Читать книгу Honoré de Balzac – Gesammelte Werke - Оноре де'Бальзак, Honoré de Balzac, Balzac - Страница 20

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Cäsar und Po­pi­not stie­gen vor den Au­gen der Kom­mis in den Wa­gen, die über die fest­li­che Klei­dung und den Ex­tra­wa­gen er­staunt wa­ren, da sie kei­ne Ah­nung von den großen Din­gen hat­ten, die der Be­herr­scher der Ro­sen­kö­ni­gin vor­hat­te.

»Nun wer­den wir die Wahr­heit über die Ha­selnüs­se er­fah­ren«, sag­te der Par­füm­händ­ler zu sich.

»Über die Ha­selnüs­se?« sag­te Po­pi­not.

»Du kennst mein Ge­heim­nis, Po­pi­not,« sag­te Bi­rot­teau, »ich habe das Wort ›Ha­sel­nuß‹ fal­len las­sen, dar­in ist al­les ent­hal­ten. Das Nuß­öl ist das ein­zi­ge, das eine Wir­kung auf das Haar aus­übt, dar­an hat noch kein Par­fü­me­rie­haus ge­dacht. Beim An­blick des Sti­ches von Hero und Le­an­der habe ich mir ge­sagt: Wenn die Al­ten so­viel Öl für ihr Haar ver­brauch­ten, so muß­ten sie ir­gend­ei­nen Grund da­für ha­ben, denn die Al­ten blei­ben die Al­ten, trotz al­ler mo­der­nen Prä­ten­tio­nen, dar­in stim­me ich Boi­le­aus An­sicht über die Al­ten bei. Hier­von bin ich aus­ge­gan­gen und auf das Nuß­öl ge­kom­men, dank dem klei­nen Bian­chon, dem Stu­den­ten der Me­di­zin, dei­nem Ver­wand­ten; der hat mir er­zählt, daß sei­ne Schul­ka­me­ra­den Nuß­öl ge­brauch­ten, um ih­ren Bart schnel­ler wach­sen zu las­sen. Es fehlt uns nur noch die Be­stä­ti­gung des be­rühm­ten Herrn Vau­que­lin. Wenn er uns die Sa­che klar ge­macht hat, wer­den wir auch das Pub­li­kum nicht be­trü­gen. Ich war eben in der Markt­hal­le bei ei­ner Nuß­händ­le­rin, um erst mal das Grund­ma­te­ri­al zu ha­ben; und jetzt wer­de ich gleich vor ei­nem der größ­ten Ge­lehr­ten Frank­reichs ste­hen und von ihm er­fah­ren, wie wir die Quint­es­senz dar­aus zie­hen. Die Sprich­wör­ter sind nicht so tö­richt, die Ge­gen­sät­ze be­rüh­ren sich wirk­lich. Siehst du, mein Jun­ge, der Han­del ist das Bin­de­glied zwi­schen den ve­ge­ta­bi­li­schen Er­zeug­nis­sen und der Wis­sen­schaft. An­ge­li­ka Ma­dou sam­melt die Früch­te, Herr Vau­que­lin zeigt, wie man den Ex­trakt dar­aus macht, und wir ver­kau­fen dann eine Es­senz. Die Nüs­se kos­ten fünf Sous das Pfund, Herr Vau­que­lin wird ih­ren Wert ver­hun­dert­fa­chen und wir leis­ten viel­leicht der Mensch­heit einen Dienst, denn da die Ei­tel­keit den Men­schen große Qual be­rei­tet, ist ein gu­tes Kos­me­ti­kum eine Wohl­tat.«

Die an­däch­ti­ge Be­wun­de­rung, mit der Po­pi­not dem Va­ter Cäsa­ri­nes zu­hör­te, sta­chel­te Bi­rot­te­aus Be­red­sam­keit noch mehr an, der sich in den wil­des­ten Phra­sen, die ein Bour­geois er­den­ken kann, er­ging.

