „Heilige Schrift“ galt.

In den ersten christlichen Gemeinden wurde die Septuaginta als „Heilige Schrift“ anerkannt, ergänzt durch Schriften des NT und apokryphe Texte, die ebenfalls in Griechisch verfasst waren. Da im Römischen Reich die Volkssprache Latein war, wurden im Zuge der Ausbreitung des Christentums im 2. Jh. biblische Texte in diese Sprache übertragen („Itala“; „Vetus latina“). Nach der Festlegung des Kanons (367 n. Chr.) beauftragte Papst Damasus I. den Theologen Hieronymus, eine einheitliche lateinische Übersetzung der Bibel anzufertigen – um 420 n. Chr. vollendet unter dem Namen Vulgata (lat. die „allgemein verbreitete“). Sie wurde zur Standardbibel des Mittelalters – Basis einer internationalen Sprache von Lehre und Liturgie sowie von Bibelhandschriften zu Studienzwecken bis zu den Repräsentationsexemplaren, die wie der „Codex Aureus“ (Speyer 1045 n. Chr.) für Herrscher angefertigt wurden. Hebräische und griechische Bibelausgaben wurden hingegen im Westen vernachlässigt, bis der Humanismus (um 1500) und die Reformation die Ursprachen der Bibel und die Bedeutsamkeit der Quellen neu entdeckten.

Die Entwicklung deutschsprachiger Bibelübersetzungen begann um 380 n. Chr. mit Ulfilas (Wulfila-Bibel), dem Bischof der Goten. Im fränkischen Reich entstanden bis ins 9. Jh. mehrere Bibelübertragungen – beispielsweise die Evangelienharmonie Otfried von Weißenburgs (um 870 n. Chr.), mit dem Ziel, die Bibel für Menschen in ihrem Alltag verstehbar zu machen. Aufgrund der „Admonitio generalis“, einer Anordnung Karls des Großen an die Würdenträger im Reich (789 n. Chr.), die Latein als Sprache der Lehre und Liturgie verbindlich festgelegte, wurde das Werk Otfrieds und nachfolgender deutschsprachiger Bibelausgaben angefeindet. Vermutlich deswegen blieben bis zur Reformation Übersetzer selbst großer Handschriften wie der Wenzels-Bibel (um 1400) oder der Ottheinrich-Bibel (um 1430) namenlos. Auch die 18 deutschen Bibeldrucke vor Luther (1466–1518) trugen nur die Namen der Druckerverleger oder der Orte, an denen sie entstanden. Ihnen lag eine sprachlich veraltete Übersetzung zugrunde, was den Erfolg dieser ersten gedruckten Bibelausgaben in deutscher Sprache schmälerte.

Martin Luthers Bibelübersetzung (1522 NT, 1534 Vollbibel, rev. 1545) gilt als die erste deutsche Bibel, die erfolgreich die Menschen erreichte – zumindest als Grundlage der deutschen Predigt. Sowohl die Urtexte („ad fontes“ – „zurück |83|zu den Quellen“) als auch die Sprache der Zielgruppe (den Menschen „aufs Maul schauen“) wurden ernst genommen. Zu einem Volksbuch in Händen vieler Menschen wurde die Lutherbibel allerdings erst im 18. Jh. – durch die gesteigerte Lesefähigkeit und durch die massenhafte Verbreitung der „Canstein-Bibel“ (ab 1710). Der Text der Luther-Bibel wurde bis 1892/1912 nicht revidiert und setzte sich als Standardtext für die deutschsprachigen evangelischen Christen durch. Revisionen der Lutherbibel bis zur „Luther 2017“ nahmen Fehlübersetzungen in den Blick, die aufgrund mangelnder Landeskunde Israels oder aufgrund nun besserer griechischer Textgrundlage klar wurden. Statt des „Textus receptus“, der Luther vorlag, verwendet man nun einen durch die sogenannte „Textkritik“ gesicherteren griechischen Text („Nestle-Aland“). Nach der Revision NT 1956/AT 1964 suchte man bei der von 1975 nach Wegen, die moderne Sprache mit Luther zu verbinden. Man griff in bekannte Stellen wie „sein Licht nicht unter einen Scheffel stellen“ (Mt 5,15Mt 5,15) ein und übersetzte das alte Getreidemaß „Scheffel“ mit „Eimer“. Daher nannte man diese Revision spöttisch „Eimertestament.“ Bereits 1977 beschloss der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland, eine neue Revision in Auftrag zu geben, die 1984 vollendet wurde – eine Mischlösung, die bei bekannten Stellen Luthers Wortlaut stehen ließ (beispielsweise die Weihnachtsgeschichte nach Lukas) und bei weniger bekannten Stellen stärker eingriff. Am Reformationstag 2016 erschien mit der „Luther 2017“ eine revidierte Neuausgabe, die exegetisch überarbeitet und an vielen Stellen dem Text Luthers von 1545 angepasst wurde. Eine Annäherung an die heutige Alltagssprache wurde vermieden.

