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Muslimische Traditionen

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Im Islam gelten alle Stätten als heilig, denen Muslime einen religiös motivierten Besuch abstatten oder zu denen sie pilgern, denn an diesen Orten spüren sie nach ihrer Glaubensvorstellung eine besondere Nähe zu ihrem Gott. Der muslimische Glaube basiert – wie auch der christliche – zu einem erheblichen Teil auf der jüdischen und christlichen Glaubenstradition. Die jüdischen Überlieferungen der hebräischen Bibel ebenso wie christliche Traditionen werden im Islam in ausgewählter und interpretierter Form aufgenommen. Der Islam bringt diese Traditionen nach seiner Überzeugung zu ihrer eigentlichen Vollendung. So kann es nicht erstaunen, dass es in der südlichen Levante zahlreiche Überschneidungen zwischen muslimischen, jüdischen und christlichen Verehrungsorten gibt.

Der ehemals jüdische Tempelberg erhielt sehr bald nach der Eroberung der Stadt im Jahre 638 n. Chr. eine muslimische Neuinterpretation, die mit dem Bau eines islamischen Heiligtums an gleicher Stelle dokumentiert wurde. Dieser Akt war nicht als Provokation gegenüber dem Judentum gedacht. Eigentlich war die Inbesitznahme des von den Christen in weiten Teilen baulich frei gelassenen Bereichs eine logische Konsequenz der omayyadischen Machtentfaltung in Jerusalem. Seit etwa 691 n. Chr. steht auf dem Haram asch-Scharif, der heute von den Muslimen als „edles Heiligtum“ verehrt wird, nahe der Stelle des ehemaligen herodianischen Tempels der Felsendom. Er wurde von Kalif Abd al-Malik (685–705 n. Chr.) errichtet. Die südlich davon gelegene Al-Aqsa-Moschee erbaute vermutlich sein Sohn Al-Walid I. (705–715 n. Chr.) und nutzte dabei auch die herodianischen Substruktionen (der seit der Kreuzfahrerzeit sogenannten „Ställe Salomos“). Welche Funktion hat eine Moschee? Welche architektonischen Merkmale gehören dazu? Wie oft fordert der Muezzin zum Gebet auf? Wann? Welches ist der heilige Tag der Muslime?

Nach der Überlieferung des Korans und der Hadithen („Mitteilung“, „Erzählung“) unternahm der Prophet Mohammed auf seinem geflügelten Pferd Buraq eine göttlich initiierte Nachtreise von Mekka zur Al-Aqsa, womit heute der ehemalige Tempelberg in Jerusalem identifiziert wird (Sure 17,1 f.Sure 17,1f.). Der Legende nach wurde Mohammed nach dem Gebet in Jerusalem eine Leiter gereicht, auf der er Sprosse um Sprosse bis zum Himmelstor emporstieg. Schließlich erreichte er den Thron Gottes und empfing Allahs Weisungen, u.a. die Pflicht, fünfmal täglich zu beten. Über dem Felsen, von dem aus Mohammed in den Himmel gestiegen sein soll und der schon als Altar für Abrahams Opfer und Standort |69|des Engels an der Tenne Arawnas gedient habe, erhebt sich deshalb heute der Felsendom.

Auf dem Haram asch-Scharif gründen weitere religiöse Traditionen. Zwei von ihnen sollen hier noch erwähnt werden: Zum einen betrachten die Muslime wie die Juden den Felsen unter dem Felsendom als „Mittelpunkt der Welt“. Zum anderen sieht die jüdische wie die muslimische Tradition in Jerusalem den Ort der letzten Schlacht der Heiden/des bösen Drachen al-Dadschal („der Betrüger“) gegen die Gerechten – und als endgültigen Ort des dann anbrechenden Heils. An diesen Beobachtungen lässt sich ein häufiges Phänomen verdeutlichen: Eine Religion errichtet ihre heilige Stätte auf der einer anderen und besetzt sie auch interpretativ neu. Mit welcher Motivation geschieht dies? Wo lassen sich vergleichbare Vorgänge in der christlichen Tradition finden?

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