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3. Burn out

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Und zwei Penner

In den nachfolgenden Tagen schlief ich ziemlich schlecht und grübelte viel, jedoch vergeblich über diesen seltsamen Mord.

Geradezu verweilte ich mehr und mehr in einem Zwischenreich zwischen Wachen und Träumen, war immerzu müde und nahm alles wie von Ferne her war.

Beispielsweise erinnere ich mich nicht einmal mehr der nachfolgenden Tage. Der Schreibtisch meines Sprechzimmers schien auf eine merkwürdige Weise unwirklich geworden zu sein. Es war zwar immer noch ein Schreibtisch, aber er erschien auf absurde Weise zu kurz, der Abstand zum "Nächsten" zu gering, um ein wirklicher Schutz vor der unguten Einflusssphäre mitleidheischender Patienten zu sein. Auch ragten meine Beine zu weit darunter hervor, denn in der Mitte zwischen den beiden Seitenteilen war nichts wie Luft ohne jede Grenze zu den Beinen des Gegenübers.

Gleichfalls schienen meine Augen in Mitleidenschaft gezogen zu sein, nein, nicht das anatomische Auge an sich, sondern der Seheindruck, welchen es vermittelte. Er war wie in einem Aquarium ohne Taucherbrille. Es vermittelte nur noch einen undeutlichen Eindruck von dem Geschehen in meiner Praxis, die Gesichter wollten sich nicht mehr einstellen, sondern verschwammen zu schemenhaften Fratzen, auf denen nur noch erstarrte, erschrockene Gesichtszüge zu vermuten waren.

Ja, ich fragte mich tatsächlich manchmal, ob ich eigentlich nur weiter träumte, dass ich arbeite oder nicht, zwickte mich ungeduldig in den Arm, ohne wirklich Schmerz zu empfinden, oder bohrte mir mit dem Kugelschreiber Löcher in die Haut.

Es half nichts. Der Zustand blieb.

Schließlich gab ich es auf, auch weil mir von meiner Umgebung deutlich gemacht wurde, dass ich wohl urlaubsreif sei und man mir nahelegte, einige Tage auszuspannen.

Ganz gegen meine Gewohnheiten lief ich zu Fuß nach Hause. Das ist an sich nicht weit, sondern nur etwa 2 Kilometer, aber normalerweise bin ich zu faul dazu und nehme das Auto. Dann sah ich sie plötzlich, die Bienen. Die schwirrten im Gebüsch hinter einer beschmierten, wohl ehemals rot gestrichenen Parkbank, auf der zwei Penner saßen. Der eine, mit einer Flasche Bier in der Rechten, die halb leergetrunken zwischen seinen Beinen baumelte, beim Versuch aufrecht sitzen zu bleiben und nicht hinunter zu rutschen, während in der anderen Hand ein noch glimmender abgelutschter Zigarettenstummel das Nikotinbraun der Fingerkuppen vermehrte und ein zweiter Pennbruder, etwas beleibt, gleichwohl ebenso stinkend und verlumpt, der sich gemütlich zurückgelehnt hatte und eine dicke Zigarre rauchte.

Ich hätte wohl beide nicht bemerkt, während ich an der Ampel auf Grün wartete, weil sich die Parkbank in meinem Rücken befand, hätte der dickere nicht folgenden Satz gesagt: "Ich hab früher auch Kippen geraucht, mach ich aber nicht mehr. Und weißt du warum nicht? Weil ich mich so viel mehr darauf freuen kann, gemütlich eine schöne Zigarre zu rauchen!" Der andere rülpst und murmelt etwas Unverständliches. "Das ist mir wie Weihnachten und Geburtstag in einem", fährt der beleibtere fort, der dicke rote Wangen hat und Wurstfinger, in denen eine halb abgerauchte Zigarre klemmt, die er genüsslich inhaliert.

"Das heißt für mich Leben. Sich auf was freuen können! Auf meine Zigarre!"

Der andere rutscht jetzt doch von der Parkbank, indem er kopfüber nach vorne sinkt und böse aufschlägt. Die Ampel ist jedoch gerade Grün geworden und alle anderen Passanten haben es sehr eilig, rüber zu kommen.

Ich weiß nicht, ob es antrainierter Reflex war oder die Art, wie der Dicke den Satz formuliert hat, der mich bewog, mich umzudrehen und die beiden anzuschauen. Es war ein deutlich ausgesprochener, ganzer, zusammenhängender Satz mit so viel Zufriedenheit darin, wie ich sie selten in letzter Zeit vernommen habe.

Einen kurzen Moment betrachte ich die beiden zerlumpten Gestalten, den Runtergesunkenen und den anderen, den Zigarre rauchenden, da sehe ich diesen merkwürdigen Bienenschwarm über ihnen im Gebüsch, die zwischen den unscheinbaren, kleinen Blüten hin und her schwirren und merkwürdige Muster bilden, die kurz Bestand haben, um sich dann wieder aufzulösen und sich von Neuem zu bilden. Unbestimmte Muster von großer Schönheit und Zartheit.

Herr Maus fällt mir wieder ein und ich beginne zu ahnen, dass er vielleicht recht haben könnte.

Der Tanz der Bienen

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