Neben der Bibelübersetzung Luthers gab es weitere erfolgreiche Übersetzungen. Bereits vor Luther erschien 1530 die Vollbibel Huldrych Zwinglis in Zürich – bis heute revidiert als Zürcher Bibel verbreitet. 1604 legte Johann Piscator die erste urtextnahe Bibelübersetzung vor, die Piscator-Bibel, die bis zum Erscheinen der Elberfelder Bibel im 19. Jh. aufgelegt wurde. Die Elberfelder Bibel (1871) gilt heute als die Standardausgabe urtextnaher Übersetzungen. Weitere sind die von Franz Eugen Schlachter (1905) und die des Altphilologen Hermann Menge (1926). Erwähnt seien auch noch Bibelübersetzungen des 18. Jh.s, die in Kreisen des Pietismus (Berleburger Bibel 1726–1742) und der Aufklärung (Carl Friedrich Bahrdt 1774) entstanden. Auf katholischer Seite erschien bereits 1527 das NT von Hieronymus Emser und 1534 die Vollbibel von Johann Dietenberger, die in Bearbeitung von Caspar Uhlenberg (1630) bis ins 18. Jh. aufgelegt wurde. Jedoch entschied das Konzil von Trient (1546), dass allein der Text der Vulgata Grundlage der katholischen Lehre und der Messe sei. Zwar gab es weitere katholische Übersetzungen (Leander van Eß: 1807 NT, 1836 Vollbibel; Joseph Franz von Allioli 1830–1834), doch erst im 20. Jh. wurde ein Bibelwerk gegründet, das einen deutschsprachigen Einheitstext der römisch-katholischen Kirche entwickelte – die Einheitsübersetzung (1962–1980; Revision 2016). Parallel dazu entstand die Nova Vulgata (neue Vulgata), welche die lateinische Übersetzung anhand von Urtexten überarbeitete (1979 vollendet). 2001 bekräftigte der Vatikan durch die Instruktion „Liturgiam authenticam“, |84|dass bei der Herausgabe von Büchern der römischen Liturgie, so auch bei katholischen Bibelübersetzungen wie die Einheitsübersetzung, die Nova Vulgata stärker herangezogen werden soll.

Seit den 1960er Jahren setzte eine neue Entwicklung ein. Statt die Nähe zum Urtext oder einen Mittelweg zu suchen, schuf man verständnisorientierte Bibelausgaben, um die Menschen in ihrer Alltagssprache zu erreichen. Die Gute Nachricht Bibel gilt als Prototyp dieses Weges – erstmals 1968 erschienen und mehrfach überarbeitet (zuletzt 2000). Da in den Text auch Erklärungen eingebaut sind, ist er umfangreicher als der der Lutherbibel. Zu den verständnisorientierten Übersetzungen zählen auch die Hoffnung für alle (rev. 2002), die Neue Genfer Übersetzung (NT, Psalmen, Sprüche 2015) und Neues Leben. Die Bibel (2005). Einen radikalen Weg der Übertragung in die Sprache Jugendlicher geht die Volxbibel (seit 2004, 2012 Version 4.0). Als eine Übersetzung mit besonderem Schwerpunkt gilt die Bibel in gerechter Sprache (2006), da sie Frauen immer mitdenkt und antijudaistische Tendenzen entschärft. Die BasisBibel (Evangelien 2010; voraussichtlich vollendet 2020) bietet der Computer-Generation durch die einfache Sprache und ein Informationssystem multimediale Zugänge.

Unter den aktuellen deutschsprachigen Bibelausgaben kann man grob drei Übersetzungstypen und Varianten mit besonderen Schwerpunkten unterscheiden:

1. Urtextnahe („philologische“) Übersetzungen

Leitsatz: „So wörtlich wie möglich.“

Elberfelder-Bibel (1871/rev.1905/rev.1985/2006 neu durchgesehen): genaue, worttreue Wiedergabe des Urtextes, die nicht leicht lesbar ist (Revidierter Text, 1985: www.bibleserver.com).

Schlachter-Bibel (1905/rev.2001): genaue und kraftvolle Wiedergabe des Urtextes durch Franz Eugen Schlachter. Er verwendet eine Sprache, die altertümlich wirkt (www.die-bibel.de).

Menge-Bibel (1926/1994): Übersetzung des Altphilologen Hermann Menge mit dem Bestreben zur verständlicheren Wiedergabe der Urtexte (Mitte zwischen Elberfelder und Luther; www.die-bibel.de).

