Читать книгу Honoré de Balzac – Gesammelte Werke - Оноре де'Бальзак, Honoré de Balzac, Balzac - Страница 21

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Das Spei­se­zim­mer und die Kü­che, die ihr Licht von ei­nem klei­nen Hof her er­hielt und vom Spei­se­zim­mer durch einen Kor­ri­dor ge­trennt war, auf dem eine in ei­ner Ecke des hin­te­ren La­dens an­ge­brach­te Trep­pe mün­de­te, la­gen im Zwi­schen­ge­schoß, wo sich frü­her Cäsars und Kon­stan­zes Woh­nung be­fand; das Spei­se­zim­mer, wo sie ihre Flit­ter­wo­chen ver­lebt hat­ten, mach­te da­her den Ein­druck ei­nes klei­nen Sa­lons. Wäh­rend des Es­sens hü­te­te Raquet, der zu­ver­läs­si­ge Haus­die­ner, den La­den, wenn aber der Nach­tisch auf­ge­tra­gen wur­de, gin­gen die Kom­mis wie­der hin­ab und lie­ßen Cäsar, sei­ne Frau und sei­ne Toch­ter ihre Mahl­zeit al­lein am Ka­min­feu­er be­en­den. Die­se Sit­te stamm­te von den Ra­g­ons her, bei de­nen die al­ten Her­kom­men und Ge­bräu­che, die im Han­dels­stan­de im­mer noch in Übung wa­ren, jene rie­si­ge Di­stanz zwi­schen ih­nen und den Kom­mis fest­hiel­ten, wie sie frü­her zwi­schen Meis­ter und Lehr­ling be­stand. Cäsa­ri­ne oder Kon­stan­ze be­rei­te­te dann dem Par­füm­händ­ler sei­ne Tas­se Kaf­fee, die er in ei­nem Lehn­stuhl am Ka­min trank. Wäh­rend die­ser Stun­de er­zähl­te Cäsar sei­ner Frau die klei­nen Ta­ge­s­er­eig­nis­se, wen er in Pa­ris ge­se­hen hat­te, was im Fau­bourg du Tem­ple pas­siert war und was er für Unan­nehm­lich­kei­ten in der Fa­brik ge­habt hat­te.

»Lie­be Frau,« sag­te er, als die Kom­mis hin­un­ter­ge­gan­gen wa­ren, »heu­te war ei­ner der wich­tigs­ten Tage un­se­res Le­bens! Die Nüs­se sind ein­ge­kauft, die hy­drau­li­sche Pres­se kann mor­gen zu ar­bei­ten an­fan­gen, das Ter­rain­ge­schäft ist ab­ge­schlos­sen. Ver­wah­re doch die­sen Scheck auf die Bank«, sag­te er und gab ihr Pil­ler­aults Schein.

»Die Neu­aus­stat­tung der Woh­nung, die ver­grö­ßert wird, ist be­stellt. Mein Gott, was für einen merk­wür­di­gen Men­schen habe ich im Hol­län­di­schen Hof ken­nen­ge­lernt!« Und er er­zähl­te von Herrn Mo­li­neux …

»Ich sehe nur,« sag­te sei­ne Frau, ihn mit­ten in ei­ner Ti­ra­de un­ter­bre­chend, »daß du zwei­hun­dert­tau­send Fran­ken Schul­den ge­macht hast.«

»Das ist rich­tig, mein Kind«, sag­te der Par­füm­händ­ler mit ge­spiel­ter Ängst­lich­keit. »Mein Gott, wie wer­den wir die be­zah­len kön­nen? Denn die Ter­rains um die Ma­de­lei­ne kann ich ja nicht in Rech­nung stel­len, wo ei­nes Ta­ges das schöns­te Vier­tel von Pa­ris ste­hen wird.«

»Ei­nes Ta­ges, Cäsar.«

»Ach,« sag­te er, in sei­nem scher­zen­den Tone fort­fah­rend, »mei­ne drei Ach­tel da­von wer­den ja erst in sechs Jah­ren eine Mil­li­on wert sein. Wie soll ich also die zwei­hun­dert­tau­send Fran­ken be­zah­len?« fuhr Cäsar mit Zei­chen des Schre­ckens fort. »Nun, wir wer­den sie hier­mit be­zah­len«, sag­te er und zog eine Ha­sel­nuß aus der Ta­sche, die er bei Frau Ma­dou ein­ge­steckt und sorg­fäl­tig auf­ge­ho­ben hat­te.

Er zeig­te die Nuß zwi­schen zwei Fin­gern Cäsa­ri­ne und Kon­stan­ze. Sei­ne Frau sag­te nichts, aber Cäsa­ri­ne, die ihm den Kaf­fee brach­te, frag­te ih­ren Va­ter neu­gie­rig: »Wor­über lachst du denn, Papa?«

Der Par­füm­händ­ler hat­te, eben­so wie sei­ne Kom­mis, wäh­rend des Es­sens die Bli­cke, die Po­pi­not Cäsa­ri­ne zu­ge­wor­fen hat­te, wahr­ge­nom­men; er woll­te nun über sei­nen Ver­dacht Ge­wiß­heit ha­ben. »Nun, mein Töch­ter­chen, die­se Nuß wird eine große Um­wäl­zung in un­serm Haus­halt her­vor­ru­fen.«

