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„Meine Geschichte in Endeln“


Von Elisabeth Harks, geb. Hülsdünker

Erst einige Tage auf der Welt - und schon bekam ich ein Kopfgeld. Bei der Währungsreform 1948 bekam jeder „Kopf“ am Stichtag 40 Deutsche Mark als Startkapital. Meine Eltern freute es, denn wir waren schon eine ziemlich große Familie. Im Elternhaus in Lembeck-Endeln lebten neben unserer Familie noch Oma Maria und meine Onkel Willi und Onkel Fritz.

Unser Haus bestand aus drei Zimmern im Obergeschoss, drei Räumen im Erdgeschoss sowie dem Keller und einem Stall. Oben im Wohnhaus gab es ein Schlaf- und Arbeitszimmer für die beiden Onkel Willi (Schneider) und Fritz. Eines der Zimmer stand für unsere zunächst kleine, dreiköpfige Familie zur Verfügung und ein weiteres Zimmer war reserviert für eingelagertes Korn – die sogenannte Musekamer. Im Erdgeschoß hatte Oma ein Schlafzimmer, daneben gab es eine große Küche, eine gute Stube und einen Backofen und einen Stall für Schafe und Schweine.Im Keller lagerten die Vorräte für ein ganzes Jahr. In einem Kellerraum lagerten Kartoffeln und Eingemachtes, in einem weiteren die Kohlen. Ein dritter Kellerraum war für Vaters Schuhmacherwerkzeuge und Geräte reserviert. Im Stall standen in meinen frühen Kinderjahren drei Schafe und vier Schweine. An den Schafen vorbei führte der Weg zum Plumpsklo für die ganze Familie.

Meine Mutter kam vom Bauernhof Elwermann. Von dort bekamen wir täglich Milch und Milchprodukte. Es gab noch einen großen Garten, sodass wir fast ausschließlich Selbstversorger waren. Gekauft wurden nur Salz und Zucker. Um die Mitte der 50er Jahre heirateten Willi und Fritz. Unser Haus wurde dann etwas umgebaut und wir bekamen fließendes Wasser aus einem neuen Brunnen. Zu Weihnachten 1957 bekamen wir einen Schwarz-Weiß-Fernseher. Oma Maria, die im Januar 1958 verstarb, hatte noch das Fernsehzeitalter erlebt..

Das Schlachtfest:

Jedes Jahr in den Wintermonaten wurde ein Schwein geschlachtet. Für die Hausschlachtung kam der Metzger zu uns, schlachtete das Schwein und hängte es über Nacht auf eine Leiter, damit das Fleisch erkaltete. Am nächsten Morgen wurde das Schwein zerteilt und es wurde gewurstet, oft kam Tante Paula und half dabei. In dem sogenannten Kaupott wurden die Würste dann gekocht. Für die in der Nähe wohnenden Verwandten gab es dann noch einen Potthast. Zum Potthast gehörten: je 1 Stück Leber- und Blutwurst, 1 Stück Wurstebrot und 1 Stück Panhas und zu guter Letzt noch 1 kleine Mettwurst. Schinken und Speck wurden eingepökelt – d.h. in eine Salzlake eingelegt und so haltbar gemacht. Das Fleisch wurde in Gläser eingekocht. Später dann in Kühltruhen eingefroren. Am Schlachttag wurde das tote Schwein bis spät abends gut bewacht. Es kamen mal Verwandte oder Nachbarn vorbei, um zu sehen, ob es ein gutes Schwein war. So wurde es dann ein fröhliches Schlachtfest für die Männer.


Das Haus der Witwe Maria Hülsdünker und ihrer neun Kinder an der Rhader Strasse in Lembeck-Endeln nach deren Wegzug vom ollen Huus.

