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Drum prüfe, wer sich ewig bindet …

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Es kam, wie es kommen musste: Chlodwigs Nachfahren waren nicht in der Lage, die Herrschaft gemeinsam auszuüben. Erbitterte Streitigkeiten führten schließlich zu einer Dreiteilung des Frankenreichs, das sich 50 Jahre nach Chlodwigs Tod noch erheblich vergrößert hatte. Diese Teilung wurde für die Zukunft maßgeblich: im Osten Austrien (Ostreich) mit der Champagne, dem Maas- und Moselland und der Hauptstadt Reims, im Westen Neustrien (Westreich) zwischen Schelde und Loire mit der Hauptstadt Soissons und schließlich Burgund mit dem Zentrum Orléans.

Im Jahr 561 wurde Chlodwigs Enkel Sigibert I. König von Austrien, sein Bruder Chilperich I. herrschte über Neustrien, während Gunthramm Burgund erhielt. Auch wenn sich die Merowinger schon längst zum Christentum bekannten, hatten die meisten von ihnen für eheliche Treue nicht allzu viel übrig. Sie führten ein ausschweifendes Liebesleben. Nur König Sigibert stand wie ein Fels in der Brandung inmitten des sinnlichen Treibens und der zahllosen Leidenschaften. Und doch war ausgerechnet er es, der mit seiner standesgemäßen Hochzeit 566 einen jahrelangen Bruderkrieg auslöste, der den Niedergang des Merowingergeschlechts einleiten sollte.

Sigibert hatte sich nämlich für eine junge Spanierin aus dem Reich der Westgoten entschieden, die dreiundzwanzigjährige Tochter des Königs Athanagild, der in Toledo residierte. Prinzessin Brunhilde war nach dem Urteil des Chronisten Gregor von Tours „eine Jungfrau von feiner Bildung, schön von Angesicht, züchtig und wohlgefällig in ihrem Benehmen, klugen Geistes und anmutig im Gespräch“. Um diese wunderbare Frau für sich zu gewinnen, schickte Sigibert eine Gesandtschaft nach Spanien, die bei Athanagild in seinem Namen um die Hand der Tochter anhalten sollte. Der königliche Vater war hocherfreut über den fränkischen Heiratsantrag und schickte Brunhilde gleich „mit reichen Geschenken“ ins austrische Reims zu ihrem künftigen Gatten. Dort heirateten die beiden „unter unendlichem Jubel und großen Lustbarkeiten“, so Gregor von Tours in seiner Chronik. Das Glück schien perfekt und hätte womöglich bis an ihr seliges Ende gedauert, wäre da nicht ein neidischer Bruder gewesen.

Chilperich, König von Neustrien, saß daheim in Soissons und platzte fast vor Neid. Sein Verhältnis zu Sigibert war ohnehin nicht das beste, und jetzt hatte der ältere Bruder auch noch eine Frau geheiratet, von der er selbst nur zu träumen wagte! Nun war zwar auch Chilperich keineswegs ledig geblieben, aber mit einer blaublütigen Prinzessin konnte er sich leider nicht schmücken. Seiner ersten Gemahlin Audovera war er rasch überdrüssig geworden und hatte deshalb dafür gesorgt, dass sie den Rest ihres Lebens hinter Klostermauern verbrachte. Die christlichen Frauenklöster waren mittlerweile zu beliebten „Entsorgungsstationen“ für missliebige Ehefrauen geworden. Sehr praktisch! Endlich wieder frei, holte sich Chilperich die propere Magd Fredegunde ins Ehebett. Aber was war eine Magd im Vergleich zu einer Prinzessin! Nun kam Chilperich zu Ohren, dass Athanagild noch eine weitere Tochter hatte, die stille und bescheidene Galswintha. Darum machte er sich unverzüglich selbst auf den Weg nach Toledo, um beim König der Westgoten vorzusprechen. Doch der war diesmal über den Heiratsantrag überhaupt nicht erfreut, denn Chilperichs schlechter Ruf war ihm bis nach Spanien vorausgeheilt. Athanagild hegte berechtigte Zweifel daran, ob der windige Merowinger, Weiberheld und Trunkenbold, der er war, tatsächlich der richtige Gemahl für seine empfindsame Galswintha sein würde. Erst nachdem Chilperich bei seinem Leben geschworen hatte, alle anderen Frauen zu verlassen und überhaupt sämtlichen Lastern zu entsagen, ließ Athanagild auch seine zweite Tochter ins Frankenreich ziehen, diesmal nach Soissons.

Diese Entscheidung sollte der alte König bald bitter bereuen! Schon nach kurzer Zeit nämlich wurde der flatterhafte Chilperich seiner unscheinbaren Gemahlin überdrüssig und besann sich wieder auf die Vorzüge von Fredegunde, die es wesentlich besser verstand, Schwung ins königliche Liebesleben zu bringen. Und so verdrängte die frühere Magd die blaublütige Westgotin aus Chilperichs Ehebett. Galswintha ertrug die Demütigung mit Würde und scheinbarer Gelassenheit, tatsächlich aber war sie zutiefst gekränkt. Deshalb bot sie ihrem Gemahl an, freiwillig das Feld zu räumen und zurück nach Toledo zu gehen. Sogar ihre „Schätze“, also die reiche Mitgift, wollte sie ihm lassen, wenn Chilperich sie nur ziehen ließe. Am liebsten hätte der König das verlockende Angebot unverzüglich angenommen. Aber so reizvoll der Vorschlag auch war – er musste ablehnen, wollte er nicht sein Gesicht verlieren. Hatte er dem alten Athanagild nicht bei seinem Leben geschworen, Galswintha immer treu zu sein? Nicht nur vor dem Westgotenkönig – vor aller Welt würde Chilperich als unzuverlässiger Wort- und Ehebrecher dastehen, was seinem ohnehin schon zweifelhaften Ruf noch zusätzlich schaden würde. Nein, zurückschicken konnte er die Ungeliebte keinesfalls. Da musste sich schon eine andere Lösung finden …

Gefährliche Verwandtschaft

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