Cäsa­ri­ne sah ih­ren Va­ter mit ei­nem Ge­sicht an, auf dem ge­schrie­ben stand: »Was geht mich das an.«

»Po­pi­not ver­läßt uns.«

Ob­gleich Cäsar ein schlech­ter Beo­b­ach­ter war und mit sei­nen letz­ten Wor­ten zu­nächst sei­ner Toch­ter eine Fal­le stel­len, dann aber auch auf die Grün­dung des Hau­ses »A. Po­pi­not und Kom­pa­nie« kom­men woll­te, ließ ihn doch sei­ne zärt­li­che vä­ter­li­che Lie­be die Ver­wir­rung ih­rer Her­zens­emp­fin­dun­gen wahr­neh­men, die Ro­sen auf ihre Wan­gen und ihre Stirn mal­ten und ihre Au­gen auf­leuch­ten lie­ßen, be­vor sie sie nie­der­schlug. Cäsar nahm da­her an, daß zwi­schen Cäsa­ri­ne und Po­pi­not schon eine Auss­pra­che statt­ge­fun­den hät­te. Das war nicht der Fall: die bei­den Kin­der ver­stan­den sich, wie alle zag­haf­ten Lie­ben­den, ohne ein Wort ge­wech­selt zu ha­ben.

Ei­ni­ge Psy­cho­lo­gen sind der An­sicht, daß die Lie­be die un­ge­woll­tes­te, un­ei­gen­nüt­zigs­te, un­be­rech­nends­te al­ler Lei­den­schaf­ten, ab­ge­se­hen von der Mut­ter­lie­be, ist. Die­se An­sicht ist ein gro­ber Irr­tum. Wenn auch der Mehr­zahl der Men­schen der Be­weg­grund für ihre Lie­be nicht klar wird, so be­ruht doch jede kör­per­li­che und see­li­sche Sym­pa­thie auf Über­le­gun­gen, die der Ver­stand, das Ge­fühl oder das bru­ta­le Ver­lan­gen an­stel­len. Die Lie­be ist eine in ih­rem Grund­we­sen egois­ti­sche Lei­den­schaft. Wer Ego­is­mus sagt, meint da­mit: gründ­li­che Be­rech­nung. Da­her müß­te es je­dem, der nur auf das Er­geb­nis sieht, auf den ers­ten Blick un­wahr­schein­lich oder merk­wür­dig vor­kom­men, daß ein schö­nes Mäd­chen, wie Cäsa­ri­ne, sich in einen ar­men, hin­ken­den, rot­haa­ri­gen Jun­gen ver­liebt ha­ben könn­te. Trotz­dem steht ein sol­ches Phä­no­men durch­aus in Über­ein­stim­mung mit der Arith­me­tik der Emp­fin­dun­gen der Bour­geois­krei­se. Wenn man sich das er­klä­ren will, so braucht man nur an jene im­mer vor­kom­men­den und im­mer er­staun­li­chen Lieb­schaf­ten zwi­schen großen, schö­nen Frau­en und klei­nen Män­nern, zwi­schen klei­nen, häß­li­chen Wei­bern und schö­nen, jun­gen Män­nern zu den­ken. Alle Män­ner, die un­ter ir­gend­ei­nem kör­per­li­chen Ge­bre­chen lei­den, an Klump­fü­ßen, Hin­ken, an Buck­lig­keit, un­ge­wöhn­li­cher Häß­lich­keit, an ei­nem Brand­mal oder Mut­ter­mal im Ge­sicht, an Ro­gu­ins Übel oder an­dern der­ar­ti­gen Ab­nor­mi­tä­ten, an de­nen die Er­zeu­ger un­schul­dig sind, ha­ben nur die Wahl, zwei Wege ein­zu­schla­gen: sich ent­we­der ge­fürch­tet zu ma­chen oder eine ganz be­son­de­re Her­zens­gü­te zu be­wei­sen; sich in­ner­halb der üb­li­chen mitt­le­ren Gren­zen zu be­we­gen, wie es die meis­ten Män­ner zu tun pfle­gen, ist ih­nen nicht ge­stat­tet. Im ers­ten Fal­le ge­hört dazu Ta­lent, Ge­nie oder Kraft; ein Mann kann Schre­cken nur ein­flö­ßen durch die Macht des Bö­sen, Re­spekt nur durch Ge­nie, Furcht nur durch viel Geist. Im an­dern Fal­le be­wirkt er, daß man ihn liebt, er paßt sich der weib­li­chen Ty­ran­nei wun­der­bar an und ver­steht bes­ser zu lie­ben als die Leu­te von un­ta­de­li­ger Kör­per­be­schaf­fen­heit. Von tu­gend­haf­ten Leu­ten er­zo­gen, von den Ra­g­ons, Mus­ter­bil­dern der eh­ren­haf­tes­ten Bour­geoi­sie, und von sei­nem Oheim, dem Rich­ter Po­pi­not, war An­selm durch sein rei­nes Herz und sein re­li­gi­öses Emp­fin­den da­hin ge­führt wor­den, daß die Voll­kom­men­heit sei­nes Cha­rak­ters für sein leich­tes kör­per­li­ches Ge­bre­chen reich­lich ent­schä­dig­te. Er­freut über ein sol­ches Stre­ben hat­ten Kon­stan­ze und Cäsar Po­pi­not oft vor