»Sei recht ehr­er­bie­tig, An­selm,« sag­te er, als sie in die Stra­ße ein­bo­gen, in der Vau­que­lin wohn­te, »wir wer­den gleich in das Hei­lig­tum der Wis­sen­schaft ein­tre­ten. Stel­le das Bild so, daß man es sieht, aber nicht zu auf­fäl­lig, auf einen Stuhl im Eß­zim­mer. Wenn ich nur nicht bei dem, was ich zu sa­gen habe, den Fa­den ver­lie­re«, rief Bi­rot­teau naiv aus. »Die­ser Mann, Po­pi­not, wirkt auf mich wie ein Che­mi­ka­le, der Ton sei­ner Stim­me ver­ur­sacht mir eine in­ne­re Hit­ze und be­wirkt so­gar eine leich­te Ko­lik bei mir. Er ist mein Wohl­tä­ter, und in we­ni­gen Au­gen­bli­cken wird er auch der dei­ni­ge sein, An­selm.«

Die­se Wor­te lie­ßen Po­pi­not er­schau­ern, der wie auf Ei­ern ging und mit un­ru­hi­ger Mie­ne die Mau­ern an­starr­te. Herr Vau­que­lin war in sei­nem Ar­beits­zim­mer, als man Bi­rot­teau an­mel­de­te. Der Aka­de­mi­ker, der den Par­füm­händ­ler als Bei­ge­ord­ne­ten und sehr in Gunst ste­hen­den Mann kann­te, nahm den Be­such an.

»Sie ha­ben mich also doch nicht ver­ges­sen, ob­wohl Sie ein großer Mann ge­wor­den sind?« sag­te der Ge­lehr­te, »aber vom Che­mi­ker zum Par­füm­fa­bri­kan­ten ist ja nur ein Schritt.«

»Ach, ver­ehr­ter Herr, zwi­schen ei­nem Ge­nie wie Sie und ei­nem sim­plen Mann wie ich liegt ein un­end­li­cher Zwi­schen­raum. Was Sie mein Groß­sein nen­nen, das habe ich ja Ih­nen zu ver­dan­ken, und das wer­de ich we­der in die­ser noch in je­ner Welt ver­ges­sen.«

»Oh, in je­ner sind wir ja, wie es heißt, alle gleich, die Kö­ni­ge und die Schuh­fli­cker.«

»Das heißt, wenn die Kö­ni­ge und die Schuh­fli­cker from­me Men­schen ge­we­sen sind«, sag­te Bi­rot­teau.

»Ist das Ihr Sohn?« sag­te Vau­que­lin und be­trach­te­te den klei­nen Po­pi­not, der ver­blüfft war, daß er in dem Ar­beits­zim­mer, wo er Un­ge­heu­er­lich­kei­ten, rie­si­ge Ma­schi­nen, flüch­ti­ge Me­tal­le, be­leb­te Stof­fe, zu fin­den ge­glaubt hat­te, gar nichts Un­ge­wöhn­li­ches sah.

»Nein, Herr Vau­que­lin, aber ein jun­ger Mensch, den ich lieb habe und der sich an Ihre Güte, die Ihrem Ge­nie gleich­kommt, wen­det; und ist die nicht un­be­grenzt?« sag­te er mit schlau­er Mie­ne. »Wir kom­men, um ein zwei­tes Mal Ihren Rat zu er­bit­ten, nach ei­nem Zwi­schen­raum von sech­zehn Jah­ren, und zwar in be­zug auf einen wich­ti­gen Ge­gen­stand, über den ich so un­wis­send bin wie ein Par­füm­händ­ler.«

»Und wel­cher ist das?«

»Ich weiß, daß die Haar­un­ter­su­chun­gen Ihre Näch­te in An­spruch neh­men und daß Sie mit der Ana­ly­se der Haa­re be­schäf­tigt sind; aber wäh­rend Sie sich da­mit um Ihres Ruh­mes wil­len be­fas­sen, be­fas­se ich mich da­mit des Ge­schäfts we­gen.«