Fröhliche Sitten in dörflicher Lembecker Gemeinschaft:

Für die Jungen im Dorf gab es ein Kinderschützenfest. Für die Mädchen wurde an Pfingsten die Pingstebrut gefeiert. Wir Mädchen zogen dann von Haus zu Haus, sangen das Pingstebrutlied und baten die Mütter um Eier und Geld. Organisiert wurde der Mädchentag von den Schülerinnen der 7. und 8. Klassen. Die Pingstebrut war ein Kommunionkind. Auf jährlich wechselnden Bauernhöfen wurde zuerst gespielt und dann von den großen Mädchen, die zuvor eingesammelten Eier verkauft. Vom erlösten Geld wurden Saft und Süßigkeiten gekauft und an alle Kinder verteilt. Auch das erübrigte Geld wurde verteilt.

Nachbarschaftsfeste – Hochzeiten:

Nachdem ich die Volksschule verlassen hatte, gehörte ich zu den Erwachsenen. Bei den alljährlich stattfindenden Nachbarschaftsfesten auf den umliegenden Bauernhöfen wurden alle jungen Mädchen als Küchenhilfen und Bedienungen eingesetzt. Am Tag vor dem Fest wurden unter anderem die Scheune geschmückt, Kartoffeln geschält, Salat gewaschen. Das Porzellan und die Gläser wurden gespült und die Tische eingedeckt. Der Festtag selbst begann mit einem gemeinsamen Kaffeetrinken und gespendetem Kuchen, der von den Teilnehmern mitgebracht wurde. Für das Abendessen sorgte eine Köchin – die Hilfen waren die Mädchen. Für die Ausgabe der Getränke waren die Jungen zuständig.

Nach dem Essen wurde das ganze Porzellan gespült und wieder verpackt. Erst dann durfte – meist schon gegen Mitternacht – getanzt und gefeiert werden. Wenn die Eltern nach Hause wollten, meist ein bis höchstens zwei Stunden später, mussten wir jungen Leute mitgehen.Ähnlich verliefen Hochzeiten in der Nachbarschaft. Jeder Nachbar musste ein junges Mädchen benennen, das als Hilfe eingesetzt wurde. Dies war selbstverständlich kostenlos für das Brautpaar.

Dörfliche Sitten – Pflichten der Nachbarn – bei Todesfällen:

Im Jahr 1958, als Oma Maria starb, wurde ich 10 Jahre alt. Am Todestag kamen alle ihre Kinder und nahmen in ihrem Schlafzimmer mit Gebeten Abschied von ihrer Mutter und meiner Oma.

Abends wurde der Sarg von Bahde geliefert und Schwester Herma kam vorbei. Wir Kinder waren in der Küche und haben gebetet. Dann wurde Oma in der guten Stube aufgebahrt – mit Blumen, an deren Geruch ich mich lange erinnerte. Es wurde der Notnachbar gerufen und der musste die anderen Nachbarn informieren. Diese teilten sich Lembeck in Bereiche auf und gingen von Haus zu Haus um die Nachricht vom Tode zu verbreiten. Am Tag vor der Beerdigung kamen den ganzen Tag, gefühlt alle Lembecker, ins Haus und verabschiedeten sich von Oma. Alle zogen am Sarg vorbei – nur Verwandte wurden in die Küche gebeten und bekamen Kaffee. Am Beerdigungstag wurde der Sarg auf einen Pferdewagen gehoben. Die ganzen Trauergäste liefen anschließend hinter dem Sarg bis zum Friedhof in Lembeck, wo Oma beerdigt wurde. Nach der Messe wurden die Verwandten und Nachbarn zu uns nach Hause eingeladen. Zuvor wurde der Weg wieder zu Fuß zurückgelegt.

Ein weiteres einschneidendes Erlebnis war für mich der Tod eines Nachbarmädchens einige Jahre später. Hier wurden drei weitere Nachbarmädchen und ich als Sargträgerinnen verpflichtet. Es war eine Nachbarpflicht, diese Aufgabe zu übernehmen. Bei erwachsenen Verstorbenen mussten die nächsten Nachbarn sechs Sargträger bereitstellen. Auch alle Behördengänge wurden vom Notnachbarn erledigt.

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