Cäsa­ri­ne ge­rühmt. So klein­lich sie sonst wa­ren, hat­ten die bei­den Ehe­leu­te doch eine edle See­le und Ver­ständ­nis für die Ge­füh­le des Her­zens. Die­ses Lob er­weck­te ein Echo bei ei­nem jun­gen Mäd­chen, das, bei al­ler Un­schuld, in Po­pi­nots Au­gen das glü­hen­de Emp­fin­den las, das im­mer schmei­chel­haft wirkt, wel­ches Al­ter, wel­che Stel­lung und wel­ches Äu­ße­re der Lie­ben­de auch ha­ben mag. Der klei­ne Po­pi­not muß­te viel mehr als ein schö­ner Mann Be­weg­grün­de ha­ben, eine Frau zu lie­ben. War die Frau schön, so wür­de er sie bis zu sei­nem letz­ten Le­bens­ta­ge an­be­ten, er wür­de sich auf­rei­ben, um sei­ne Frau glück­lich zu ma­chen, er wür­de sie Her­rin im Hau­se sein las­sen und sich ihr gern un­ter­ord­nen. So emp­fand Cäsa­ri­ne un­be­wußt, wenn auch viel­leicht nicht so deut­lich; wie im Flu­ge zog an ihr das Bild er­füll­ter Lie­be vor­über und der Ver­gleich muß­te ihr recht ge­ben: sie hat­te das Glück ih­rer Mut­ter vor Au­gen, sie wünsch­te sich kein an­de­res Le­ben, ihr In­stinkt ließ sie in An­selm einen zwei­ten, durch Er­zie­hung ver­voll­komm­ne­ten Cäsar se­hen, wie sie selbst voll­kom­me­ner durch ihre Bil­dung war. Sie er­träum­te sich Po­pi­not als Bür­ger­meis­ter ei­nes Be­zirks und ge­fiel sich dar­in, sich aus­zu­ma­len, wie sie, gleich ih­rer Mut­ter in Saint-Roch, ei­nes Ta­ges bei der Wohl­tä­tig­keits­or­ga­ni­sa­ti­on ih­res Kirch­spiels tä­tig sein wür­de. Sie be­merk­te schließ­lich gar nicht mehr, daß zwi­schen dem lin­ken und dem rech­ten Bei­ne Po­pi­nots ein Un­ter­schied be­stand, und sie wäre im­stan­de ge­we­sen, zu fra­gen: »Hinkt er denn?« Sie lieb­te sein kla­res Auge und lieb­te es, den Ein­druck wahr­zu­neh­men, den ihr Blick auf die­se Au­gen mach­te, die so­gleich in keu­schem Feu­er auf­leuch­te­ten, um dann me­lan­cho­lisch nie­der­ge­schla­gen zu wer­den. Ro­gu­ins ers­ter Schrei­ber, Alex­an­der Crot­tat, der jene früh­zei­ti­ge Er­fah­rung be­saß, die der stän­di­ge ge­schäft­li­che Ver­kehr ver­leiht, hat­te ein halb zy­ni­sches, halb gut­mü­ti­ges We­sen, das Cäsa­ri­ne wi­der­wär­tig war, die schon die Ge­mein­plät­ze sei­ner Un­ter­hal­tung nicht aus­ste­hen konn­te. Po­pi­nots Schweig­sam­keit ließ auf ein zar­tes Emp­fin­den schlie­ßen, sie lieb­te sein halb me­lan­cho­li­sches Lä­cheln, das ihm klei­ne Uner­heb­lich­kei­ten ab­nö­tig­ten; Tor­hei­ten, die ihn la­chen mach­ten, lös­ten das glei­che Ge­fühl bei ihr aus, und so lä­chel­ten sie und be­trüb­ten sich zu­sam­men. Die­ser Ein­druck, den er mach­te, hin­der­te An­selm aber nicht, sich in die Ar­beit zu stür­zen, und sein un­er­müd­li­cher Ei­fer ge­fiel Cäsa­ri­ne, denn sie fühl­te, daß, wenn auch die an­dern Kom­mis sag­ten: »Cäsa­ri­ne wird den ers­ten Schrei­ber des Herrn Ro­guin hei­ra­ten«, der arme, hin­ken­de, rot­haa­ri­ge An­selm doch nicht die Hoff­nung auf­gab, der­einst ihre Hand zu er­hal­ten. Solch eine star­ke Hoff­nung ist der Be­weis ei­ner star­ken Lie­be.

»Wo geht er denn hin«, frag­te Cäsa­ri­ne ih­ren Va­ter und ver­such­te, un­be­fan­gen aus­zu­se­hen.

»Er eta­bliert sich in der Rue des Cinq-Dia­mants! Und das, auf mein Wort, auf gut Glück!« sag­te Bi­rot­teau, des­sen Aus­druck we­der von sei­ner Frau, noch von sei­ner Toch­ter ver­stan­den wur­de.

Wenn Bi­rot­teau auf ir­gend­ei­ne in­ne­re Schwie­rig­keit stieß, mach­te er es wie die In­sek­ten vor ei­nem Hin­der­nis, er wich nach links oder nach rechts aus; da­her wech­sel­te er den Ge­sprächs­ge­gen­stand und be­hielt sich vor, über Cäsa­ri­ne mit sei­ner Frau zu re­den.