»Also, mein ver­ehr­ter Herr Bi­rot­teau, was wün­schen Sie von mir? Eine Ana­ly­se des Haars?« Er griff nach ei­nem klei­nen Stück Pa­pier. »Ich wer­de in der Aka­de­mie der Wis­sen­schaf­ten über die­sen Ge­gen­stand einen Vor­trag hal­ten. Das Haar be­steht aus ei­ner ziem­lich großen Quan­ti­tät Schleim, ei­nem klei­nen Quan­tum wei­ßen Öls, ei­ner großen Men­ge schwarz­grü­nen Öls, Ei­sen, ei­ni­gen Spu­ren Man­gan­säu­re, phos­phor­sau­rem Kalk, ei­nem ganz klei­nen Quan­tum koh­lensau­ren Kal­kes, Kie­sel­er­de und viel Schwe­fel. Die ver­schie­de­nen Ver­hält­nis­se, in de­nen die­se Stof­fe zu­ein­an­der ste­hen, be­din­gen die Far­be der Haa­re. So ent­hal­ten die ro­ten viel mehr schwarz­grü­nes Öl als die an­dern.«

Cäsar und Po­pi­not mach­ten so große Au­gen, daß sie zum La­chen reiz­ten.

»Neun Be­stand­tei­le«, rief Bi­rot­teau aus. »Wie? In ei­nem Haa­re ste­cken Me­tal­le und Öle? Wenn Sie, ein Mann, den ich so hoch ver­eh­re, mir das nicht sag­ten, wür­de ich es nicht glau­ben. Das ist ja au­ßer­ge­wöhn­lich! Gott ist groß, Herr Vau­que­lin.«

»Das Haar ist das Pro­dukt ei­nes balg­ar­ti­gen Or­gans,« fuhr der große Che­mi­ker fort, »eine Art an bei­den En­den of­fe­ner Ta­sche; an dem einen Ende hängt sie mit den Ner­ven und den Ge­fäßen zu­sam­men, aus dem an­dern sprießt das Haar her­vor. Nach der An­sicht ei­ni­ger mei­ner ge­lehr­ten Kol­le­gen, un­ter ih­nen Herr von Blain­ville, ist das Haar ein von die­ser Ta­sche oder Gruft ab­ge­sto­ße­ner to­ter Teil, den eine breii­ge Ma­te­rie aus­füllt.«

»So, wie wenn Schweiß in ei­nem Stock wäre«, rief Po­pi­not aus. Der Par­füm­händ­ler gab ihm einen leich­ten Tritt auf die Ha­cke.

Vau­que­lin muß­te über Po­pi­nots Ver­gleich lä­cheln. »Er ist nicht un­be­gabt, nicht wahr?« sag­te Cäsar und blick­te Po­pi­not an. »Aber ver­ehr­ter Herr, wenn das Haar ein tot­ge­bor­nes Ding ist, dann kann man es doch nicht wie­der le­ben­dig ma­chen und dann sind wir ver­lo­ren! Mein Pro­spekt ist dann Un­sinn; Sie ah­nen nicht, wie merk­wür­dig das Pub­li­kum ist, man kann nicht kom­men und ihm sa­gen …« »Daß es Mist auf dem Kop­fe hat«, sag­te Po­pi­not, der Vau­que­lin noch ein­mal zum La­chen brin­gen woll­te.

»Luf­ti­ge Ka­ta­kom­ben«, ant­wor­te­te ihm der Che­mi­ker, der auf den Scherz ein­ging.

»Und die Nüs­se, die ich schon ge­kauft habe!« klag­te Bi­rot­teau, der an sei­nen ge­schäft­li­chen Ver­lust dach­te. »Aber wes­halb ver­kauft man denn …«

»Be­ru­hi­gen Sie sich,« sag­te Vau­que­lin lä­chelnd, »ich sehe, es han­delt sich hier um ir­gend­ein ge­hei­mes Re­zept, das Aus­fal­len und Weiß­wer­den der Haa­re zu ver­hin­dern. Ich will Ih­nen sa­gen, was ich dar­über nach al­len mei­nen Un­ter­su­chun­gen den­ke.«

Po­pi­not spitz­te die Ohren wie ein auf­ge­scheuch­ter Hase.