Münchener Neues Testament (2007): Die von Josef Hainz herausgegebene Bibelausgabe sucht die griechischen Satzkonstruktionen möglichst genau wiederzugeben.

Übersetzungen mit besonderen Schwerpunkten

Die Schrift, verdeutscht von Martin Buber gemeinsam mit Franz Rosenzweig (1929/ 1997): Diese jüdische Übersetzung ohne Verszählung lässt den Leser sprachlich in das hebräische Denken eintauchen.

Berger-Nord (1999, NT und frühchristliche Schriften): Klaus Berger und Christiane Nord ordnen die Bücher nach einer vermuteten Entstehungszeit und nehmen im Kanon nicht aufgenommene frühchristliche Schriften auf.

Bibel in gerechter Sprache (2006; www.bibel-in-gerechter-sprache.de): 40 Übersetzerinnen und Übersetzer prägen den Charakter der Bücher unterschiedlich (z.B. verschiedene |85|Gottesnamen, Frauen werden immer „mitgedacht“ und antijudaistische Tendenzen entschärft).

2. Verständnisorientierte („kommunikative“) Übersetzungen

Leitsatz: „So verständlich wie möglich.“

Gute Nachricht Bibel (2000; www.die-bibel.de): einzige ökumenische Übersetzung in modernem Deutsch mit verständlicher Sprache, frei, aber ohne zusätzliche Erklärungen übertragen.

Hoffnung für alle (rev.2002; www.bibleserver.com): in Freikirchen verbreitet, frei und deutend nacherzählt, orientiert an der US-amerikanischen „Living Bible“ (Kenneth N. Taylor).

Neues Leben. Die Bibel (2005; www.bibleserver.com): kommunikative Übersetzung, die bewusst theologische Schlüsselbegriffe wie Sünde, Gnade, oder althergebrachte Worte wie „Statthalter“ beibehält. Auf Grundlage der US-amerikanischen „New Living translation“.

Neue Genfer Übersetzung (NGÜ – NT, Psalmen, Sprüche 2015; www.die-bibel.de): einfache Sprache, meist kommunikativ übersetzt.

BasisBibel (Evangelien 2010; www.die-bibel.de/online-bibeln): am Sprachgefühl der Computergeneration orientiert. Schwierige Begriffe werden vermieden. Interaktives Informationssystem und eine Online-Community.

Freie Übertragungen

Jörg Zink (1998 Auswahl AT, NT vollständig): wortreich umschreibende, meditative Übertragung.

Volxbibel (2010; www.volxbibel.de): provozierende Übertragung und Deutung biblischer Texte in die Alltagssprache Jugendlicher.

Mundartbibeln: Es gibt freie Übertragungen und textnahe Übersetzungen. Ziel ernst gemeinter Projekte ist es, Menschen bei ihrem Sprachempfinden abzuholen und ihnen eine Brücke zur Standardbibel zu ermöglichen. Überblick unter www.bibel-gesangbuch.de/mundart.html.

3. Übersetzungen, die einen Mittelweg gehen

Leitsatz: „So nah am Urtext und so verständlich wie möglich.“

Luther 2017 (2016; www.biblserver.com): Die evangelische Standardbibel ist nahe am Urtext („ad fontes“) und an der Sprache der Menschen („Man muss den Leuten aufs Maul schauen“). Kernstellen werden hervorgehoben und Fußnoten weisen auf Übersetzungsprobleme hin (z.B. Vaterunser, Ende des Markusevangeliums). Sie enthält eine kraftvolle Sprache und eine freie Wiedergabe bei schwierigen Passagen. Ebenfalls zugänglich sind die Ausgaben Luther 1545 (Standardbibel 1545–1892; lutherbibel.net). Der Text Luther 1912 (www.bibel-online.net) ist als Billigbibel – da rechtefrei – in Kaufhäusern erhältlich.

Einheitsübersetzung (2016; www.die-bibel.de): Katholische Standardbibel, an Urtextausgaben und der Vulgata orientiert, mit gehobener Sprache, teils auch kommunikativ übersetzt. Mit Einleitungen, Fußnoten und Ergänzungen.

Zürcher Bibel (1529/1931/rev.2007; www.die-bibel.de): Standardausgabe reformierter Gemeinden in der Schweiz. Gehobener Stil, genau und kraftvoll übersetzt.

|86|Kommentierende Sonderausgaben der Standardbibeln

Luther bzw. Gute Nachricht für dich: Standardausgabe mit 90 erklärenden Farbseiten (Autorinnen und Autor: Hannelore Jahr, Karin Jeromin und Michael Landgraf).

Stuttgarter Erklärungsbibel: Lutherbibel mit Kommentaren und Erklärungen.

Stuttgarter Altes Testament und Stuttgarter Neues Testament: Einheitsübersetzung mit Kommentaren und Erklärungen.

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