»Dei­ne Be­fürch­tun­gen und Ge­dan­ken über Ro­guin habe ich dei­nem On­kel er­zählt, er hat dar­über ge­lacht«, sag­te er zu Kon­stan­ze.

»Du sollst doch nie­mals wei­ter sa­gen, was wir un­ter uns be­spre­chen«, rief Kon­stan­ze aus. »Der arme Ro­guin ist viel­leicht der eh­ren­haf­tes­te Mann der Welt, er ist achtund­fünf­zig Jah­re alt und denkt si­cher nicht mehr an …«

Sie brach schnell ab, als sie be­merk­te, daß Cäsa­ri­ne auf­paß­te, und gab Cäsar einen Wink.

»Dann habe ich also recht ge­tan, ab­zu­schlie­ßen«, sag­te Bi­rot­teau.

»Du bist doch der Herr«, ant­wor­te­te sie.

Cäsar nahm die Hän­de sei­ner Frau und küß­te sie auf die Stirn. Ihre Ant­wort war die, mit der sie im­mer ihr still­schwei­gen­des Ein­ver­ständ­nis zu den Pro­jek­ten ih­res Man­nes gab.

»Vor­wärts,« rief der Par­füm­händ­ler, als er in den La­den her­un­ter­kam zu sei­nen Kom­mis, »um zehn Uhr wird der La­den ge­schlos­sen. Hand an­ge­legt, mei­ne Her­ren! Es han­delt sich dar­um, wäh­rend der Nacht sämt­li­che Mö­bel aus dem ers­ten Stock in den zwei­ten zu schaf­fen! Wir wer­den, wie man zu sa­gen pflegt, die klei­nen Töp­fe in die großen stel­len müs­sen, da­mit mein Archi­tekt mor­gen freie Hand hat.«

»Ist Po­pi­not, ohne mich zu fra­gen, fort­ge­gan­gen?« sag­te Cäsar, als er ihn nicht sah. »Ach so, er schläft ja nicht mehr hier, ich hat­te es ver­ges­sen.« Er wird weg­ge­gan­gen sein, dach­te er, um die Aus­füh­run­gen Vau­quel­ins nie­der­zu­schrei­ben oder um den La­den zu mie­ten.

»Wir ken­nen den Grund für die­sen Um­zug«, sag­te Cöles­tin, in­dem er im Na­men der bei­den an­dern Kom­mis und Ro­guets, die hin­ter ihm stan­den, das Wort er­griff. »Ist es uns ge­stat­tet, Sie zu ei­ner Aus­zeich­nung zu be­glück­wün­schen, die auf das gan­ze Ge­schäft zu­rück­fällt? … Po­pi­not hat uns er­zählt, daß Sie, Herr Bi­rot­teau …«

»Ja, Kin­der, was wollt ihr, man hat mir den Or­den ver­lie­hen. Des­halb ha­ben wir, eben­so­sehr um die Be­frei­ung des Lan­des, als um mei­ne Er­nen­nung zum Rit­ter der Ehren­le­gi­on zu fei­ern, ei­ni­ge Freun­de ein­ge­la­den. Ich habe mich viel­leicht die­ser Aus­zeich­nung und al­ler­höchs­ten Gna­de wür­dig er­wie­sen als Mit­glied des Han­dels­ge­richts und als Kämp­fer für die kö­nig­li­che Sa­che, die ich ver­tei­digt habe … als ich so alt war wie ihr, auf den Stu­fen von Saint-Roch am 13. Ven­dé­mi­aire; und wahr­haf­tig, Na­po­le­on, der Kai­ser ge­nannt, hat mich ver­wun­det! Ich bin am Bein ver­wun­det wor­den, und Frau Ra­gon hat mich ver­bun­den. Zeigt Mut, so wer­det ihr da­für be­lohnt wer­den! Und so, Kin­der, hat auch das Un­glück sein Gu­tes!«

»Aber man schlägt sich doch nicht mehr auf der Stra­ße«, sag­te Cöles­tin.

»Das wol­len wir hof­fen«, sag­te Cäsar und be­gann sei­nen Kom­mis eine Moral­pre­digt zu hal­ten, die da­mit schloß, daß er sie ein­lud.

Die Aus­sicht auf einen Ball feu­er­te die drei Kom­mis, Ra­guet und Vir­gi­nie der­art an, daß sie die Ge­schick­lich­keit von Akro­ba­ten ent­wi­ckel­ten. Alle stie­gen be­la­den die Trep­pen hin­auf und her­un­ter, ohne et­was zu be­schä­di­gen oder hin­zu­wer­fen. Um zwei Uhr mor­gens war die Um­räu­mung be­en­det. Po­pi­nots Zim­mer er­hielt Cöles­tin und der zwei­te Kom­mis. Im drit­ten Stock wur­den Mö­bel pro­vi­so­risch un­ter­ge­stellt.

Elek­tri­siert von der ner­vö­sen Er­re­gung, die das Zwerch­fell ehr­gei­zi­ger oder ver­lieb­ter Leu­te er­hitzt, die große Plä­ne vor­ha­ben, hat­te sich der sonst so sanf­te und ru­hi­ge Po­pi­not im La­den nach dem Es­sen wie ein Ras­se­pferd vor dem Ren­nen be­nom­men.

»Was hast du denn?« sag­te Cöles­tin zu ihm.