»Die Ent­fär­bung die­ser to­ten oder le­ben­den Sub­stanz wird, nach mei­ner Mei­nung, durch die Un­ter­bre­chung der Ab­son­de­rung der far­be­ge­ben­den Ma­te­ri­en her­vor­ge­ru­fen; da­mit er­klärt sich auch, wes­halb in kal­ten Kli­ma­ten das Haar der Tie­re mit dich­tem Pelz im Win­ter ab­blaßt und weiß wird.«

»Hör zu, Po­pi­not!«

»Es ist klar,« fuhr Vau­que­lin fort, »daß die Stö­run­gen beim Haar­wuchs von plötz­li­chen Ver­än­de­run­gen der um­ge­ben­den Tem­pe­ra­tur her­rüh­ren« …

»Der um­ge­ben­den! Be­hal­te das, Po­pi­not«, rief Cäsar.

»Ja,« sag­te Vau­que­lin, »von der ab­wech­seln­den Käl­te und Wär­me oder von in­ne­ren Vor­gän­gen, die die glei­che Wir­kung ha­ben. So ver­zeh­ren, ver­nich­ten oder ver­tei­len in and­rer Wei­se die Mi­grä­ne und Kopf­lei­den jene er­zeu­gen­den Flüs­sig­kei­ten. Die in­ne­ren Vor­gän­ge ge­hen die Ärz­te an. Aber für die äu­ße­ren kom­men Ihre Kos­me­ti­ka in Be­tracht.«

»Ach, ver­ehr­ter Herr,« sag­te Bi­rot­teau, »Sie schen­ken mir das Le­ben wie­der. Ich woll­te das Nuß­öl ver­kau­fen, weil ich dar­an dach­te, daß die Al­ten Öl für ihr Haar ver­wen­de­ten, und die Al­ten blei­ben die Al­ten, dar­in stim­me ich Boi­leau bei. Wa­rum salb­ten sich die Ath­le­ten …«

»Das Oli­ven­öl ist eben­so gut wie das Nuß­öl«, sag­te Vau­que­lin, der nicht auf Bi­rot­teau ach­te­te. »Je­des Öl ist ge­eig­net, um die Haar­z­wie­bel vor Ein­wir­kun­gen zu be­hü­ten, die den Sub­stan­zen, die sie in Tä­tig­keit – wenn es sich um einen che­mi­schen Be­griff han­del­te, wür­den wir sa­gen ›ge­löst‹ – er­hält, schäd­lich sind. Vi­el­leicht ha­ben Sie üb­ri­gens recht: das Nuß­öl, wie mir Du­puy­tren ge­sagt hat, ent­hält ein Sti­mu­lans. Ich wer­de fest­zu­stel­len ver­su­chen, wel­che Un­ter­schie­de zwi­schen dem Buch­e­ckern-, dem Rüb-, dem Oli­ven-, dem Nuß­öl und so wei­ter be­ste­hen.«

»Also habe ich mich doch nicht ge­irrt,« sag­te Bi­rot­teau tri­um­phie­rend, »da ich mich mit ei­nem großen Mann be­geg­ne. Das Ma­cassar ist ge­lie­fert! Das Ma­cassar, Herr Vau­que­lin, ist ein Kos­me­ti­kum, das als den Haar­wuchs be­för­dern­des Mit­tel aus­ge­ge­ben, das heißt ver­kauft wird, und zwar teu­er.«

»Mein lie­ber Herr Bi­rot­teau,« sag­te Vau­que­lin, »es sind nicht zwei Un­zen wirk­li­chen Ma­cassaröls nach Eu­ro­pa ge­langt. Das Ma­cassar­öl hat nicht den ge­rings­ten Ein­fluß auf das Haar, aber die Malai­en be­zah­len sein Ge­wicht in Gold, weil es das Haar er­hält, und wis­sen nicht, daß Le­ber­tran ganz ge­nau so gut ist. Kei­ne che­mi­sche oder gött­li­che Macht …«

»Oh, gött­li­che … sa­gen Sie das nicht, Herr Vau­que­lin.«

»Aber, ver­ehr­ter Herr, das obers­te Ge­setz, dem Gott fol­gen muß, ist, mit sich selbst in Über­ein­stim­mung zu sein; ohne Ein­heit gibt es kei­ne Macht …«

