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Der Aufstieg der Hausmeier

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Der eigentliche Anlass des Streits zwischen den beiden Königinnen, der Mord an Brunhildes Schwester Galswintha, lag inzwischen fast ein halbes Jahrhundert zurück und war längst in den Hintergrund gerückt. Denn was mit einer Familienfehde begonnen hatte, war zu einem Machtkampf zwischen den drei fränkischen Teilreichen geworden. Es gehört wohl zu den Ungerechtigkeiten der Geschichte, dass ausgerechnet Chlotar II. als Sieger hervorgegangen ist, während es doch Brunhilde gewesen war, die sich zeitlebens und unter hohem persönlichen Einsatz für die Reichseinheit eingesetzt hatte.

Doch auch wenn Chlotar II. jetzt das ganze Frankenreich allein regierte, so war er doch keineswegs so mächtig, wie es vielleicht den Anschein hatte. Die ständigen Kriege hatten ihn in immer größere Abhängigkeit vom Adel gebracht, der schließlich im Kampf die Truppen stellte. Umsonst war die Unterstützung freilich nicht zu haben; die Kriegsdienste des Adels wurden meist großzügig mit Landbesitz belohnt. Unter dem Reichsgründer Chlodwig und seinen Söhnen war das noch kein Problem gewesen, schließlich kam durch neue Eroberungen immer wieder Land hinzu. Das aber war inzwischen nicht mehr der Fall. Und so kam es, dass die Auseinandersetzungen des 6. und beginnenden 7. Jahrhunderts dem Adel einen derart großen Landgewinn bescherten, dass manche der Großen inzwischen reicher waren als der König selbst. Dem musste Chlotar II. 614 mit dem Pariser Edikt Rechnung tragen. Darin übertrug er verschiedene Machtbefugnisse wie die Rechtsprechung und die Einziehung von Abgaben den Adelsherren. Trotzdem gelang es dem Adel nicht, sich dauerhaft als „zweite Macht im Staat“ zu etablieren, dazu waren seine Interessen zu unterschiedlich.

Die eigentlichen Sieger der fränkischen Bruderkriege jedoch waren die Hausmeier, die ranghöchsten Hofbeamten. Chlotar II. verfügte nämlich, dass auch künftig jedes der drei Teilreiche – Austrien, Neustrien und Burgund – einen eigenen Hausmeier haben sollte, da der König ja nicht überall selbst nach dem Rechten schauen konnte. Bereits im späten 6. Jahrhundert war mit diesem Amt eine solche Machtfülle verbunden, dass sein jeweiliger Inhaber dem König an tatsächlichem Einfluss nicht mehr viel nachstand. Und saßen gar Kinderkönige auf dem Thron – was immer einmal wieder der Fall sein sollte – dann wurde die Macht des Hausmeiers umso größer. Und so dauerte es nicht lange, bis die „Geschäftsführer“ des Königs eine beachtliche Karriere machten. Bereits mit dem austrischen Hausmeier Pippin dem Älteren († 640) begann der Aufstieg der Karolinger, der Dynastie, die 751 die machtlos gewordenen Merowingerkönige vom Thron stieß.

Damit verschwand die Dynastie praktisch sang- und klanglos von der Bühne der Geschichte. Pippin der Jüngere musste noch nicht einmal einen Putsch unternehmen, um den fränkischen Thron besteigen zu können. Es bedurfte lediglich des Hinweises durch den Papst, dass es besser sei, den zum König zu wählen, der die tatsächliche Macht habe, damit der ordo (die christliche Weltordnung) nicht gestört werde. Und genau das geschah: Die Franken hoben einstimmig Pippin auf den Schild! Während der letzte Merowingerkönig seine langen Locken einbüßte und danach hinter Klostermauern verschwand, bestimmten die Karolinger künftig auch ganz offiziell die Geschicke des Frankenreiches. Der mächtigste und berühmteste Vertreter dieser Herrscherlinie war Karl der Große, den man schon zu Lebzeiten den „Vater Europas“ nannte.

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