»Ach, was für ein Tag, mein Lie­ber! Ich eta­blie­re mich«, sag­te er lei­se zu ihm, »und Herr Cäsar ist de­ko­riert wor­den.«

»Du bist ein glück­li­cher Mensch, der Chef springt dir bei«, rief Cöles­tin aus.

Po­pi­not ant­wor­te­te nicht, er ver­schwand, wie weg­ge­bla­sen von ei­nem hef­ti­gen Win­de, dem Win­de, der das Glück in sei­nen Fit­ti­chen trägt.

»Ach, glück­lich!?« sag­te ein Kom­mis, der Hand­schu­he nach Dut­zen­den ord­ne­te, zu sei­nem Nach­bar, der Eti­ket­ten auf­kleb­te; »der Chef hat ge­merkt, daß Po­pi­not Fräu­lein Cäsa­ri­ne ver­lieb­te Bli­cke zu­wirft, und da er ein Schlau­kopf ist, der Chef, so hat er An­selm ab­ge­scho­ben; ab­leh­nen hät­te er einen An­trag in An­be­tracht der Ver­wandt­schaft nicht gut kön­nen. Cöles­tin hält die­se Schlau­heit für Edel­mut.«

An­selm Po­pi­not rann­te die Rue Saint-Ho­noré hin­ab nach der Rue des Deux-Ecus, um ei­nes jun­gen Men­schen hab­haft zu wer­den, den er nach sei­nem kauf­män­ni­schen Ah­nungs­ver­mö­gen für das Haupt­werk­zeug sei­nes Er­fol­ges an­sah. Der Rich­ter Po­pi­not hat dem ge­wand­tes­ten Pa­ri­ser Rei­sen­den, dem sei­ne sieg­haf­te Über­re­dungs­kunst und sei­ne Be­weg­lich­keit spä­ter das Bei­wort »der be­rühm­te« ein­ge­tra­gen ha­ben, ein­mal einen Dienst er­wie­sen. Haupt­säch­lich für das Hut­ge­schäft und für die »Pa­ri­ser Ar­ti­kel« tä­tig, nann­te sich die­ser Kö­nig der Rei­sen­den kurz und bün­dig Gau­diss­art. Schon mit zwei­und­zwan­zig Jah­ren mach­te er sich durch sein kauf­män­ni­sches An­zie­hungs­ver­mö­gen be­merk­bar. Be­weg­lich, mit lus­ti­gen Au­gen, aus­drucks­vol­lem Ge­sicht, un­fehl­ba­rem Ge­dächt­nis und dem si­che­ren Blick für den Ge­schmack ei­nes je­den, hat­te er ein Recht auf das, was er spä­ter wirk­lich wur­de, der Kö­nig der Rei­sen­den, der ty­pi­sche »Fran­zo­se«. Vor ei­ni­gen Ta­gen hat­te Po­pi­not Gau­diss­art ge­trof­fen, der ihm er­zählt hat­te, daß er auf dem Sprun­ge ste­he, ab­zu­rei­sen; die Hoff­nung, ihn doch noch in Pa­ris an­zu­tref­fen, hat­te den Ver­lieb­ten ver­an­laßt, in die Rue des Deux-Ecus zu stür­zen, wo er er­fuhr, daß der Rei­sen­de schon sei­nen Platz auf der Post be­stellt hat­te. Um von sei­nem ge­lieb­ten Pa­ris Ab­schied zu neh­men, war er aus­ge­gan­gen und woll­te sich ein neu­es Stück im Vau­de­vil­le­thea­ter an­se­hen; Po­pi­not be­schloß, auf ihn zu war­ten. Wenn man den Ver­trieb des Nußöls die­sem Man­ne über­tra­gen konn­te, der es wun­der­bar ver­stand, kauf­män­ni­sche Er­fin­dun­gen in Um­lauf zu brin­gen, und der schon von den reichs­ten Han­dels­häu­sern um­wor­ben wur­de, hieß das nicht, einen Wech­sel auf das Glück zie­hen? Po­pi­not hat­te Gau­diss­art in der Hand. Die­ser Rei­sen­de, der so vor­treff­lich die Kunst ver­stand, die am meis­ten Wi­der­spens­ti­gen, die klei­nen Pro­vinz­kauf­leu­te, um den Fin­ger zu wi­ckeln, hat­te sich in die ers­te Ver­schwö­rung, die nach den Hun­dert Ta­gen ge­gen die Bour­bo­nen an­ge­zet­telt wor­den war, ver­wi­ckeln las­sen. Gau­diss­art, dem das Le­ben in fri­scher Luft un­ent­behr­lich war, sah sich schon un­ter dem Druck ei­ner An­kla­ge we­gen Hoch­ver­rats im Ge­fäng­nis. Der Rich­ter Po­pi­not aber, mit der Un­ter­su­chung be­auf­tragt, hat­te Gau­diss­art au­ßer Ver­fol­gung ge­setzt, nach­dem sich er­ge­ben hat­te, daß ihn in die­ser An­ge­le­gen­heit nur sei­ne tö­rich­te Un­vor­sich­tig­keit kom­pro­mit­tiert hat­te. Ein Rich­ter, der der Re­gie­rung oder ei­nem über­trie­be­nen Roya­lis­mus hät­te ge­fäl­lig sein wol­len, wür­de den un­glück­li­chen Rei­sen­den auf das Scha­fott ge­bracht ha­ben. Gau­diss­art, der über­zeugt war, daß er sein Le­ben die­sem Un­ter­su­chungs­rich­ter zu ver­dan­ken hat­te, war un­glück­lich dar­über, daß er sei­nem Ret­ter nur eine un­frucht­ba­re Dank­bar­keit be­zei­gen konn­te. Da er ei­nem Rich­ter nicht da­für dan­ken konn­te, daß er Ge­rech­tig­keit hat­te wal­ten las­sen, so hat­te er den Ra­g­ons er­klärt, daß er sich als Lehns­mann der Fa­mi­lie Po­pi­not be­trach­te.