»Ja, wenn Sie das so mei­nen …«

»Kei­ne Macht also kann be­wir­ken, daß Kahl­köp­fen die Haa­re wie­der wach­sen, eben­so wie man nie­mals ohne Ge­fahr ro­tes oder wei­ßes Haar fär­ben kann; wenn Sie aber den Ge­brauch des Öls emp­feh­len, so er­re­gen Sie kei­nen Irr­tum und sa­gen nicht die Un­wahr­heit, und ich glau­be, daß die­je­ni­gen, die es an­wen­den, sich das Haar er­hal­ten kön­nen.«

»Mei­nen Sie, daß die Kö­nig­li­che Aka­de­mie der Wis­sen­schaf­ten viel­leicht be­reit wäre, eine Aner­ken­nung …«

»Oh, es han­delt sich hier doch nicht im ge­rings­ten um eine neue Ent­de­ckung«, sag­te Vau­que­lin. »Üb­ri­gens ha­ben Schar­la­ta­ne den Na­men der Aka­de­mie so oft miß­braucht, daß Ih­nen das doch nicht viel nüt­zen wür­de. Mein Ge­wis­sen wür­de sich auch da­ge­gen sträu­ben, das Nuß­öl als ein Wun­der an­zu­er­ken­nen.«

»Und auf wel­che Art kann man es am bes­ten aus­zie­hen? Durch Ko­chen oder Pres­sen?« sag­te Bi­rot­teau.

»Durch Pres­sen zwi­schen zwei hei­ßen Plat­ten er­hal­ten Sie mehr Öl, aber beim Pres­sen zwi­schen zwei kal­ten Plat­ten wird es von bes­se­rer Qua­li­tät sein. Und man muß es auf die Haut selbst brin­gen,« sag­te Vau­que­lin in sei­ner Güte, »und nicht die Haa­re da­mit ein­rei­ben, sonst wirkt es nicht.«

»Be­hal­te das ge­nau, Po­pi­not«, sag­te Bi­rot­teau mit ei­nem Ent­zücken, das sein Ge­sicht er­glü­hen ließ. »Sie se­hen hier, ver­ehr­ter Herr, einen jun­gen Men­schen, der die­sen Tag zu den schöns­ten sei­nes Le­bens zäh­len wird. Er kann­te Sie, er ver­ehr­te Sie, ohne Sie je ge­se­hen zu ha­ben. Ach, es ist bei uns so oft die Rede von Ih­nen, Ihr Name, der so tief in uns­re Her­zen ein­ge­gra­ben ist, kommt uns so häu­fig auf die Lip­pen. Mei­ne Frau, mei­ne Toch­ter und ich, wir be­ten täg­lich für Sie, wie man es sei­nem Wohl­tä­ter schul­dig ist.«

»Das ist zu viel für so we­nig«, sag­te Vau­que­lin, dem die wort­rei­che Er­kennt­lich­keit des Par­füm­händ­lers pein­lich war.

»Nicht doch!« sag­te Bi­rot­teau, »Sie kön­nen uns doch nicht ver­bie­ten, Sie zu lie­ben, wenn Sie auch nichts von uns an­neh­men wol­len. Sie sind wie die Son­ne, Sie strö­men Ihr Licht aus, und die, die da­von er­leuch­tet wer­den, kön­nen Ih­nen nichts da­für bie­ten.«

Der Ge­lehr­te lä­chel­te und er­hob sich, der Par­füm­händ­ler und Po­pi­not stan­den gleich­falls auf.

