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Kriterien

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Welche Kriterien lassen sich also für die Beurteilung verschiedener Bibelübersetzungen im Religionsunterricht heranziehen?

„Biblische Texte sollen im Umfeld und Leben heutiger Menschen ihre erschließende erzählend-kategoriale Kraft entfalten. Die Wirklichkeit dieser ‚Rezipienten‘, die Lebenswelten und Denkformen von Kindern, Jugendlichen, aber auch Erwachsenen müssen deshalb im hermeneutischen Vermittlungsgeschehen ‚gleichursprünglich‘ wie die biblische Tradition berücksichtigt werden. Dies ist gewiss ein Eckpfeiler der Bibeldidaktik, wie sie sich in der Moderne ausgebildet hat“.[1]

Gesucht ist also eine Bibelübersetzung mit einem für Kinder und Jugendliche zwischen 10 und 18 Jahren angemessenen Maß zwischen Texttreue und Lebensweltkompatibilität. Die Übersetzung soll den (besten) biblischen Urtext möglichst konsistent und verlässlich in einen deutschen Text verwandeln, der in der Lebenswelt Jugendlicher ohne vermeidbare Klippen rezipierbar ist und sie in die Lage versetzt, am Diskurs teilzunehmen.

G. Röhser beschreibt die Aufgabe, einen Text zu übersetzen als Brückenschlag zwischen dem Autor des Textes und den Menschen, die seine Übersetzung lesen und benutzen. Beide, Autor und Leser, sind dabei in ihre Lebenswelt, ihre Kultur und Sprachgemeinschaft unauflöslich eingebunden und von ihnen geprägt. Die Brücke der Übersetzung verbindet beide Kulturen und überspannt dabei im Fall der Bibelübersetzungen auch die tiefen Gräben zwischen „antik-biblischer und heutiger (westlicher) Welt“.[2]

Daraus entwickelt Röhser Kriterien für eine gute Bibelübersetzung:

Sie soll die Fremdheit des Ausgangstextes bewahren, indem sie den semantischen Kern und Sinngehalt der Wörter und Sätze so weit wie möglich erhält. Sie soll sich aber auch als Übersetzung zu erkennen geben, z.B. durch eine aufsehenerregende Sprachform, ihre Aufmachung oder begleitende Hinweise.

Natürlich muss sie auch verständlich sein und sich daher – das ist die andere Seite der Brücke – so weit wie nötig den Verstehensmöglichkeiten der Adressaten anpassen.[3]

|77|Neben diesen generellen Kriterien spielen m.E. im Bezug auf den Religionsunterricht auch andere eine Rolle:

Ästhetische Schönheit: Jugendliche werden bei ihrer (ersten?) Begegnung mit einer Bibel auch auf äußere Signale achten. In der Schule werden schmuddelige Bücher oft abgelehnt, sie bleiben beim Austeilen übrig. Wenn Seiten fehlen oder zerrissen sind, oder wenn jemand bei Benutzer „Jesus“ eingetragen hat, überlagert das allzu schnell die Lust, einmal reinzuschauen in das Buch der Bücher. Der meist unbewusste Schluss vom Äußeren auf den Wert des Inhalts scheint unvermeidlich.

Gut also, dass viele Bibelausgaben in der letzten Zeit ein ‚Facelifting‘ erhalten haben. Sie kommen jetzt wesentlich farbiger daher: Die neue, kompakte Luther-Schulbibel in fein marmoriertem orange-rot, die Neue Genfer im preisgekrönten Outfit eines Notizbüchleins, die Gute Nachricht in aquamarin oder mit einem Einband gänzlich zum Selbstgestalten. Die BasisBibel hat sich in ihrer Druckversion auf ein weißes Kreuz auf trendfarbigem Grund in fünf Versionen festgelegt, die revidierte, ebenfalls auf Wunsch kompakte Einheitsübersetzung auf einen Lebensbaum. Dagegen erscheint die Zürcher nicht nur sprachlich „gediegen“.

Druckbild: Wünschenswert ist ein übersichtlicher, nach textimmanenten Gesichtspunkten gegliederter Text, von dem sich alle begleitenden Materialien klar unterscheiden, in einer angemessenen Schriftgröße. Die Gute Nachricht z.B. bietet „Psalmen und poetische Texte im Gedichtsatz“. Die Basis Bibel druckt darüber hinaus im gesamten Text jeweils nur eine Sinneinheit pro Zeile.

Vollständigkeit: Eine für den Religionsunterricht geeignete Bibelübersetzung sollte wirklich die „Heilige Schrift Alten und Neuen Testaments“ enthalten, so dass die atl. Texte, auf die sich ntl. oft beziehen, problemlos mit zur Hand sind. Ausgaben mit Apokryphen erschweren dagegen die Orientierung im biblischen Kanon.[4]

Darstellungsweise/Begleitende Materialien im Buch: Zwischenüberschriften, die Angabe von Parallelstellen und Hervorhebungen im Text geben den Text als Übersetzung zu erkennen und sind für ein Bibelstudium im Religionsunterricht in Maßen hilfreich, inhaltliche und Sacherklärungen sind unentbehrlich. Sie erhalten im Übergang in die Neuen Medien den Charakter von Hyperlinks.[5]

|78|Zwischenüberschriften mögen helfen, einen gesuchten Abschnitt beim Blättern schneller zu finden, stellen aber zugleich oft eine Verengung der Perspektive dar, noch bevor der Text gelesen ist.[6]Jes 11,10096>5 Hier erscheint eine möglichst neutrale Formulierung angemessen. Eine Version der Gute Nachricht Bibel möchte „mit farbig markierten Kernstellen“ „sofort zum Wesentlichen leiten“. Das entbindet den Leser – für die Arbeit im RU m.E. kontraproduktiv – davon, seine Kernstellen selbst zu bestimmen.

Die BasisBibel bietet Zusatzinformationen bei der Stelle, auf die sie sich beziehen, separat am Rand, sodass sie sofort zur Hand und dennoch deutlich vom Originaltext unterschieden sind. Das kommt dem durch elektronische Medien geprägten Leseverhalten Jugendlicher entgegen. In der elektronischen Fassung sind sie als Hypertext angelegt.[7] Die neue Lutherbibel, die auch als (kostenfreie) App angeboten wird, bietet eine hilfreiche Konkordanzfunktion und kurze Erläuterungen. S. Scholz schreibt[8]:

„Angesichts der fortgeschrittenen Verbreitung der Neuen Medien geht es m.E. nicht (mehr) um die Frage, ob sich die Bibeldidaktik … den Neuen Medien annähern soll oder nicht. Viel entscheidender ist die Einsicht, dass die Neuen Medien bereits die Lebenswelt potentieller und realer BibelleserInnen mitgestalten … erheblich in ihrem Empfinden, Denken, Organisieren etc. prägt. Bibeldidaktik kann kulturelle Veränderungen, wie sie durch die Neuen Medien bewirkt werden, nicht ignorieren, ohne ein billiges Scheitern in Kauf zu nehmen“.[9]

Wo Bibelübersetzungen sich dieser Tatsache stellen, sind sie für den Religionsunterricht besonders geeignet.

Handbuch Bibeldidaktik

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