In­zwi­schen war Po­pi­not na­tür­lich wie­der nach sei­nem Ge­schäfts­lo­kal in der Rue des Cinq-Dia­mants ge­eilt, um die Adres­se des Haus­ei­gen­tü­mers zu er­fah­ren, da­mit er den Miet­ver­trag ab­schlie­ßen kön­ne. Als er in dem La­by­rinth der großen Markt­hal­le her­u­mirr­te und über die Mit­tel, schnell zu Er­folg zu kom­men, nach­dach­te, bot sich Po­pi­not in der Rue Au­bry-le-Bou­cher eine glück­ver­hei­ßen­de Ge­le­gen­heit, mit der er Cäsar am nächs­ten Mor­gen zu er­freu­en ge­dach­te. Wäh­rend er vor der Tür des Hôtel du Com­mer­ce Wa­che stand, hör­te er um Mit­ter­nacht von fern aus der Rue de Gre­nel­le her Gau­diss­art die Schluß­stro­phe ei­nes Gas­sen­hau­ers sin­gen, die er mit dem Auf­sto­ßen des Stockes auf das Pflas­ter be­glei­te­te.

»Nur zwei Wor­te, lie­ber Herr«, sag­te An­selm, der her­vor­trat und sich plötz­lich zeig­te.

»Zehn, wenn Sie wün­schen«, er­wi­der­te der Rei­sen­de und er­hob sei­nen mit Blei aus­ge­gos­se­nen Stock zum An­griff.

»Ich bin ja Po­pi­not«, sag­te der arme An­selm.

»Ge­nug«, sag­te Gau­diss­art, der ihn jetzt er­kann­te. »Was brau­chen Sie? Geld? Au­gen­blick­lich nicht vor­han­den, ist aber zu be­schaf­fen. Mei­nen Arm für ein Duell? Ganz zu Ih­rer Ver­fü­gung, vom Schei­tel bis zu den Fuß­spit­zen.«

Und er sang:

»So ist, so ist

Der ech­te

Fran­zö­si­sche Sol­dat.«

»Kom­men Sie, ich habe mit Ih­nen zehn Mi­nu­ten zu re­den, aber nicht auf Ihrem Zim­mer, da könn­te man uns hö­ren, son­dern auf dem Quai de l’Hor­lo­ge, da ist um die­se Zeit kein Mensch«, sag­te Po­pi­not; »es han­delt sich um eine äu­ßerst wich­ti­ge An­ge­le­gen­heit.«

»Es brennt also, vor­wärts!«

Nach zehn Mi­nu­ten kann­te Gau­diss­art Po­pi­nots Ge­heim­nis und hat­te die Be­deu­tung der Sa­che be­grif­fen.

»Heran, ihr Par­füm­händ­ler, Fri­seu­re und Ver­käu­fer«, rief Gau­diss­art, in­dem er La­fon in der Rol­le des Cid nach­ahm­te. »Ich wer­de sämt­li­che Händ­ler Frank­reichs und Na­var­ras an­pa­cken. Oh, ich habe eine Idee! Ich woll­te ab­rei­sen, jetzt blei­be ich hier und las­se mir von dem Pa­ri­ser Par­füm­han­del Kom­mis­sio­nen ge­ben.«