»Sieh dir die­ses Ar­beits­zim­mer ge­nau an, An­selm. Sie ge­stat­ten, Herr Vau­que­lin? Ihre Zeit ist so kost­bar, er wird nicht mehr hier­her kom­men.«

»Und wie sind Sie mit den Ge­schäf­ten zu­frie­den?« sag­te Vau­que­lin zu Bi­rot­teau, »schließ­lich sind wir ja bei­de Ge­schäfts­leu­te …«

»Ziem­lich gut, Herr Vau­que­lin«, sag­te Bi­rot­teau, wäh­rend er sich nach dem Eß­zim­mer hin be­weg­te, wo­hin ihm Vau­que­lin folg­te. »Aber um die­ses Öl, das Co­ma­gen-Es­senz hei­ßen soll, zu lan­cie­ren, sind große Mit­tel er­for­der­lich …«

»Es­senz und Co­ma­gen sind zwei Wor­te, die nicht pas­sen. Nen­nen Sie Ihr Kos­me­ti­kum doch Bi­rot­teau-Öl. Und wenn Sie sich nicht mit Ihrem Na­men her­aus­stel­len wol­len, so wäh­len Sie ir­gend­ei­nen an­dern. Aber das ist ja die Dres­de­ner hei­li­ge Jung­frau. Ei, Herr Bi­rot­teau, wol­len Sie, daß wir uns in Feind­schaft tren­nen?«

»Herr Vau­que­lin,« sag­te der Par­füm­händ­ler und er­griff die Hand des Che­mi­kers, »die­ses sel­te­ne Stück hat einen Wert nur durch die Be­harr­lich­keit, mit der ich da­nach ge­sucht habe. Ich muß­te ganz Deutsch­land da­nach durch­for­schen, um einen Avant la Lettre auf China­pa­pier auf­zu­trei­ben; da ich wuß­te, daß Sie es sich wünsch­ten, Ihre Tä­tig­keit ih­nen aber nicht ge­stat­te­te, es zu be­schaf­fen, so bin ich als Ihr Ge­schäfts­rei­sen­der auf­ge­tre­ten. Also neh­men Sie es an, nicht als einen schlech­ten Stich, son­dern als Ge­gen­stand mei­ner Mü­hen, mei­ner sorg­sa­men Nach­for­schun­gen und Maß­re­geln, die Ih­nen mei­ne un­be­grenz­te Er­ge­ben­heit be­zeu­gen sol­len. Ich hät­te ge­wollt, daß Sie sich ir­gend et­was ge­wünscht hät­ten, das ich aus ei­nem Ab­grund hät­te her­auf­ho­len müs­sen, um da­mit zu Ih­nen zu kom­men und zu sa­gen: Hier ist es! Leh­nen Sie es nicht ab. Es spricht so vie­les da­für, daß man uns ver­gißt; er­lau­ben Sie, daß wir alle, mei­ne Frau, mei­ne Toch­ter und mein künf­ti­ger Schwie­ger­sohn uns hier­mit Ih­nen vor Au­gen stel­len. Dann wer­den Sie, wenn Sie die hei­li­ge Jung­frau be­trach­ten, sa­gen: es gibt noch gute Men­schen, die an mich den­ken.«

»Ich neh­me es an«, sag­te Vau­que­lin.

Po­pi­not und Bi­rot­teau trock­ne­ten sich die Au­gen, so ge­rührt wa­ren sie durch den Ton der Güte, den der Aka­de­mi­ker sei­ner Ant­wort ver­lieh.

»Wol­len Sie Ih­rer Güte noch die Kro­ne auf­set­zen?« sag­te der Par­füm­händ­ler.

»Und wo­mit?« frag­te Vau­que­lin.

»Ich habe ei­ni­ge Freun­de zu mir ge­la­den …« (er er­hob sich von den Ha­cken, nahm aber trotz­dem eine be­schei­de­ne Mie­ne an), »eben­so­sehr um die Be­frei­ung des Lan­des, als um mei­ne Er­nen­nung zum Rit­ter der Ehren­le­gi­on zu fei­ern …«

»Ah«, sag­te Vau­que­lin er­staunt.

»Vi­el­leicht habe ich mich die­ser al­ler­höchs­ten Aus­zeich­nung wür­dig er­wie­sen als Rich­ter am Han­dels­ge­richt und als Kämp­fer für die Bour­bo­nen auf den Stu­fen von Saint-Roch am 13. Ven­dé­mi­aire, wo ich von Na­po­le­on ver­wun­det wur­de. Mei­ne Frau gibt Sonn­tag in drei Wo­chen einen Ball, kom­men Sie doch auch hin. Er­wei­sen Sie uns die Ehre, an die­sem Tage mit uns zu di­nie­ren. Für mich wür­de das sein, als wenn ich das Kreuz zwei­mal er­hiel­te. Ich wür­de Ih­nen vor­her noch eine schrift­li­che Ein­la­dung zu­sen­den.«

»Schön, ich wer­de kom­men«, sag­te Vau­que­lin.