»Und warum das?«

»Um Ihre Kon­kur­renz tot zu ma­chen, Sie Un­schuld! Wenn ich ihre Kom­mis­sio­nen habe, so kann ich ihre elen­den Kos­me­ti­ka in Öl er­säu­fen, in­dem ich nur von Ihrem Öl rede und mich nur mit ihm be­fas­se. Das wird eine fei­ne Tour! Oh, wir sind die Di­plo­ma­ten des Han­dels. Fa­mos! Und was Ihren Pro­spekt be­trifft, so las­sen Sie das mei­ne Sor­ge sein. Ich habe einen Ju­gend­freund, An­do­che Fi­not, der Sohn des Hut­ma­chers in der Rue du Coq; der Alte hat mich als Rei­sen­den in die Hut­bran­che ein­ge­führt. An­do­che ist vol­ler Geist, an­schei­nend hat er den Geist al­ler Köp­fe, die sein Va­ter be­hü­tet hat, an sich ge­zo­gen; er ist Schrift­stel­ler und schreibt die klei­nen Thea­ter­stücke für den Thea­ter-Ku­ri­er. Sein Va­ter, der alte Schuft, hat lau­ter Grün­de, den Geist nicht zu lie­ben, und hält auch nichts da­von; un­mög­lich, ihm klarzu­ma­chen, daß man auch mit Geist Geld ver­die­nen kann, er kennt nur den Wein­geist. Der alte Fi­not hält nun den jun­gen an der Hun­ger­strip­pe. An­do­che, ein fä­hi­ger Kopf und mein Freund – mit Dumm­köp­fen ver­keh­re ich nur kauf­män­nisch – macht die Ver­schen für den Fi­dèle Ber­ger, der ihn we­nigs­tens da­für be­zahlt, wäh­rend die Zei­tun­gen ihm für sei­ne Sträf­lings­ar­beit einen Hun­de­lohn hin­wer­fen. Was ist das für eine rup­pi­ge Ge­sell­schaft! Das ist ge­nau wie bei den Pa­ri­ser Ar­ti­keln. Fi­not hat ein wun­der­vol­les Lust­spiel in ei­nem Akt für Fräu­lein Mars ge­macht, die ers­te al­ler Berühmt­hei­ten, ach, wie ich die lie­be! Na, und da­mit es auf­ge­führt wird, hat er es zum Gaité-Thea­ter brin­gen müs­sen. Auf Pro­spek­te ver­steht sich An­do­che, er geht auf kauf­män­ni­sche Ide­en ein, er ist auch nicht stolz, er wird uns den Pro­spekt gra­tis zu­recht­zim­mern. Wir wer­den ihn zu ei­ner Ter­ri­ne Punsch und Ku­chen ein­la­den; denn das bit­te ich mir aus, Po­pi­not, kei­ne Re­dens­ar­ten! Ich rei­se für euch ohne Kom­mis­si­ons­ge­büh­ren und ohne Rei­se­kos­ten; das wird eure Kon­kur­renz be­zah­len, die wer­de ich schon hin­ein­le­gen. Ver­ste­hen wir uns rich­tig: daß ihr Er­folg habt, das ist für mich Ehren­sa­che. Als Be­loh­nung ver­lan­ge ich, bei Ih­rer Hoch­zeit Braut­füh­rer zu sein. Ich gehe nach Ita­li­en, nach Deutsch­land, nach Eng­land! Ich neh­me An­zei­gen in al­len Spra­chen mit, las­se sie über­all an­schla­gen, in den Dör­fern, an den Kir­chen­tü­ren, an al­len ge­eig­ne­ten Stel­len, die ich in den Pro­vinz­städ­ten ken­ne! Auf al­len Köp­fen soll das Öl leuch­ten und glän­zen! Oh, Ihre Hoch­zeit soll kei­ne stil­le Fei­er, son­dern eine Staats­hoch­zeit wer­den! Sie sol­len Ihre Cäsa­ri­ne be­kom­men, oder ich will nicht ›Der Berühm­te‹ hei­ßen, wie mich der alte Fi­not ge­tauft hat, weil ich sei­ne grau­en Hüte in Mode ge­bracht habe. Wenn ich Ihr Öl ver­kau­fe, blei­be ich üb­ri­gens bei mei­ner Bran­che, dem Men­schen­kop­fe; Öl und Hut, bei­de gel­ten ja als Er­hal­tungs­mit­tel der Haa­re.«

Als Po­pi­not sich zu sei­ner Tan­te be­gab, wo er schla­fen woll­te, war er in­fol­ge der Aus­sicht auf Er­folg so fie­ber­haft er­regt, daß die Stra­ßen ihm wie Öl­bä­che er­schie­nen. Er schlief nur we­nig, träum­te, daß ihm die Haa­re wahn­sin­nig wüch­sen, und sah zwei En­gel vor sich, die eine Rol­le ent­fal­te­ten, wie in ei­nem Me­lo­dra­ma, auf der ge­schrie­ben stand: »Hui­le Césa­ri­enne.« Als er beim Er­wa­chen sich an die­sen Traum er­in­ner­te, nahm er sich vor, das Nuß­öl so zu nen­nen, da er die­ses Traum­ge­bil­de für eine gött­li­che Ein­ge­bung an­sah. Cäsar und Po­pi­not wa­ren schon lan­ge be­vor die Nüs­se ein­tra­fen in ih­rer Fa­brik am Fau­bourg du Tem­ple; wäh­rend sie auf die Leu­te der Frau Ma­dou war­te­ten, er­zähl­te Po­pi­not tri­um­phie­rend von sei­nem Bünd­nis­ver­tra­ge mit Gau­diss­art.

»Wenn wir den be­rühm­ten Gau­diss­art auf uns­rer Sei­te ha­ben, dann sind wir Mil­lio­näre«, rief der Par­füm­händ­ler aus und reich­te sei­nem Kas­sie­rer die Hand mit ei­ner Ge­bär­de, wie Lud­wig XIV. wohl den Mar­schall von Vil­lars bei sei­ner Rück­kehr von De­nain be­will­komm­net ha­ben moch­te.

»Wir ha­ben auch noch et­was an­de­res«, sag­te der glück­li­che Kom­mis und zog eine Fla­sche von fla­cher, ecki­ger Kür­bis­form aus der Ta­sche; »ich habe zehn­tau­send sol­che Fla­kons ent­deckt, alle fer­tig und lie­fer­bar, zu vier Sous das Stück bei sechs Mo­na­ten Ziel.«

»An­selm,« sag­te Bi­rot­teau, wäh­rend er die merk­wür­di­ge Form des Fla­kons be­trach­te­te, »ges­tern« (hier­bei nahm er einen wür­de­vol­len Ton an) »in den Tui­le­ri­en, ja, erst ges­tern sag­test du: ich wer­de Er­folg ha­ben. Heu­te sage ich zu dir: du wirst Er­folg ha­ben. Vier Sous! Sechs Mo­na­te Ziel! Eine so ori­gi­nel­le Form! Ma­cassar ist in sei­nen Grund­fes­ten er­schüt­tert, was wird das Ma­cassar­öl für einen Stoß be­kom­men! Wie klug war ich, daß ich alle Nüs­se in Pa­ris auf­ge­kauft habe! Wo hast du denn die­se Fla­kons auf­ge­trie­ben?«

»Ich trieb mich her­um, wäh­rend ich die Zeit, wo ich Gau­diss­art spre­chen konn­te, ab­war­te­te …«

»Genau wie ich da­mals«, rief Bi­rot­teau aus.

»Als ich die Rue Au­bry-le-Bou­cher hin­ab­ge­he, sehe ich bei ei­nem Glas­groß­händ­ler, der mit Fla­schen, mit Glä­sern und Glas­stür­zen han­delt, und der ein Rie­sen­la­ger hat, die­ses Fla­kon … Ach, es stach mir in die Au­gen wie ein Blitz und eine Stim­me rief mir zu: Das ist, was du suchst!«

»Der ge­bo­re­ne Kauf­mann! Er soll mei­ne Toch­ter ha­ben«, mur­mel­te Cäsar.

»Ich gehe hin­ein und sehe Tau­sen­de von die­sen Fla­kons in Kis­ten …«

»Du er­kun­digst dich da­nach!«

»Sie wer­den mich doch nicht für so naiv hal­ten!« sag­te An­selm schmerz­lich be­rührt.

»Der ge­bo­re­ne Kauf­mann«, wie­der­hol­te Bi­rot­teau.

»Ich fra­ge nach Glas­stür­zen für wäch­ser­ne Chris­tus­kin­der. Wäh­rend ich um die­se hand­le, ma­che ich die Fas­son der Fla­kons schlecht. Schließ­lich brin­ge ich den Kauf­mann zu ei­ner Ge­ne­ral­beich­te, und wie ein Wort das an­de­re gibt, er­zählt er mir, daß Fail­le & Bouchot, die kürz­lich in Kon­kurs ge­ra­ten sind, ein Kos­me­ti­kum in den Han­del brin­gen und dazu Fla­kons von ei­gen­ar­ti­ger Form ver­wen­den woll­ten; er trau­te ih­nen nicht und ver­lang­te Vor­aus­be­zah­lung der Hälf­te des Prei­ses; Fail­le & Bouchot, in der Hoff­nung, daß sie Er­folg da­mit ha­ben wür­den, ga­ben das Geld, aber wäh­rend der Her­stel­lung bricht der Kon­kurs aus; die Syn­di­ci, auf­ge­for­dert, zu zah­len, ver­han­deln mit ihm und über­las­sen ihm die Fla­kons und die An­zah­lung, als Ent­schä­di­gung für die Fa­bri­ka­te, die als lä­cher­lich und un­ver­käuf­lich an­ge­se­hen wer­den. Da die Fla­kons acht Sous kos­ten, so wür­de er sie gern für vier Sous her­ge­ben, denn Gott weiß, wie lan­ge er eine sol­che un­ver­käuf­li­che Fas­son auf La­ger be­hal­ten müs­se. – ›Wol­len Sie sich ver­pflich­ten, zehn­tau­send Stück zu vier Sous zu lie­fern? Ich kann Sie von Ihren Fla­kons er­lö­sen, ich bin Kom­mis bei Herrn Bi­rot­teau.‹ Ich kö­de­re ihn da­mit, be­re­de ihn, ge­win­ne ihn, ma­che ihn be­gie­rig, und er stimmt zu.«

»Vier Sous«, sag­te Bi­rot­teau. »Weißt du, daß wir den Preis für das Öl auf drei Fran­ken fest­set­zen kön­nen und im­mer noch, bei zwan­zig Sous Ra­batt an die De­tail­lis­ten, drei­ßig Sous dar­an ver­die­nen?«

»An dem ›Hui­le Césa­ri­en­ne‹!« rief Po­pi­not aus.

»›Hui­le Césa­ri­en­ne‹? … Ei, mein Herr Ver­lieb­ter, Sie wol­len dem Va­ter und der Toch­ter schmei­cheln. Na schön, es lebe das ›Hui­le Césa­ri­en­ne‹! Die Cäsa­ren ha­ben die Welt er­obert, sie müs­sen pracht­vol­les Haar ge­habt ha­ben.«

»Cäsar war ein Kahl­kopf«, sag­te Po­pi­not.

»Weil er un­ser Öl nicht ge­braucht hat, das wer­den wir sa­gen! Das ›Hui­le Ce­sa­ri­en­ne‹ kos­tet drei Fran­ken, das Ma­cassar­öl das dop­pel­te. Gau­diss­art ha­ben wir, das wird uns hun­dert­tau­send Fran­ken jähr­lich ein­brin­gen, denn ich rech­ne auf den Kopf al­ler Leu­te, die et­was auf sich hal­ten, zwölf Fla­kons jähr­lich, das macht acht­zehn Fran­ken! Das sind, wenn ich acht­zehn­tau­send Köp­fe an­neh­me, hun­dert­acht­zig­tau­send Fran­ken. Dann sind wir Mil­lio­näre.«

Honoré de Balzac – Gesammelte Werke

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