»Mein Herz will mir vor Freu­de sprin­gen«, rief der Par­füm­händ­ler aus, als sie auf der Stra­ße wa­ren. »Er wird zu mir kom­men. Ich fürch­te, ich habe ver­ges­sen, was er über das Haar sag­te, er­in­nerst du dich noch dar­an, Po­pi­not?«

»Ja, Herr Bi­rot­teau, und in zwan­zig Jah­ren wer­de ich mich noch dar­an er­in­nern.«

»Was für ein großer Mann! Was für ein Blick und was für ein durch­drin­gen­des Ver­ständ­nis!« sag­te Bi­rot­teau. »Eins, zwei, drei hat er uns­re Ge­dan­ken er­ra­ten und uns die Wege ge­zeigt, um das Ma­cassar­öl zu ver­nich­ten. Ah, es gibt nichts, was die Haa­re wie­der wach­sen macht, also lügst du, Ma­cassar! Po­pi­not, wir ha­ben ein Ver­mö­gen in der Hand. Mor­gen früh um sie­ben Uhr sind wir in der Fa­brik, da kom­men die Nüs­se und dann ma­chen wir Öl; er hat gut re­den, daß je­des Öl gleich gut ist, wenn das Pub­li­kum das wüß­te, dann wä­ren wir ver­lo­ren. Und wenn in un­serm Öl nicht et­was Nu­ß­ex­trakt und Par­füm drin wäre, wie könn­ten wir vier Un­zen da­von für drei bis vier Fran­ken ver­kau­fen?«

»Sie be­kom­men den Or­den, Herr Bi­rot­teau?« sag­te Po­pi­not. »Wel­che Ehre für …«

»Für den Han­dels­stand, nicht wahr, mein Kind?«

Die tri­um­phie­ren­de Mie­ne Cäsar Bi­rot­te­aus, der sei­nes Er­fol­ges si­cher war, wur­de von den Kom­mis be­merkt, die sich un­ter­ein­an­der Zei­chen mach­ten, denn die Fahrt im Wa­gen, die fest­li­che Klei­dung des Kas­sie­rers und des Chefs hat­ten sie be­reits die wil­des­ten Ro­ma­ne kom­bi­nie­ren las­sen. Und Cäsars und An­selms zu­frie­de­nes Aus­se­hen, was durch di­plo­ma­ti­sche, zwi­schen ih­nen ge­wech­sel­te Bli­cke be­kräf­tigt wur­de, der hoff­nungs­vol­le Blick, den Po­pi­not zwei­mal auf Cäsa­ri­ne warf, lie­ßen ir­gend­ein schwer­wie­gen­des Er­eig­nis er­war­ten und be­stärk­ten die Kom­mis in ih­ren Ver­mu­tun­gen. In die­sem be­schäf­tig­ten und gleich­sam klös­ter­li­chen Le­ben nahm man an den kleins­ten Vor­fäl­len das­sel­be In­ter­es­se, wie es der Ge­fan­ge­ne sei­nem Ge­fäng­nis zu­wen­det. Die Hal­tung der Frau Kon­stan­ze, die den olym­pi­schen Bli­cken ih­res Man­nes mit zwei­feln­der Mie­ne be­geg­ne­te, ließ eine neue Über­ra­schung er­war­ten, denn in nor­ma­len Zei­ten hät­te Frau Kon­stan­ze zu­frie­den sein müs­sen, weil alle Er­fol­ge im De­tail­han­del sie froh stimm­ten. Und au­ßer­ge­wöhn­li­cher­wei­se hat­te die­ser Tag eine Ein­nah­me von sechs­tau­send Fran­ken ge­bracht; es wa­ren meh­re­re äl­te­re Rech­nun­gen be­zahlt wor­den.

Honoré de Balzac – Gesammelte Werke

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